Samstag, 24. Februar 2018

Paten der deutschen Provinz


In Erfurt soll die 'Ndrangheta Restaurants betreiben, das vermutet auch die italienische Antimafiabehörde. Die Behörden in Thüringen aber sehen keinen Anfangsverdacht.



Die Michaelisstraße in Erfurt ist das, was man als gute Adresse bezeichnet. Manche nennen sie sogar die steinerne Chronik der Stadt. Ein mittelalterliches Gebäude reiht sich an das nächste, vom vormaligen Hauptgebäude einer der ältesten deutschen Universitäten bis hin zur Michaeliskirche ist alles saniert. Der Benediktsplatz und die Krämerbrücke grenzen an, auch der Fischmarkt mit seinen alten Gildehäusern ist nah. Hier ist die thüringische Landeshauptstadt, die auch sonst sehr vorzeigbar ist, besonders hübsch.

Am Abend des 11. Oktober saßen Einheimische und Touristen vor den Cafés der Michaelisstraße. Es war ungewöhnlich lau, die Innenstadt voller Menschen. Sie aßen Eis oder genossen einen letzten Aperol vor dem Winter. Plötzlich fiel ein Schuss. Menschen schrien, Stühle flogen. In einem Lokal am Ende der Straße gingen etwa 20 Männer aufeinander los. So berichteten es später Zeugen. Nach wenigen Minuten war alles vorbei. Die herbeigerufene Polizei traf keinen der Angreifer mehr an. Sogar eines der Opfer war geflohen. Der Rest der Beteiligten schweigt, bis heute.   

Die Polizei führte Razzien und Durchsuchungen in Erfurt, Weimar und Suhl durch, auch in Zwickau und Berlin. Gefunden wurden Schusswaffen, Elektroschocker, Schlagstöcke und fast 30.000 Euro Bargeld. 15 Tatverdächtige ermittelten die Beamten, darunter mehrere Russen, ein Serbe, aber auch Männer mit deutschem Pass. Fünf kamen in Untersuchungshaft.   

Einige Monate später, an einem schmuddeligen Wintertag, sitzt Peter Hehne an einem großen Besprechungstisch im Thüringer Landeskriminalamt. Die Polizeibehörde befindet sich an einer Ausfallstraße im Süden Erfurts, in einem großen, gut bewachten Gebäudekomplex. "Von Mafia rede ich nicht so gerne", sagt er. Wenn, dann gehe es um organisierte Kriminalität, kurz OK. 


Jeder kann es sehen

Neben Hehne sitzt LKA-Präsident Frank-Michael Schwarz. Er war den größten Teil seines beruflichen Lebens Staatsanwalt und lässt lieber seinen Abteilungsleiter reden. Ab und an sagt er in ausgesucht freundlichem Ton Sätze wie: "Wir müssen uns streng an die Strafprozessordnung halten." Das soll wohl heißen: Wir würden ja gerne mehr tun. Aber leider.

Hehne ist als Abteilungsleiter für das OK-Dezernat 62 zuständig. Der Beamte schiebt seine Brille auf der Nase nach oben und referiert: 20 Dienstposten stünden für die OK zur Verfügung, 16 seien mit realexistierenden Beamten besetzt. "Und die", sagt er, "haben alle allein mit dem, was sich aus dem Hellfeld an Ermittlungen aufdrängt, gut zu tun."

Der Begriff Hellfeld ist bitter wörtlich zu nehmen. Es bezeichnet jenen Bereich der organisierten Kriminalität, der für die Strafverfolger sichtbar ist. Was die Polizei in Erfurt sieht, kann aber praktisch auch jeder andere sehen. 

In dieser übersichtlichen Stadt, die mit den vielen eingemeindeten Dörfern gerade mal gut 210.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählt, kämpfen kriminelle Banden erstaunlich offen im öffentlichen Raum. Bereits im Sommer 2014 kam es zu einer Schießerei vor einem Spielpalast. Dabei wurden zwei Männer schwer verletzt. Es gab zwar einen Prozess und einige Verurteilungen, doch wer da genau gegen wen kämpfte, wissen die Ermittler bis heute nicht.


"Die Leute sind so dreist"

Später brannte der Wagen eines mutmaßlichen Mafiamitglieds aus, postwendend traf es ein Auto der Konkurrenz, wobei es sich beide Male um Fahrzeuge der obersten Preisklasse handelte. Es wurde ein Brandanschlag auf ein Restaurant in der Innenstadt verübt. Bei einer Auseinandersetzung in einem Bordell wurde einem Mann eine Mistgabel in den Bauch gerammt. Und als im vergangenen Jahr der Boxer Arthur Abraham in der Erfurter Messehalle zum Kampf antrat, kam es in aller Öffentlichkeit zu einer Massenschlägerei. Dabei waren zum Teil dieselben Männer beteiligt wie bei der Schießerei vor dem Spielpalast.  

"Wir haben es in Erfurt mit gefährlichen Mitgliedern der Mafia zu tun", sagt Ermittler Hehne. "Diese Leute sind so dreist, in der Öffentlichkeit herumzuschießen und sich zu prügeln." Die Erfurter Polizei ist vollauf beschäftigt mit dem Hellfeld.

Doch was ist mit dem Dunkelfeld? Was ist mit den Behauptungen von Buchautorinnen und -autoren wie Claudio Mancini, Petra Reski und Jürgen Roth, dass sich die italienische Mafia seit den frühen 1990er-Jahren in Mitteldeutschland – und hier vor allem in Erfurt – eingenistet hat? Und was ist mit den italienischen Antimafiabehörden, die in der Stadt eine gut organisierte Dependance der kalabrischen Mafia vermuten? Die Justizbehörden schweigen sich darüber aus.  

Montag, 12. Februar 2018

Sizilien: „König“ der illegalen Wetten verhaftet


Bei einer Razzia gegen die Mafia auf Sizilien sind am Donnerstag 31 Personen festgenommen worden. Zu ihnen zähle auch ein Unternehmer, der als italienischer "König" der illegalen Wetten gilt, teilte die Polizei mit.



Mithilfe der Mafia soll der Geschäftsmann ein Netz aus über 700 illegalen Wettstellen in ganz Italien aufgebaut haben, die ihm Millionen bescherten. Dank mafiöser Unterstützung avancierte er laut den Ermittlern zum Monopolisten im Bereich der illegalen Wetten. Teile seiner Einnahmen flossen den Mafia-Clans zu. Dem Unternehmer werden Mafia-Zugehörigkeit, Geldwäsche, Betrug auf Kosten des Staates und Drogenhandel vorgeworfen, berichteten die Ermittler.

Hinter Gittern landeten auch einige enge Mitarbeiter des Mannes. Beschuldigt wurde er von abtrünnigen Mafiosi, die sich zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschlossen hatten. "Game over" - so lautet der Name der komplexen Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Palermo. Illegale Wetten seien in den vergangenen Jahren für Cosa-Nostra-Clans immer rentabler geworden. Sie hätten sich als ein einfacher Weg zur Geldwäsche etabliert, berichteten die Ermittler.

Justiz rüstet gegen Clan-Mafia in Duisburg auf


"Wir haben es in Duisburg mit 70 relevanten Familien mit mehr als 2.800 Personen zu tun“, erklärte Justizminister in NRW. Diese sollen mit dem Modell "Staatsanwälte vor Ort" besser überwacht werden.


 Mit dem Modell „Staatsanwälte vor Ort“ will die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in Zukunft den kriminellen Machenschaften der 70 Clans auf den Leib rücken. Zuerst wird das Projekt in Duisburg starten und später auf andere Städte ausgeweitet werden.

Um eine Verbesserung der Datensammlung zu gewährleisten, will Justizminister Biesenbach (CDU), im Norden Duisburgs, zusätzlich zwei Vor-Ort-Staatsanwälte abstellen. Sie sind dazu beauftragt, Informationen über das Milieu der Familienclans zu sammeln, zu bündeln und einen besseren Informationstransfer, zu gewährleisten. Somit kann eine Strafverfolgung schneller erfolgen. Es ist bisher zu wenig über die Aktionen der Clan-Mafia bekannt, sodass es schon vorkam, dass Clanmitglieder mit einem Mercedes der S-Klasse beim Amt vorfuhren, um Hartz IV-Leistungen zu beantragen. Und besonders die männlichen Clanmitglieder seien in Straftaten wie Körperverletzung, Raub, Schutzgelderpressung und Drogenkriminalität, verwickelt.

Direkt im Brennpunkt, im Stadtteil Hamborn sollen die Vor-Ort-Staatsanwälte ihren Sitz bekommen. „Wir haben es in Duisburg mit 70 relevanten kurdisch-, türkisch- und arabischstämmigen Familien mit mehr als 2.800 Personen zu tun“, begründete Peter Biesenbach gegenüber der „Rheinischen Post“ die Dringlichkeit eines solchen Projektes. Es geht auch darum, Einnahmen aus kriminellen Machenschaften einzuziehen. Allein in NRW sollen in 2017 bereits 192 Millionen Euro, durch die Beschlagnahme illegalen Vermögens eingenommen worden sein, teilte Biesenbach der RP mit.

Wie die Sprecherin der Duisburger Staatsanwaltschaft, Anna Christiana Weiler der „NRZ“ mitteilte, reagierte die Staatsanwaltschaft Duisburg erfreut auf die Ankündigung des Justizministers. Das neue Konzept für die Vor-Ort-Staatsanwälte sei in Duisburg erarbeitet worden, um die Zusammenarbeit von Polizei, Zoll, Steuerfahndung, Job-Center und Ordnungsamt im Kampf gegen kriminelle Clan-Strukturen weiter zu verbessern.

Bereits im Jahr 2015 soll der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Kampf gegen die Familienclans in NRW, eine bessere Ausstattung der Polizei versprochen haben, so berichtet die „Junge Freiheit“. Das Projekt wurde in Berlin- Neukölln bereits erfolgreich getestet. 


Freitag, 2. Februar 2018

BKA zählt fast 600 Mafia-Mitglieder in Deutschland


(siehe auch unter CLANS IN DEUTSCHLAND - Hier im Blog)

Seit 2008 hat sich die Zahl der italienischen Clan-Mitglieder in Deutschland mehr als vervierfacht. Die Polizei warnt vor dem zunehmenden Einfluss der Mafia und ruft Opfer auf, ihr „Schweigen zu brechen“.

Die Zahl der italienischen Mafia-Mitglieder in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Das berichtet das Nachrichtenmagazin FOCUS unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA). Demnach sind die Polizei bundesweit rund 590 Personen bekannt, die Mafia-Clans angehören. Das sind mehr als vier Mal so viele wie vor zehn Jahren, als die Zahl bei 136 lag.



Die stärkste Mafia-Gruppe in Deutschland ist aktuell die ’Ndrangheta mit 353 Mitgliedern, gefolgt von der Cosa Nostra mit 125 Mitgliedern und der Camorra mit 91 Mitgliedern. Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Verwaltungen, Ämter und Behörden besonders gefährdet.

Das BKA warnt vor dem zunehmenden Einfluss der Mafia auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Sabine Vogt, Abteilungsleiterin Schwere und Organisierte Kriminalität, sagte dem FOCUS: „Vielen ist gar nicht bewusst, welchen Einfluss, welche Macht die Mafia auch hierzulande hat.“ Die Mafia lasse nichts unversucht, „um in die Gesellschaft einzudringen und die Wirtschaft zu schädigen“.

Vogt sagte dem FOCUS weiter: „Es gibt viele Bereiche, die für die Mafia interessant sind, etwa öffentliche Verwaltungen, Ämter und Behörden. Überall da, wo es um große Projekte, lukrative Aufträge, Zulassungen oder Baugenehmigungen geht, muss man sensibel sein.“ Die Einflussnahme könne auf sehr subtile Art erfolgen. Vogt: „Eine Einladung ins Restaurant, Spenden für den Sportverein, eine Kiste Wein – solche kleinen, harmlos wirkende Freundschaftsdienste haben oft ganz andere Hintergründe.“

Das BKA appelliert an Opfer der Mafia, sich an die deutsche Polizei zu wenden. Sabine Vogt sagte dem Magazin: „Wer einmal in die Hände der Mafia geraten ist, wird sich aus eigener Kraft schwer wieder befreien können. Allerdings muss man einen Schritt nach vorne machen und bereit sein, Strafanzeige bei der Polizei zu stellen. Die Opfer müssen ihr Schweigen brechen. Es ist das Einzige, was sie der Mafia entgegensetzen können.“ Laut Vogt sei der Staat in der Lage, durch spezielle Programme „aussagewillige Mafia-Opfer zu schützen“.


Große Anti-Mafia-Operation auch in Deutschland

Erst Anfang Januar gelang der Polizei ein großer Schlag gegen die kalabrische Mafia in Italien und Deutschland. Bei der Operation „Stige“ wurden etwa 170 mutmaßliche Mitglieder der 'Ndrangheta festgenommen, darunter elf in Deutschland. Die in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen gefassten Männer im Alter von 36 bis 61 Jahren stehen im Verdacht, als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung schwere Straftaten wie Erpressung und Geldwäsche begangen zu haben.

Zu den Hintergründen der Aktion erklärte die BKA-Ermittlerin Sabine Vogt im FOCUS: „Im Prinzip ging es um eine Art Schutzgelderpressung auf gehobenem Niveau. Oberflächlich betrachtet wirkte es wie ein legales Geschäft: Der Clan in Kalabrien exportierte Waren nach Deutschland. Wein, Käse, Pizza-Zutaten, Olivenöl, Obst. Die Produkte wurden Gastwirten geliefert, und sie haben diese auch gekauft – aber nicht freiwillig. Sie sind beispielsweise gezwungen worden, für minderwertige Ware überhöhte Preise zu zahlen.“


Zur konkreten Höhe des entstandenen Schadens konnte Vogt keine Angaben machen, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. „Im Moment können wir die Größenordnungen nur erahnen. Insider stellen die Situation dramatisch dar. Nahezu alle italienischen Betriebe der Gastronomie sind Erpressungsopfer. Wenn ein Gastwirt mehrmals im Jahr Lieferungen erhält und jeweils 10.000 Euro zahlen muss, kommt einiges zusammen. Geht man davon aus, dass 80 oder mehr Wirte betroffen waren und die Praxis über Jahre lief, ergibt sich eine erhebliche Summe.“

Donnerstag, 1. Februar 2018

Schlag gegen die Mafia auf Sizilien

Bei einer Razzia gegen die Mafia auf Sizilien sind am Donnerstagvormittag 31 Personen festgenommen worden. Zu ihnen zählt auch der Unternehmer Antonio Benedetto, der als italienischer “König” der illegalen Wetten gilt, teilte die Polizei mit. Mithilfe der Mafia soll der Geschäftsmann ein Netz aus über 700 illegalen Wettstellen in ganz Italien aufgebaut haben, die ihm Millionen bescherten.


 Dank mafiöser Unterstützung avancierte der Mann zum Monopolisten im Bereich der illegalen Wetten. Teile seiner Einnahmen flossen demnach den Mafia-Clans zu. Dem Unternehmer wird Mafia-Zugehörigkeit, Geldwäsche sowie Betrug auf Kosten des Staates und Drogenhandel vorgeworfen, berichteten die Ermittler.

Hinter Gittern landeten auch einige enge Mitarbeiter des Mannes. Beschuldigt wurde er von abtrünnigen Mafiosi, so genannte Pentiti, die sich zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschlossen hatten.

“Game over” – so lautet der Name der komplexen Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Palermo. Illegale Wetten seien in den vergangenen Jahren für Cosa-Nostra-Clans immer rentabler geworden. Sie hätten sich als ein einfacher Weg zur Geldwäsche etabliert, berichteten die Ermittler.