Von Constanze Reuscher
Ermittler
verhaften Mafia-Boten. Für den größten Boss aller Zeiten und Chef der Cosa-Nostra Matteo Messina Denaro wird es eng. Die Staatsanwältin Teresa Principato wird keine Ruhe geben, bis sie den Boss der Bosse gefasst hat.
"Wenn es uns gelingt, den Ring der Pizzini-Boten
von Messina Denaro zu sprengen, dann sind wir ganz nah an ihm dran", sagte
Giuseppe Linares vor zwei Jahren. Damals zog er einen kleinen, eng
beschriebenen Zettel unter seinem Laptop hervor und hielt ihn hoch wie einen
Skalp. Das war 2013, und Giuseppe Linares war Vizechef der Polizei in der
westsizilianischen Hafenstadt Trapani und hatte gerade seine jüngsten
Fahndungserfolge der Presse präsentiert.
Der Zettel, den er präsentierte, war ein
"Pizzino", so nennt man die Botschaften der Mafiabosse. Dieser
Pizzino stammte aus der Feder von Matteo Messina Denaro, dem letzten großen
Paten der sizilianischen Cosa Nostra, einer der meist gesuchten Verbrecher der
Welt.
Monatelanges Warten
Jetzt ist es sizilianischen Ermittlern
offenbar gelungen, mithilfe hochmoderner Technologie einige der Pizzini-Boten
zu verhaften. Am Sonntag wurden elf mächtige mutmaßliche Mafiosi in der Gegend
von Trapani festgenommen: In einem Landgut hatten die Ermittler alle möglichen
Fallen ausgelegt, zum Beispiel unterirdische Mikrofone, Überwachungskameras in
Baumwipfeln. Monatelang warteten sie. Zuerst ging ihnen der bekannte Mafiaboss
Vito Gondola in die Falle. Sie konnten ihn beobachten, wie er Pizzini unter Steinen
versteckte, die von anderen abgeholt wurden. Am Telefon gab er Hinweise an die
Adressaten in Codeform wie "die Schafe können geschoren werden" oder
"der Ricotta ist fertig".
23 seiner 53 Lebensjahre verbringt
Matteo Messina Denaro schon in einem Versteck. 1993 tauchte er in der Toskana
unter. Matteo Messina Denaro ist Sohn des Mafiapaten Francesco aus
Westsizilien, der der Chef des mächtigen Mafiaclans von Castelvetrano war.
Matteo Messina Denaro soll mehrere Morde begangen und Hilfe bei der Vorbereitung
von Mafiaattentaten in Rom und Florenz in den 90er Jahren geleistet haben. In
Abwesenheit wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Damals genoss der junge Matteo Messina Denaro großen Respekt bei
Toto Riina, der in jenen Jahren die Cosa Nostra regierte. Nur wenige Monate vor
seinem Verschwinden waren die beiden Mafiaermittler, die Staatsanwälte Giovanni
Falcone und Paolo Borsellino, samt ihren Eskorten mit Bomben in die Luft gejagt
worden. Den Befehl zu den Attentaten hatte Toto Riina gegeben – per Pizzino aus
seinem Versteck. Matteo Denaro hatte das System der Pizzini nach dem Abtauchen
perfektioniert: Er befahl, dass seine Briefchen nach der Zustellung vernichtet
werden und eine Antwort nach 15 Tagen bei ihm eingegangen sein musste.
Die
kleinen Zettel, die mit einer mikroskopisch kleinen Schrift beschrieben waren,
wurden auf ein winziges Format zusammengefaltet, gepresst und mit Klebeband
gesichert. Sie waren am Ende "kleiner als eine halbe Zigarette", so
Ermittler Giuseppe Linares. Mit ihnen informiert Matteo Messina Denaro seine
Leute über Strategien, Bündnisse, Handelspartner für illegale Geschäfte, teilt
Kommandos und auch Mordbefehle aus. Internet und Handys hinterlassen Spuren –
Superbosse von seinem Kaliber benutzen elektronische Kommunikationsgeräte daher
normalerweise nicht.
Mafia Staatsanwältin Teresa Principato ist eine der wichtigsten Figuren im Roman LA NERA |
Vordergründig ist die Verhaftung der elf
Postboten ein großer Erfolg der sizilianischen Fahnder. Die Schnur am Hals von
Matteo Messina Denaro zieht sich enger. Selbst Regierungschef Matteo Renzi
lobte die Ermittler und wünschte ihnen via Twitter, dass sie nun "noch
einmal durchstarten bei der Jagd auf den Superboss". Was den Paten im
Sattel hält, ist seine wirtschaftliche Macht. In Westsizilien, wo Rezession und
Arbeitslosigkeit grassieren, ist die Mafia oft der einzige Arbeit- und
Kreditgeber. Mit den Erträgen aus illegalen Geschäften wie dem Drogenhandel
kontrolliert Matteo Messina Denaro die lokale Wirtschaft, sagt Ermittler
Linares. Von Überläufern weiß Linares, wie die einfachen Menschen der Region
ihre Paten sehen: "Alles Gute geht von ihm aus", er wird verehrt.
Aufenthaltsort noch unbekannt
Auf welche Summen sich dessen Reichtümer
belaufen dürften, zeigte sich 2010. Seinerzeit waren in der Gegend von Trapani
Besitztümer des mutmaßlichen Cosa-Nostra-Unternehmers Vito Nicastri
beschlagnahmt worden. Ihr Wert: 1,5 Milliarden Euro. Nicastri wurden
Verbindungen zu Matteo Denaro nachgewiesen. "Wir haben die lebenden
Verzweigungen, die dem Boss die Kommunikation mit der Außenwelt erlaubten,
abgeschnitten", sagte Staatsanwältin Teresa Principato. Doch sie weiß
auch, dass Matteo Messina Denaro noch immer viel, wahrscheinlich zu viel,
Bewegungsfreiheit besitzt. Sein tatsächlicher Aufenthaltsort sei nicht bekannt,
gestand sie ein.
Die Verhaftung des Paten
Riina Anfang der 90er-Jahre zeigte, wie frei solche Bosse sich bewegen können:
Riina hatte in einer Villa in einem bürgerlichen Viertel am Stadtrand von
Palermo residiert. Experten bezweifeln daher, dass die Verhaftung der elf Boten
den letzten Paten in Gefahr bringt.
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