Mittwoch, 12. Oktober 2016

Boss der Hells Angels von 16 Kugeln durchsiebt

Er muss seinen Widersachern unmittelbar gegenüber gestanden haben. Die Obduktion des toten Rocker-Chefs Aygün Mucuk hat weitere Details zur Bluttat vom Freitag ans Licht gebracht. Eskaliert ein gewaltsamer Machtkampf unter Hells Angels in Hessen? Der Präsident des Gießener Charters wurde auf dem Gelände des Vereinsheims getötet. Die Hintergründe sind noch unklar, die Suche nach den Tätern läuft. 



Der Präsident der Gießener Hells Angels ist auf dem Gelände des Rocker-Vereinsheims erschossen worden. Aygün Mucuk wurde nach ersten Erkenntnissen der Ermittler von mehreren Schüssen getroffen, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Gießen, Thomas Hauburger, sagte. Die Putzfrau, die in dem Clubheim arbeitet, hatte den 45-Jährigen am Freitagmorgen auf dem Grundstück im mittelhessischen Wettenberg gefunden und gegen 8.30 Uhr Polizei und Rettungsdienste alarmiert. Die Leiche soll nun rechtsmedizinisch untersucht werden. Von dem oder den Tätern fehlte zunächst jede Spur.

Das hessische Landeskriminalamt übernahm die Ermittlungen. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte am Freitag das Gelände des Vereinsheims, auf dem sich 30 bis 50 Rocker aufhielten. Zugleich lief die Fahndung nach den Tätern, die Beamten kontrollierten dabei mehrere Fahrzeuge. Die Polizei befragte auch Nachbarn und suchte Zeugen. Unklar war, ob es einen Schusswechsel gegeben hatte.



Der genaue Tatzeitpunkt stand anfangs noch nicht fest. „Momentan gehen wir allerdings davon aus, dass das Tötungsdelikt sich entweder in der Nacht oder am frühen Morgen zugetragen haben müsste“, sagte Behördensprecher Thomas Hauburger. Ob Mucuk bewaffnet war und es einen Streit gegeben hat, muss noch ermittelt werden.

Der am Freitag bei Gießen erschossene Hells Angels-Anführer Aygün Mucuk wurde von mindestens 16 Kugeln getroffen. Das habe die Obduktion der Leiche ergeben, teilten das Landeskriminalamt in Wiesbaden und die Staatsanwaltschaft in Gießen am Montag gemeinsam mit. Die meisten Geschosse trafen den 45-Jährigen in den Brustkorb. Ob die Schüsse aus einer oder mehreren Waffen abgegeben wurden, war zunächst unklar.

Rivalitäten zwischen den alteingesessenen Hells Angels aus Frankfurt und den türkisch geprägten Hells Angels aus Gießen - den so genannten jungen Wilden - hatten in den vergangenen Jahren mehrfach für gewalttätige Auseinandersetzungen gesorgt. Dabei soll es vor allem um die Gründung der Ortsgruppe in Gießen gegangen sein. Dieser Streit hatte vor rund zwei Jahren zu Schüssen vor einem Frankfurter Club mit insgesamt fünf Verletzten geführt. Mucuk, der als Anführer der türkischen Strömung galt, erlitt dabei schwere Verletzungen.



Am Himmelfahrtstag dieses Jahres fielen mitten auf einem belebten Platz in der Frankfurter Innenstadt ebenfalls Schüsse - zwei Männer wurden schwer verletzt. Hintergrund dieser blutigen Rocker-Fehde war nach einer früheren Einschätzung der Ermittler ein Streit zwischen Frankfurter Hells Angels und einem rausgeworfenen Mitglied. Ein Tatverdächtiger, der rund eine Woche nach den Schüssen gefasst wurde, sitzt seither in Haft. Nach einem anderen Verdächtigen wird noch immer gesucht.


Nach Einschätzung des Landeskriminalamts umfasst die Rockerszene in Hessen rund 700 Menschen, die vier Gruppen zugeordnet werden. Im Fokus der Ermittler stehen sie vor allem wegen Rauschgiftdelikten und kriminelle Aktivitäten im Türsteher- und Rotlichtmilieu.
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