Reicher Norden, armer Süden:
Das Wirtschaftswachstum im Süden Italiens ist noch geringer als in Griechenland.
Italien ist ein tief
gespaltenes Land. Eine Studie zeigt, dass die Lage im Süden noch schlimmer ist
als gedacht. Sogar Euro-Krisenstaat Griechenland steht beim Wachstum besser da.
Geringes Wirtschaftswachstum, hohe
Arbeitslosigkeit, kaum Infrastruktur und überall Korruption: Italiens Süden
kämpft mit einer Reihe Problemen. Und auch der Graben zwischen Nord und Süd
wird immer größer, wie eine Studie des Wirtschaftsinstitutes Svimez vor einigen
Wochen enthüllte. Demnach ist das Wachstum im sogenannten Mezzogiorno - dem
Süden Italiens - sogar noch geringer als in Griechenland. Seitdem geht ein
Aufschrei durch das Land, Politiker und Bürger diskutieren, wie man den
Regionen wieder auf die Beine helfen kann.
"Der
Süden stirbt", so lautete der dramatische Apell des Autors Roberto Saviano. "Alle fliehen, sogar die Mafia", klagte der
35-Jährige in einem offenen Brief an Regierungschef Matteo Renzi und forderte:
"Sie haben die Pflicht einzugreifen." Renzi konterte, der Süden solle
aufhören, sich selbst zu bemitleiden. "Schluss mit dem Gejammer: Krempeln
wir die Ärmel hoch", forderte er.
Dennoch hat die Politik
offenbar verstanden, dass sie handeln muss. "Nachdem es 20 Jahre lang
keine Strategie für den Mezzogiorno gab, muss man sagen, dass die Frage
Süditaliens keine süditalienische Frage ist, sondern eine des gesamten
Landes", sagte Verkehrsminister Graziano Delrio. Und auch die Ministerin
für wirtschaftliche Entwicklung, Federica Guidi, versprach einen
"Marschall-Plan" und 80 Mrd. Euro für die Infrastruktur in den
südlichen Regionen.
Denn die von Svimez
veröffentlichten Zahlen schockierten viele Italiener: Demnach liegen die
südlichen Regionen weit hinter dem Rest des Landes zurück. Nur um etwa 13
Prozent legte die Wirtschaft im Süden Italiens im Zeitraum von 2000 bis 2014
zu, das ist knapp halb so viel wie in Griechenland.
Extremes Wirtschaftsgefälle
Auch die
wirtschaftlichen Ungleichheiten innerhalb Italiens nehmen zu, sie liegen der
Studie zufolge auf dem höchsten Level seit 2000. Während das Pro-Kopf-Einkommen
im Süden auf unter 17.000 Euro im Jahr gefallen ist, sind es in Südtirol 37.000
Euro. Arbeitslosigkeit ist ein Riesenproblem, unter den jungen Menschen sind
etwa 60 Prozent ohne Job. "Wer gut ausgebildet ist, wandert aus",
warnte der Schriftsteller Claudio Mancini. "Viele junge Leute haben
Probleme, Arbeit zu finden. Sie helfen als Handwerker oder Kellner aus, aber
haben keine festen Jobs", berichtete der 33-jährige Luigi, der in
Kalabrien lebt. "Man kann sich keine Zukunft aufbauen, viele überleben nur
mit der Unterstützung ihrer Großeltern."
Die Forscher von Svimez
warnen vor einem "demografischen Tsunami mit unvorhersehbaren
Folgen". "Es gibt weniger Geburten, weil es zum Luxus geworden ist,
ein Kind zu haben. Zwei zu haben, gilt schon als Wahnsinn", sagte Mancini.
"Wer geboren wird, wächst mit der Idee auf, um zu flüchten." Dabei sind
viele junge Menschen gut ausgebildet. "Es gibt viele gute Universitäten im
Süden", sagte der bekannte Mafia-Autor der Deutschen
Presse-Agentur. "Viele junge Leute studieren, werden dann nicht gebraucht
und verlassen die Region."
Die Probleme sind an
jeder Ecke zu sehen: Marode Straßen, verlassene Fabriken, heruntergekommene
Häuser. Industrie gibt es kaum, die Menschen leben vor allem vom Tourismus und
von der Landwirtschaft. Doch das Potenzial wird oft nicht genutzt, auch die
wenigen Firmen haben es schwer, zahlen wegen mangelnder Infrastruktur drauf.
Hilfsgelder wurden in der Vergangenheit oft gar nicht abgerufen. "Wir
müssen die Ressourcen besser nutzen", forderte Finanzminister Pier Carlo
Padoan.
Doch dem Süden mangelt
es nicht an Geld, die Probleme liegen nach Ansicht von Experten vielmehr in der
Politik. "Die politische Klasse ist seit 40 Jahren dort. Viele haben ein
primäres Interesse daran, ihre eigene Position zu sichern, anstatt die Weiterentwicklung
der Region voranzutreiben", kritisierte Spingola. Mario Caligiuri, der an
der Universität Kalabrien zu den Problemen Süditaliens forscht, sagte der
Deutschen Presse-Agentur: "Ein großes Problem ist, dass es die Vertreter
des Südens nicht schaffen, die Interessen der Regionen im Parlament zu
vertreten. Das ist sehr einfach, aber auch sehr wahr."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen