Die italienische
Regierung hat eine Offensive gegen „Baby-Killer“ in Neapel eingeleitet, nachdem
diese Woche drei Morde verübt wurden, die auf Jugendbanden zurückzuführen sind.
Innenminister Angelino Alfano verlangt, dass Jugendliche schon ab 16 Jahren wie
Erwachsene bestraft werden. Immer häufiger terrorisieren bewaffnete
Jugendbanden die Stadt.
Nachdem in den
vergangenen Monaten mehrere prominente Bosse der Camorra, der Mafia in Neapel,
festgenommen wurden, hat eine junge Generation die Führung der kriminellen
Geschäfte im Schatten des Vesuvs übernommen, analysieren Experten. Junge,
skrupellose Kriminelle im Alter von knapp 20 Jahren oder sogar noch
minderjährig würden über ein riesiges Waffenarsenal verfügen. Ein beispielloser
Krieg zur Kontrolle des Territoriums und der illegalen Aktivitäten wie Drogen-
und Waffenhandel, sowie Prostitution und Wucher tobe im Großraum von Neapel,
der fast vier Millionen Einwohner zähle. Allein seit Jahresbeginn seien sieben
Menschen in Zusammenhang mit diesem Kampf um die Kontrolle krimineller
Aktivitäten in Süditaliens größter Metropole ums Leben gekommen.
„Neapel erlebt eine
Notstandslage ohne gleichen in Europa, die wesentlich schlimmer als jene in den
Pariser Banlieus ist“, klagte Italiens Anti-Mafia-Staatsanwalt Franco Roberti
im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ am Sonntag. Nachdem
die Köpfe der größten Camorra-Clans zuletzt festgenommen wurden, hätten
Jugendliche die Führung der Clans übernommen. „Es gibt ganze Viertel in Neapel,
die wegen Mangels an sozialer Strukturen unter Kontrolle der Camorra stehen“,
sagte der Staatsanwalt.
Auch der neapolitanische Bestsellerautor
und Camorra-Experte Roberto Saviano schlägt Alarm. „Jugendbanden töten und
beherrschen einen Raum, in dem sie viel mehr als die lokalen Politiker zählen“,
sagte Saviano. Selbst die im Kampf gegen die Kriminalität eingesetzten Behörden
erklärten sich vor dieser Gewaltwelle machtlos. „Neapel lebt seit jeher im
Krieg. Ein Krieg mit immer jüngeren Soldaten, man kann schon von Kindersoldaten
sprechen. Diese Situation entsteht aus Armut, Arbeitslosigkeit und einer tiefen
Krise des Schulsystems“, analysierte Marco Rossi Doria, Lehrer und Politiker in
Neapel.
„Neapel muss besser
bewacht werden, doch man muss vor allem auf Vorbeugung setzen“, betonte
Staatsanwalt Roberti. Oppositionsparteien beschuldigen die Regierung, die
Vesuvstadt der organisierten Kriminalität überlassen zu haben. Innenminister
Angelino Alfano hielt dem entgegen, dass tausende Polizisten und Soldaten in
der Region Neapel eingesetzt seien. Damit sei der neapolitanische Raum der am
stärksten kontrollierte in Italien.
Alfano forderte die
Herabstufung der Strafmündigkeit von 18 auf 16 Jahre. Jugendliche würden
Straftaten begehen und wüssten dabei genau, dass ihnen in ihrem Alter nichts
passieren könne. Teilweise würden auch Kinder von Erwachsenen zu Straftaten
angestiftet. “Wenn man mit 16 Jahren mit einer Pistole in der Hand herumläuft,
kann man nicht behaupten, man wisse nicht, was man tue. Zugleich wollen wir
verhindern, dass erwachsene Kriminelle Minderjährige für ihre Verbrechen
benützen. Mafia-Bosse geben Teenagern Pistolen in die Hand, weil sie nicht
strafbar sind“, sagte Alfano.
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