Agrigento – Carabinieri, Polizei und Justiz gelang es
nach mehrjährigen Ermittlungen, einen harten Schlag gegen die sizilianische
Cosa Nostra auszuführen. Dabei wurde die gesamte kriminelle Organisation der
„Bergprovinz“ von Agrigento zerschlagen und zwischen Capi, einfachen Mafiosi
und Mafiaunterstützern insgesamt 56 Personen verhaftet.
Den Verhafteten werden unter anderem Erpressung,
Wahlbetrug, Drogenhandel und Erschleichung von öffentlichen Aufträgen zur Last
gelegt. Besonders der Versuch der Cosa Nostra Geld von Gesellschaften, welche
Flüchtlings- und Asylzentren betreiben, zu erpressen, hinterließ bei den
Ermittlern tiefen Eindruck. Die Mafia wollte nicht nur einen Gutteil der
Gewinne einstreichen, sondern auch von jedem einzelnen aufgenommenen Flüchtling
ein „Kopfgeld“ kassieren.
Der dickste Fisch, der bei der von 400 Ordnungskräften
durchgeführten, „Gebirge“ genannten Polizeiaktion den Ermittlern ins Netz ging,
war Francesco Fragapane. Der 37-Jährige galt innerhalb der Cosa Nostra als
„Aufsteiger“ und junger Boss einer „neuen Mafia“, die auf die alten Familien
aus Palermo herabblickte. Nur die berühmten Corleonesi wurden von ihnen als
gleichrangig angesehen. Im Hinterland von Agrigento schuf sich Fragapane ein
„eigenes Reich“, in dem auf vielfache Art und Weise Geld in die Kassen der Cosa
Nostra floss.
Dank des Einsatzes der Carabinieri, bei dem auch ein
Bürgermeister, dem Verstrickungen mit der Mafia nachgesagt werden, verhaftet
wurde, konnte dieses auf Schutzgelderpressung, Drogenhandel und Erschleichung
öffentlicher Aufträge gebaute Geschäftsmodell der „ehrenwerten Gesellschaft“
zerschlagen werden. Der Oberstaatsanwalt von Palermo, Francesco Lo Voi,
kritisierte aber einmal mehr, dass die Erpressungsopfer – es soll sich um
insgesamt 20 Unternehmen handeln – die Täter nicht angezeigt hatten.
Auf der anderen Seite zeigte sich Lo Voi erfreut. „Es
blieb beim Versuch, neue Flüchtlingszentren zu errichten. Das Interesse einiger
Teile von Cosa Nostra, in einer Sparte Fuß zu fassen, wo zur Errichtung neuer Flüchtlingszentren
viele öffentliche Gelder fließen, ist sehr groß und gegenwärtig“, so der
Oberstaatsanwalt von Palermo.
Abgehörte Telefongespräche bestätigten den Verdacht.
Im Jahr 2014 versuchte Calogerino Giambrone, Boss der Mafiafamilie von Cammarata,
vom gemeinnützigen Verein Omnia Academy von Favara, welches ein Zentrum
betrieb, das 15 minderjährige Flüchtlinge beherbergte, Schutzgeld einzutreiben.
Außerdem verlangte der Capo damals, dass der Verein der Tochter des
Bürgermeisters von Cammarata, Vito Mangiapane, der mit der lokalen Mafiafamilie
enge Kontakte pflegte, einen Arbeitsplatz verschaffe. Beides misslang, was beim
Boss großen Zorn auslöste.
Ein anderer Erpressungsversuch richtete sich gegen die
Genossenschaft San Francesco von Agrigento. Die Einrichtung soll aufgrund der
guten Verbindungen der Mafia die behördlichen Genehmigungen der Gemeinde
erhalten haben und direkt auf dieser Basis geschaffen worden sein. Cosa Nostra
wollte in diesem Fall die Hälfte der Arbeitsplätze und 40 Prozent der Einnahmen
erhalten sowie für jeden aufgenommenen Flüchtling einen Anteil kassieren.
Allerdings schlug auch dieser Versuch, die Hände ins „Flüchtlingsgeschäft“ zu
bekommen, fehl.
Den „Kollegen“ von der kalabresischen ’Ndrangheta, zu
der die Mafia von Agrigento und Umgebung enge Kontakte unterhielt, war es
hingegen sehr wohl gelungen, in das Geschäft mit den Flüchtlingen einzusteigen.
Der Schlag gegen die Mafia war hart. Die Verhaftungen
zeigten aber auch, dass Cosa Nostra in Sizilien auch nach dem Tod ihres Capo
dei Capi, Salvatore „Totò“ Riina, immer noch sehr aktiv ist, und in allen
Geschäftsfeldern, wo Geld zu verdienen ist, ihre Hände mit im Spiel haben will.
Siziliens Weg ist noch weit.
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