In Italien beginnen gleich zwei Mafia-Prozesse an einem Tag: In Rom steht
der ehemalige Bürgermeister Gianni Alemanno vor Gericht, in Norditalien zählt
der Fußballweltmeister Vincenzo Iaquinta zu den Angeklagten.
Rom/Reggio Emilia - Italien ist von einer
Art Krankheit befallen. Sie streut überall: Bei der Vergabe der öffentlichen
Aufträge für die Weltausstellung 2015, bei der Flutsicherung Venedigs, in der
Hauptstadt Rom. Die Krankheit heißt „Mafia“ und wie ein Geschwür hat sie
gleichermaßen Kleinunternehmer, Beamte, Journalisten und hochrangige Politiker
befallen, von der Linken und der Rechten, im Norden und im Süden.
Am heutigen Mittwoch beginnen gleich zwei
bedeutende Verfahren. Aber sie sind kaum mehr als kurze Erfolge der
italienischen Justiz gegen das um sich greifende Problem, das Wirtschaft und
Demokratie lähmt. Dem früheren Bürgermeister Roms, Gianni Alemanno, wird in der
Hauptstadt der Prozess gemacht. Im Norden müssen sich mehr als 140 Angeklagte,
darunter der Fußballweltmeister Vincenzo Iaquinta, in einem Hochsicherheitssaal
des Gerichts von Reggio Emilia verantworten. Ihnen werden Verbindungen zur eigentlich
aus dem süditalienischen Kalabrien stammenden ‘Ndrangheta vorgeworfen.
Italien gilt als eines der korruptesten
Länder Westeuropas. Im internationalen Vergleich führt die Nichtregierungsorganisation „Transparancy International“ das Land
auf Platz 61 von 161 auf - zwischen Oman und Lesotho. „Die Korruption ist der
Krebs, der Rom zerfrisst“, sagt Mafia-Verfolger Alfonso Sabella.
In der Hauptstadt geht es um den
neofaschistischen Ex-Bürgermeister Gianni Alemanno. Während seiner Amtszeit von
2008 bis 2013 soll das kriminelle Geschäft in Rom, die „Mafia Capitale“, ihren
Aufstieg erlebt, gar prosperiert haben. Er muss sich des Vorwurfs der
Korruption und illegaler Finanzierung seiner Wahlkampagne stellen.
„Bei diesem Prozess geht es um tiefgreifende
Korruption“, analysiert der Mafia-Experte Federico Varese. Um sie zu bekämpfen
müsse eine Reform der Verwaltung her. Ein Whistleblower-System, Rotation der
Positionen und Transparenz, schlägt Varese vor.
Alemanno soll zwischen 2012 und 2014 etwa 125
000 Euro durch seine Stiftung Nuova Italia erhalten haben. Bestechungsgelder,
sagen die Staatsanwälte. Der 58-Jährige wies die Anschuldigungen in einer
italienischen Zeitung zurück: „Ich habe ein sauberes Gewissen und deswegen auch
nichts zu verhandeln.
Sein Prozess schließt sich einem im
vergangenen November begonnenen Verfahren gegen 46 Angeklagte an - darunter
Politiker, Unternehmer und Funktionäre - die mit der Mafia unter einer Decke gesteckt
haben sollen. Unter anderem sollen die Beschuldigten profitable Aufträge aus
öffentlichen Ausschreibungen erhalten haben. Besonders aktiv sei die „Malavita“
in der Abfallentsorgung, der Stadtreinigung und der Betreibung von
Flüchtlingseinrichtungen gewesen, heißt es.
Längst ist die kalabrische „Ndrangheta auch
in den nördlichen Regionen vertreten. Das zeigt der zweite Prozess an diesem
Mittwoch, ein wahres Maxiverfahren in Reggio Emilia in der Nähe von Bologna.
Unter den Angeklagten sind hier Journalisten, Politiker und Unternehmer sowie
auch Vincenzo Iaquinta, prominenter Fußballweltmeister von 2006. Ihm wird
vorgeworfen, gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Sein Vater Giuseppe
soll sogar Mitglied der Verbrecherorganisation sein. „Ich weiß noch nicht mal,
was das ist, diese „Ndrangheta“, sagte der Stürmer Anfang März in den Medien.
Besonders nach den zwei katastrophalen
Erdbeben 2012 soll die “Ndrangheta, die ansonsten vor allem mit Drogen- und
Waffenhandel Milliardenprofite macht, am Wiederaufbau in Norditalien verdient
haben. Das Baugewerbe sei sehr anfällig für die Infiltration durch die Mafia,
erklärt Varese. „Gerade kleinere Unternehmer profitieren, wenn die Verbrecher
sich einmischen und die Wettbewerber vom Markt halten“, sagt er. Nur eine
stärkere Kontrolle durch lokale Regierungen könne dies verhindern.
Zwar werden nun die Schuldigen vermutlich
bestraft werden, doch vor Gericht werden nur die Symptome der Krankheit
behandelt. „Die Strafverfolger sind sehr mutig. Aber es ändert sich nichts“,
sagt Varese. „Reformen und Regulierungen sind der einzige Weg, um die Mafia
langfristig zu bekämpfen.“
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