Jörg
Bremer / FAZ / Rom
Die Staatsanwaltschaft in Rom wirft der Familie Casamonica vor, sich im
Menschenhandel, der Prostitution und dem Rauschgifthandel verdingt zu haben.
Die prunkvolle öffentliche Beerdigung des Familienoberhauptes Vittorio
Casamonica in Rom bleibt deshalb nicht ohne Folgen
Die Carabinieri lassen ein Gespräch mit den beiden
Männern vom römischen Mafia-Clan der Casamonica nicht zu. Kaum haben die zwei
Verwandten des am Donnerstag so prunkvoll in der Basilika San Giovanni Bosco
betrauerten Vittorio Casamonica das Gartentor zur Villa ihres verstorbenen
„Königs von Rom“ einen Spalt weit geöffnet und ein paar Sätze mit dem Reporter
ausgetauscht, da schreiten die Uniformierten ein und fordern die beiden auf,
das Tor wieder zu schließen.
Die Carabinieri sagen, einer der beiden Männer sei
Vittorios Sohn Antonio. Er stehe unter Hausarrest und dürfe keinen Kontakt nach
draußen haben. Seltsam: Denn Antonio hatte am Donnerstag zur Teilnahme am
triumphalen Trauerzug zu Ehren seines Vaters mit sechsspänniger Droschke und
Rolls-Royce die Genehmigung, das Haus zu verlassen, und von der Villa bis zur
Kirche konnte ganz Rom ihn und seine Familie sehen und sprechen.
Seitdem müssen sich
Polizei, Verwaltung und Kirche gegen den Vorwurf verteidigen, sie wollten nicht
wahrhaben, dass die „Mafia Capitale“, die für städtische Aufträge zum Bau von
Asylheimen und Straßen Lokalpolitiker und städtische Angestellte bestach,
weiter lebt – trotz der Festnahmen im November, trotz des Prozesses gegen ihre
Anführer und der Entlassung vieler Amtsträger.
Aber so wie diese Villa
des verstorbenen Mafiabosses auf der Grenze zwischen zwei Distrikten in der
Provinz Rom liegt, wodurch sich die Polizisten des einen und des anderen stets
absprechen müssen, bevor sie handeln, so arbeitet auch der Clan auf einer
Grenze, nämlich zwischen Recht und Unrecht. Offenbar fällt es der Staatsanwaltschaft
darum schwer, dem Verbrechen auf die Spur zu kommen.
So kann Antonio
Casamonica dem Reporter mit Unschuldsaugen sagen: „Mein Vater hat sich von
seinen Anfängen als Händler in den Abruzzen mühsam in Rom hochgearbeitet. Er
hat bald diese und bald jene Arbeit getan, und dabei stets an die Ärmeren von
uns gedacht und ihnen geholfen. Deswegen ist er für uns der König von Rom.“
König von Rom“ und Schwerverbrecher
Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft den Casamonicas und sechs weiteren
Clans in Latium schwere Verbrechen vor: Menschenhandel, Prostitution,
Rauschgifthandel, Wucherei und Betrug sowie eben Bestechung, um öffentliche
Aufträge zu bekommen. Der „König von Rom“ soll nie zu einer längeren Haftstrafe
verurteilt gewesen sein, aber viele Familienmitglieder mussten ins Gefängnis –
oder werden juristisch verfolgt wie eben Sohn Antonio und ein Neffe, der in
Untersuchungshaft sitzt. Vittorio machte sich offenbar selten die Hände
schmutzig; er nahm lieber als „ehrenwerter Bürger“ an den Abendessen teil, bei
denen die Bauaufträge der Politik an die Wirtschaft verschoben wurden.
So zeigt ihn ein Foto mit Lokalpolitikern. Vittorio wurde mit seinen
Geschäften reich. Das Interieur einer seiner gut 20 Villen sieht so aus: Die
Halle wird von schweren Alabastersäulen und dorischen Kapitellen getragen. Der
Boden ist aus Marmor, die Armaturen in den Badezimmern aus Gold.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen