In einer Großaktion sind 169 Mitglieder
der 'Ndrangheta und mit ihnen verstrickte Geschäftsleute und Lokalpolitiker
festgenommen worden. Es ist der schwerste Schlag seit langem gegen die
kalabrischen Clans, deren Tentakel bis nach Deutschland reichen.
In
der Nacht auf Dienstag haben Spezialeinheiten der Carabinieri bei einem Großeinsatz
gegen einen einflussreichen 'Ndrangheta-Clan in verschiedenen Regionen Italiens
und auch in Deutschland 169 Personen verhaftet. In den letzten Jahren sind den
Sicherheitskräften immer wieder Schläge gegen die kalabresische Mafia gelungen,
doch diese Operation übertrifft alle bisherigen bei weitem. Die Untersuchung
gegen den Clan der Farao-Marincola aus Cirò Marina hatte Jahre gedauert. Der
zuständige Staatsanwalt, Nicola Gratteri, sprach am Dienstag von der größten
Operation gegen die 'Ndrangheta der letzten 23 Jahre.
Den Bürgermeister gekauft
Unter den Verhafteten befinden sich neben einflussreichen
Clan-Mitgliedern und deren Handlangern auch zahlreiche Unternehmer und rund ein
Dutzend Lokalpolitiker, die mit der organisierten Kriminalität unter einer
Decke gesteckt haben sollen. Auch der Bürgermeister von Cirò Marina wurde
verhaftet, der dank seinen engen Beziehungen zur Mafia im letzten Jahr auch zum
Präsidenten der Provinz gewählt worden war. Im Gegenzug für die Unterstützung
der Mafia bei den Wahlen vergaben der Bürgermeister und andere involvierte
Entscheidungsträger kommunale Aufträge an die Mafia und drückten bei deren
illegalen Aktivitäten beide Augen zu.
Deutschlands
Regierung beteuert, dass sie die Gefahr der Mafia sehr ernst nehme. Dennoch hat
sich die Zahl der Clanmitglieder im Land in den vergangenen zehn Jahren mehr
als vervierfacht.
Die Razzia gegen Mitglieder der 'Ndrangheta hat
auch die deutsche Öffentlichkeit daran erinnert, dass die italienische Mafia
kein fernes, südeuropäisches Problem ist. Ihre Clans haben in der Bundesrepublik
schon in den siebziger Jahren Wurzeln geschlagen. Zum einen ist das Land ein
riesiger Absatzmarkt, etwa für Drogen. Zum anderen lässt sich hier das Geld aus
der Heimat waschen, durch Immobiliengeschäfte, im Handel oder in der
Gastronomie. Deutsche lieben Pasta und Pizza.
Das Fanal von Duisburg
Der erste und bis jetzt einzige Kriminalfall, bei dem die Mafia
auf deutschem Boden für alle sichtbar in Erscheinung trat, ereignete sich vor
zehneinhalb Jahren vor der italienischen Pizzeria «Da Bruno» in Duisburg. In
den frühen Morgenstunden des 15. August 2007 erschossen mehrere Täter den
Wirt, seinen Lehrling und vier weitere gebürtige Kalabresen. Die Runde hatte
zuvor in einem Hinterzimmer des Lokals ein Aufnahmeritual der 'Ndrangheta
durchgeführt, der mächtigsten und finanziell potentesten Mafiaorganisation
Europas.
Die Morde waren nicht
das Werk diskreter Auftragskiller, sondern eine öffentliche Hinrichtung. Mehr
als 50 Schüsse gaben die Täter auf ihre Opfer ab. Wie sich später
herausstellte, ging dem Ganzen eine jahrzehntelange Fehde zweier 'Ndrangheta-Clans
voraus. Erst im Jahr zuvor hatte die Gruppe, zu welcher der Wirt und seine
Runde gehörten, in Italien aus Versehen eine Cousine des Haupttäters
erschossen. Eigentlich hätte es deren Mann treffen sollen; nach den Regeln der
kalabrischen Mafia rührt man die Frauen der Clans nicht an.
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