George Stavrakis, 22.08.2015
06:00 Uhr
Vor dem
Landgericht Stuttgart steht ein Mann, der mit seinem Familienclan die Region
Stuttgart vor 20 Jahren in Angst und Schrecken versetzt haben soll. Die Gruppe
hatte Eisdielenbesitzer, Reifenhändler und Pizzeriabetreiber bedroht.
Das
hat sich der 43 Jahre alte Enrico M. wohl anders vorgestellt. Nach 20 Jahren
bürgerlichen Lebens in Süditalien war er nach Stuttgart zurückgekehrt, um
mithilfe seines Anwalts Hans Bense eine alte Sache in Ordnung zu bringen.
Die
Staatsanwaltschaft nennt die alte Sache aus den Jahren 1994 und 1995
gemeinschaftliche räuberische Erpressung und versuchten Menschenraub. Enrico M.
soll aktives Mitglied eines damals in Stuttgart und Umgebung gefürchteten
Mafia-Clans gewesen sein. Der 43-Jährige wanderte, nachdem er bei den
Ermittlungsbehörden vorstellig geworden war, sofort in U-Haft. Inzwischen steht
er vor der 16. Strafkammer des Landgerichts.
Der
Clan hatte Eisdielenbesitzer, Reifenhändler und Pizzeriabetreiber bedroht,
ihnen Schutzgeld abgepresst und sie zur Übernahme von Bürgschaften gezwungen.
„Die Leute hatten Angst“, sagt beispielsweise ein Beamter des
Landeskriminalamts (LKA), der damals die Ermittlungen gegen die Familie M.
leitete und der jetzt als Zeuge geladen ist. Der Clan, geführt vom Vater
Francesco, den man Ciccarone nannte, und von seinem Sohn Don Aniello, sei als
sehr gewalttätig bekannt gewesen, so der LKA-Beamte. Als Deckmantel habe der
Familie M. und ihren Helfern ein Import-Export-Geschäft in Feuerbach gedient.
Und Enrico M.? „Er hat aktiv an den
Erpressungen mitgewirkt“, sagt der LKA-Mann unumwunden. Das hätten unter
anderem die Telefonüberwachungen ergeben, die man von 1994 bis 1996 gemacht
habe. Der 43-Jährige weist das von sich. Er macht zwar im Prozess bis dato
keine Angaben. Doch Verteidiger Bense sagt, sein Mandant räume nichts ein.
Deal geplatzt – Staatsanwältin lehnt ab
Trotzdem treffen sich die Mitglieder der
Strafkammer, die Staatsanwältin und der Verteidiger zu einem Rechtsgespräch.
Bense bietet ein Teilgeständnis an und will dafür eine Bewährungsstrafe für
Enrico M. Schließlich seien die Vorwürfe schon 20 Jahre alt. Die Staatsanwältin
lehnt ab. Sie stellt sich eine deutlich höhere Strafe vor. Und die Richter
können sich bei einem weitergehenden Geständnis drei Jahre Gefängnis
vorstellen. Der Deal scheitert, es muss weiterverhandelt werden.
Das könnte interessant werden. Beim
Prozess gegen Francesco und Aniello M. hatten sich Opfer geweigert auszusagen.
Ein Zeuge nässte sich aus Angst vor Gericht ein. Trotzdem wurde Francesco M. zu
dreieinhalb Jahren verurteilt. Sohn Aniello wurde gar mit zwölf Jahren
Gefängnis belegt.
Der Clan soll 1994 einem Geschäftsmann
in Bietigheim mit dem Tod gedroht haben, um vom ihm Waren im Wert von 40 000
Euro zu bekommen. Gehorche er nicht, werde er in eine Badewanne mit Säure
gelegt – „damit kein Knochen übrig bleibt.“ Eiscafé-Betreiber sollten
Schutzgeld bezahlen. Um den Forderungen Nachdruck zu verschaffen, wurde vor
einer Eisdiele ein Brandsatz gezündet, in ein anderes wurde hineingeschossen.
Der Prozess wird fortgesetzt.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen