Die Menschenhändler vom Mittelmeer
Von Ralph Schulze, 16. Februar 2017, 02:00
Uhr
Ausbeutung, Missbrauch, Erpressung: Die Polizei hat einen
Mafia-Clan zerschlagen, die tausende afrikanische Bootsflüchtlinge schmuggelte
und wie Sklaven behandelte. Die Gruppe ist eine von vielen.
(SZ, dpa) Sie schmuggelten in den letzten zehn Jahren
tausende von Flüchtlingen übers Mittelmeer. Die Mafiabosse nutzen die Notlage
der Migranten, um sie wirtschaftlich auszubeuten, zu erpressen, um vor allem
Frauen sexuell zu missbrauchen und zur Prostitution zu zwingen; Kinder mussten
betteln gehen. Die hilflosen Menschen wurden von den Schleppern wie Sklaven
behandelt. Nun gelang es der spanischen Polizei, zusammen mit marokkanischen
Fahndern und Interpol, eine der wichtigsten Schlepperbanden in Marokko zu
zerschlagen.
Die Mafia organisierte vor allem den Menschenschmuggel aus
Westafrika nach Marokko und dann nach Spanien, von wo aus die Reise dann oft in
andere EU-Länder weiterging. Zunehmend wurde aber auch Libyen als Ausgangspunkt
für die Überfahrt genutzt. Im Bürgerkriegsstaat Libyen gibt es derzeit keinen
funktionierenden Grenzschutz, der in der Lage wäre, Migrantenboote an der
Abfahrt zu hindern. In Marokko haben es die Schlepperbanden hingegen
mittlerweile schwerer, weil das Land im Kampf gegen die illegale Einwanderung
immer enger mit Spanien und der EU zusammenarbeitet.
Seit 2015 war Spaniens Polizei dieser Menschenmafia auf der
Spur. Die Fahnder verfolgten ihre Schmuggelrouten durch Westafrika, Nordafrika
und dann übers Mittelmeer nach Südeuropa. Nun schlugen die Beamten zu: In
Marokko wurden die drei Köpfe der Bande festgenommen. In Spanien kamen sieben
weitere Verdächtige in Haft, die sich vor allem der Ausbeutung der Migranten
nach der Ankunft in Europa widmeten. Die Mitglieder der Bande stammten offenbar
durchweg aus dem westafrikanischen Staat Nigeria. Ihre Opfer waren vorzugsweise
Landsleute aus Nigeria und anderen schwarzafrikanischen Ländern.
Einer der Strippenzieher, der von den marokkanischen
Städten Rabat und Tanger aus operierte, war nach Angaben der spanischen
Ermittler „eine der einflussreichsten Personen in der nigerianischen
Bevölkerung in Marokko“. Er zelebrierte seine öffentlichen Auftritte wie ein
kleiner König: Der Mann habe sich in der Öffentlichkeit mit Leibwächtern
bewegt. Und er war so bekannt, „dass die Menschen aufstanden, wenn er Kirchen
oder Restaurants betrat“, berichtete Spaniens Kripo weiter. Dieser Mafiachef
habe „wenigstens seit 2008 praktisch alle Flüchtlingsboote kontrolliert, welche
über die Meerenge von Gibraltar kamen“. In dieser Meerenge, die das Mittelmeer
mit dem Atlantik verbindet, liegen die marokkanische und die spanische Küste
nur 14 Kilometer auseinander. Spanien hat diese Straße von Gibraltar
mittlerweile durch eine elektronische Radarmauer abgesichert, doch trotzdem
kommen immer noch jedes Jahr tausende Bootsflüchtlinge über diese Route – in
den Booten der Schlepper.
Im vergangenen Jahr fischten spanische Grenzkontrolleure
etwa 6100 Bootsflüchtlinge an ihren südlichen Festlandküsten auf. Eine
vergleichsweise geringe Zahl, gemessen an den mehr als 180 000 Bootsmigranten,
die im gleichen Zeitraum in Italien ankamen.
Die meisten Migranten erreichen Europa inzwischen über die
zentrale Mittelmeer-Route. Von den 180 000 Menschen machten sich 2016 die
meisten aus Libyen auf den Weg nach Italien, berichtete die
EU-Grenzschutzagentur Frontex gestern in Brüssel. „Wir müssen uns auf die
gleiche Zahl einstellen“, sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri mit Blick auf
2017.
In Libyen setzten kriminelle Schleuserbanden darauf, dass
Migranten in internationalen Gewässern eingesammelt und dann nach Europa
gebracht werden, sagte Leggeri. Die kleinen Boote würden immer stärker
überfüllt. Insgesamt kamen 2016 laut Frontex rund 364 000 Flüchtlinge über das
Meer – auch über Griechenland oder eben Spanien.
Spaniens konservative Regierung sieht sich durch die Zahlen
in ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik bestätigt. Ministerpräsident Mariano
Rajoy pflegt seinen Abschreckungskurs den europäischen Kollegen als „spanisches
Modell“ zu empfehlen. Wegen geringer sozialer Hilfen, schneller Abschiebung und
einer engmaschigen Abschottung gilt Spanien als nicht besonders attraktiv für
Migranten. Die meisten betrachten Spanien daher nur als Durchgangsland auf dem
Weg nach Frankreich oder Deutschland.
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