Die Traumbeerdigung für den „Mafia-Boss – König von Rom“
war kein Drehtermin für einen neuen Mafia-Film, auch wenn sich die Szenen
unweit der Cinecittà-Studios an der Via Tuscolana im Südosten Roms ereigneten.
Da zogen am Donnerstag sechs schwarze irische Rösser eine pompöse Kutsche von
1910 mit dem Sarg von Vittorio Casamonica zur Kirche San Giovanni Bosco. Dem
Katafalk folgte ein Rolls Royce, und drei Pickups einer deutschen Edelmarke
brachten hinterdrein die Kränze. Als Männer mit ihren Schnauzbärten und
tätowierten Armen den Sarg vorbei an den schluchzenden Menschen in die Kirche
trugen, stimmte eine Zigeunerkapelle mit kräftigen Posaunen das Titellied vom
„Paten“ des Filmregisseurs Francis Ford Coppola von 1972 an. Drinnen meinte der
Pastor „Jesus wird unseren Bruder mit offenen Armen empfangen“, und wieder
draußen ließ ein Hubschrauber rote Rosen auf den Sarg regnen.
Er sei ein „feiner Mann“ gewesen, dieser Casamonica,
schluchzte eine alte Frau und trocknete mit einem weißen Spitzentuch ihre
Wangen von den Tränen. Die römische Justiz sieht das allerdings anders. Für sie
ist der 65 Jahre alte Boss, der jetzt einem Geschwür erlag, der Anführer einer
aus den Abruzzen stammenden und seit den siebziger Jahren in Rom sesshaft
gewordenen Roma-Familie. Die Polizei verfolgte diese zentrale Figur im Krimi um
die städtische „Mafia Capitale“.
Mitglieder aus seinem Clan stehen derzeit genauso vor
Gericht wie Vertreter einer weitverzweigten Familie aus Ostia am Mittelmeer und
zwei weitere Clans. Sie schmierten Lokalpolitiker und Verwaltungsbeamte im
großen Stil, um dafür städtische und staatliche Bauaufträge einzuheimsen. In
der Regel ging es dabei um den Bau von Einrichtungen für Migranten und
Infrastrukturmaßnahmen für die Stadt Rom. Seit einem dreiviertel Jahr läuft nun
schon der Prozess, niemand hätte es für möglich gehalten, dass sich diese
Mafiosi noch so mutig auf die Straße wagen würden.
Die Polizei sorgte für freies Geleit
Doch am Donnerstag zeigte sich zumindest ein Teil davon, und weil der
Straßenverkehr vor San Bosco plötzlich zusammenzubrechen drohte, regelte auch
noch die Polizei den freien Zugang zur Kirche. An ihrer Fassade hingen zwei
große Plakate: Auf dem einen wurde der Tote mit einem Gemmenkreuz um den Hals
über der Darstellung des Kolosseums und des Petersdoms als „König von Rom“
gepriesen; auf dem anderen hieß es „Du hast Rom erobert – nun wirst du das
Paradies erobern.“
In der Tat beherrschte der Tote, der in den Armen seiner Familie friedlich
starb, seit den siebziger Jahren einen Gutteil der verbrecherischen Szene in
der Hauptstadt, hatte offenbar Kontakte zur neofaschistischen Magliana-Bande in
Rom in den siebziger und achtziger Jahren und bis zuletzt zur kalabrischen
’ndrangheta. Neben Betrügereien und Bestechungen werden seinem Clan Menschen-
und Rauschgifthandel zur Last gelegt. Dabei brachte es der Boss zu
unermesslichen Reichtum, besaß er doch mindestens 23 Villen, in denen die Bäder
goldene Armaturen haben sollen. Eine Trabrennbahn war auch sein eigen.
Weit reichten seine Kontakte in die „gute Gesellschaft“
der Politik und Verwaltung hinein, und gleichwohl soll niemand bei Kirche,
Polizei, Präfektur oder Stadt vorab etwas von dieser pompösen Trauerfeier
erfahren haben? Ist es möglich, dass niemand versuchte, diese Zurschaustellung
des Verbrechens zu verhindern? Wer genehmigte den Flug eines Helikopters, aus
dem die roten Blütenblätter auf den Katafalk fielen? Wie konnte der
Gemeindepriester seine Kirche für so einen Klamauk öffnen? Der Pastor meinte
nur kleinlaut, er habe aus kanonischem Recht heraus die als bescheiden
ausgegebene Feier nicht verhindern können. Tatsächlich aber hat die Kirche Don
Bosco auch schon einmal eine Trauerfeier abgelehnt. Damals ging es um
Piergiorgio Welby. Der hatte sich nach langen Jahren vor Gericht 2006 erkämpfen
können, dass die Ärzte sein nur noch künstlich erhaltenes Leben beendeten.
Seinen Hinterbliebenen aber wurde die Trauerfeier in Don Bosco verweigert.
Ein anderer Verbrecherboss aber, Enrico De Pedis, erhielt
nach seiner Ermordung im Februar 1990 auch in dieser Kirche seine Trauerfeier.
So entsteht der Eindruck, als habe sich zwischen 1990 und 2015 in Bezug auf die
Mafia in Rom kaum etwas geändert. Am Freitag schimpften daraufhin die Zeitungen
gegen die anhaltende „omertà“ in Rom. Noch gebe es offenbar genügend Mafiosi
auf freiem Fuß, die sich gegen seitig zum Schweigen verpflichtet und daher so
eine Trauerfeier wie die für Casamonica möglich gemacht hätten.
Auf Postern vor der Kirche war zu
lesen: "Vittorio Casamonica - König von Rom" oder "Du hast
Rom erobert, nun eroberst du das Paradies."
Da Bürgermeister Ignazio Marino derzeit in den Ferien
ist, sagte Vizebürgermeister Marco Causi, niemand könne nun noch das
organisierte Verbrechen in Rom kleinreden: „Diese Mafia besteht weiter“. Bei
dieser Trauerveranstaltung handle es sich nicht um Folklore sondern um einen
Angriff auf alle anständigen Bürger der Capitale. Der amtierende Chef des
sozialdemokratischen Partito Democratrico (PD) in Rom Matteo Orfini sagte: „Das
darf nie wieder geschehen. Rom darf nicht zum Set für solche Filme werden.“
Innenminister Angelo Alfano und einige Parteien fordern eine parlamentarische
Untersuchungskommission.
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