Nichts ist der Santa Corona Unita heilig. Junge Mafiosi
ballern auf Dorfplätzen, am helllichten Tag und sogar in der Hochsaison mit
Kalaschnikows herum. Immer mehr Unschuldige fallen der Fehde zum Opfer.
Apulien hat zwei Gesichter. Da ist das Schöne: Das
Ferienparadies mit Stränden, türkisfarbenem Meer, Dolce Vita. Beliebt auch bei
Schweizer Touristen. Und da das Hässliche: Die Santa Corona Unita, die Mafia im
Absatz Italiens.
In Bitondo bei Bari (I) zeigt sich am Tag vor Silvester Apuliens
Fratze. Es ist 8.30 Uhr. Anna Rosa T. * (84) kommt von der Morgenmesse. Es
fehlen nur noch 50 Schritte zur Wohnung, wo ihre blinde Schwester wartet.
Schüsse zerreißen die Stille in der Altstadtgasse.
«Nonnina Anna Rosa» bricht zusammen. Kugeln treffen das Grosi in die rechte
Körperseite. Die 84-Jährige stirbt noch in der Ambulanz auf dem Weg ins Spital.
Die Rentnerin habe offenbar als Schutzschild für Giuseppe C.* (20) gedient,
schreibt die italienische Nachrichtenagentur ANSA.
Grosi als lebendiges Schutzschild missbraucht
Denn das eigentliche Ziel der Killer ist an diesem Morgen
der Mafioso des Cipriano-Clans. Der vorbestrafte Drogendealer wird ebenfalls
beim Schusswechsel schwer verwundet und ins Poliklinikum nach Bari gebracht. Die Schießerei in der, vom Touristenführer bezeichneten
Stadt der Oliven geht weiter. Die Vendetta folgt nur 20 Minuten nach dem Mord.
Ein Haustor wird mit Maschinengewehrsalven durchsiebt, Rocky, der Schäferhund
des Paten Domenico C.* erschossen. 31 Patronenhülsen liegen auf dem Asphalt.
«Alle wissen, dass sich diese Verbrecher wegen Drogen
bekämpfen und niemand unternimmt etwas», klagt Vincenzo Calamita (53) im
Corriere della Sera. Der Landwirt und Neffe von Anna Rosa T. warnt: «Aus dem
Haus zu gehen ist gefährlich. Alle im Ort sind Zielscheibe.»
Massaker mitten in der touristischen Hochsaison
Bereits im August, mitten in der touristischen Hochsaison,
schockt ein Massaker bei Foggia. Vier Menschen wurden am helllichten Tage mit
Kalaschnikows niedergestreckt. Neben einem Mafia-Boss und seinem Fahrer trifft
es auch zwei unschuldige Bauern. ANSA berichtet von einer amerikanischen
Touristin, die Zeugin des Mordes wurde. Die neue Fehde zwischen den apulischen
Clans kostete im vergangenen Jahr 18 Menschen das Leben. Seit den 80er Jahren
starben 250 Menschen im Mafia-Krieg der Santa Corona Unita.
Jahrelang war es still um die Santa Corona Unita. Die
Medien fokussierten sich auf die kalabrischer `Ndrangheta und die sizilianische
Cosa Nostra. Der Tourismus boomte. Apulien galt als sicher. «In aller Stille
konnten sich diese Clans ausbreiten», erklärt Staatsanwalt Giuseppe
Volpe TPI News. Die Jungen übernahmen das Regiment.
Früher arbeitete die Mafia im Verborgenen
Neue Fehden haben aber vor zwei Jahren in der Provinz von
Bari einen Mafia-Krieg entflammt. An der Front stehen drei Familien: Der Clan
des Gargano, Badeparadies an der Adria, ist spezialisiert auf Waffen- und
Drogenhandel sowie Schutzgelderpressung. Der Clan von Cerignola raubt und
überfällt Geldtransporter. Die dritte Familie wütet als Stadt-Mafia von Foggia.
Zutiefst besorgt zeigt sich Giuseppe Nobiletti in einem
Interview mit La Repubblica. «Der Tourismus ist unser Reichtum», sagt der
Bürgermeister von Vieste im Gargano, «früher arbeitete die Mafia im
Verborgenen, jetzt tötet sie jeden und hat keine Angst vor nichts.
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