von Julius Müller-Meiningen
Ein sizilianischer Anti-Mafia
Staatsanwalt soll die von Korruption und Verbrechen zersetzte italienische
Hauptstadt auf Vordermann bringen. Eine unmögliche Aufgabe? Rom, sagen manche,
ist heute gefährlicher als Palermo.
Alfonso Sabella (52)
sitzt in seinem Büro im Senatoren-Palast auf dem Kapitol und raucht eine
Zigarette nach der anderen. Neben der Zigarettenschachtel liegt eine
Maxi-Packung mit Kopfwehtabletten. Es ist drückend heiß in der Stadt und
Sabellas Aufgabe im römischen Rathaus übermenschlich.
Der Beamte soll die 50
000 Mitarbeiter umfassende Verwaltung Roms zu einer nach rechtsstaatlichen
Maßstäben funktionierenden Behörde umbauen. Davon kann heute nicht die Rede
sein. „Die Verwaltung Roms ist seit Jahrzehnten korrupt“, sagt Sabella.
Das ist das eine
Problem. Das andere war vor ein paar Tagen sichtbar, als der wegen
Prostitution, Drogenhandel und Erpressung berüchtigte Clan der Casamonica einen
seiner Chefs mit einem pompösen Begräbnis zu Grabe trug, das dem Set eines
Mafia-Films glich. Auf an der Kirchenwand im Viertel Tuscolano angebrachten
Transparenten wurde der verstorbene Vittorio Casamonica als Herrscher über
Himmel und Erde und als „König von Rom“ gefeiert.
Auf die Frage, warum in
einer europäischen Hauptstadt ein solches von Ganoventum strotzendes Begräbnis
vor aller Augen stattfinden kann, hat Sabella nur eine Antwort: „Den Römern ist
die Legalität seit jeher scheißegal.“
Über Hundert Mafiosi hat
Sabella als Staatsanwalt gejagt und einsperren lassen, darunter Bosse wie
Giovanni Brusca und Leoluca Bagarella. Jetzt soll der Sizilianer in Rom
aufräumen. Die Mafia, sagen Leute, die sich auskennen, sei heute in Rom
gefährlicher als in Palermo. An diesem Donnerstag berät die Regierung
Der Anruf von
Bürgermeister Ignazio Marino kam nicht zufällig kurz vor Weihnachten. In Rom
war ein Mafia-Netzwerk aufgeflogen, bei dem die Fäden der organisierten
Kriminalität in der Stadt zusammenliefen und das Unternehmer, Funktionäre der
Verwaltung und Politiker auf seiner Gehaltsliste hatte. Das bestätigte, was
viele ahnten: Weite Teile des Geschäftslebens der Hauptstadt sind von
Korruption und Verbrechen zersetzt.
Die vom Ex-Terroristen
Massimo Carminati koordinierte Hauptstadt-Mafia schmierte über Jahre und
Parteigrenzen hinweg Politiker und Funktionäre, die teilweise Monatsgehälter
für ihre Dienste erhielten. Auch der Casamonica-Clan profitierte von der
Machtaufteilung. Bis heute wurden knapp 80 Verdächtige verhaftet, im November
soll der Prozess beginnen.
Die juristische Aufarbeitung
der Affäre wäre aber nur halb so viel wert, würde die Stadt jetzt nicht auch
von innen her gesäubert. Das ist Sabellas Job. „Eigentlich dürfte es mein Amt
gar nicht geben“, sagt er. „Das ist ja etwa so wie ein Referat für gute
Manieren.“ Der Sizilianer soll die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen
unterstützen, die Vetternwirtschaft vieler Verwaltungsmitarbeiter aufdecken,
öffentliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren kontrollieren und neue Regeln
für die Verwaltung entwerfen. Gleich nach Amtsbeginn im Dezember 2014 sorgte
Sabella dafür, dass auf der Homepage der Stadt alle aktuellen Auftragsverfahren
für jeden abrufbar und transparent sichtbar sind.
Verwaltungsmitarbeiter
können heute per Intranet verdächtige Vorgänge anzeigen. Sabella ließ bereits
über 50 irreguläre Vergabeverfahren stoppen. „Wir haben das Krebsgeschwür
eingedämmt“, sagt er. Sabella will weitermachen, auch wenn es schwer wird. „Die
Maßnahmen, die wir ergriffen haben, stören diejenigen, die bisher in Ruhe ihre
Geschäfte machen konnten“, sagt der Mafia-Jäger. Manchmal nimmt er seine
Pistole mit ins Rathaus. Er hat als Staatsanwalt einen Waffenschein.
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