Sonntag, 7. Februar 2016

Todfeindin der Mafia - BKA-Direktorin Sabine Vogt

Ihre Feinde sind Waffenhändler, Drogenschmuggler, Geldwäscher. Sabine Vogt leitet beim Bundeskriminalamt (BKA) die Abteilung für Schwerverbrechen. Wer ist die Top-Fahnderin?



Im Büro A 311 könnte man locker Squash spielen oder eine Runde Minigolf. Allein die Ausmaße und das staatstragende Ambiente zeigen: Hier arbeitet jemand an großen, wichtigen Dingen.

Zwei Flaggenstöcke aus mahagonifarbenem Holz ragen in den Raum. Schwarz, Rot Gold auf der einen, das Azurblau der Europa-Flagge auf der anderen Seite. Auf dem Schreibtisch, zwischen Akten und einer Flasche Wasser, vibriert ständig ein Smartphone. Eilige Nachrichten. Es geht um die Sicherheit Deutschlands.

Sabine Vogt hat ihr Dienstzimmer, das in einem streng bewachten Komplex des Bundeskriminalamts (BKA) mitten in Wiesbaden liegt, im Frühjahr 2013 bezogen. Seitdem leitet sie die Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität. Dem FOCUS gewährte die Top-Ermittlerin nun erstmals Einblicke in ihre Arbeit, sprach über aktuelle Bedrohungen und die Probleme der Fahnder im Kampf gegen das Verbrechen.


Ihr Wort hat national und international Gewicht

Die 56-Jährige, blonde Kurzhaarfrisur, modische Brille, taillierte Lederjacke im Biker-Look, führt 750 Mitarbeiter an. Es ist ein Team für alle Fälle: Menschenhandel, Schleusungen, Rauschgift- und Waffenschmuggel, Geldwäsche, Cybercrime, Korruption, Kinderpornografie, Rockerkriminalität, Bandeneinbrüche.

Sabine Vogt hat nicht nur jede Menge zu tun, sie bringt auch alle Voraussetzungen mit, die man für den heiklen und kräftezehrenden Job braucht. Ihr Wort hat bei deutschen Sicherheitsexperten Gewicht, international ist sie bestens vernetzt - ein Umstand von unschätzbarem Wert, denn Vogts kriminelle Gegenspieler agieren global. Die "Direktorin beim BKA", so ihr offizieller Dienstgrad, ist von Haus aus Juristin. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über das Thema "Strafvereitelung".
Nach dem Studium hätte sie Richterin oder Staatsanwältin werden können. Sie entschied sich für die Polizei. "Ich wollte nah an den Fällen dran sein, die Juristen oft nur aus den Akten kennen." Vogt liebt ihren Beruf: "Eine größere Herausforderung kann ich mir kaum vorstellen."


Großes Gefahrenpotential 


Italienische Mafia-Gruppen gehören zur Stammkundschaft der BKA-Leute. Aber auch mit schwer kriminellen Banden aus Osteuropa müssen sie sich herumschlagen. "Die russischeurasische Mafia", berichtet Vogt, "macht uns erhebliche Sorgen." Die wegen ihrer Brutalität in aller Welt gefürchteten Gangstergruppen breiten sich in Deutschland aus. Vogt: "Wir sehen da ein großes Gefahrenpotenzial."

Das organisierte Verbrechen war in Deutschland lange Zeit kein Thema. Die Mafia, so dachten viele, existiere nur in Italien und den USA oder in Filmen wie "Der Pate". Doch dann kam Duisburg. Am 15. August 2007 erschossen Mafiosi vor einer Pizzeria sechs Mitglieder eines verfeindeten Clans. "Das Attentat von Duisburg hat die Wahrnehmung der Menschen verändert", sagt Vogt. Plötzlich war klar: Die Mafia ist mitten unter uns.

Heute, achteinhalb Jahre nach dem Massaker, spricht kaum noch jemand über italienische Clans. Vogt hält das für einen Fehler. Die Gefährlichkeit der Organisation bemesse sich nicht ausschließlich "an der Zahl der Toten, die auf der Straße liegen". Die Gefährlichkeit bestehe darin, "dass die Mafia nahezu unbemerkt immer tiefer in unser Leben eindringt und die Wirtschaft schädigt".


Ausmaß der Mafia kaum einschätzbar

 

Laut BKA leben in Deutschland derzeit 543 italienische Mafia-Angehörige. Die meisten von ihnen, nämlich 308, gehören der 'Ndrangheta an. 123 werden der Cosa Nostra zugerechnet, 95 der Camorra beziehungsweise Stidda. Hinzu kommen 17 Mitglieder der Apulischen Mafia. Hochburgen sind Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Die Zahlen klingen wenig dramatisch. Aber die Aufstellung gibt nur wider, was die Ermittler für erwiesen halten. "Wie groß das Dunkelfeld der unerkannten Mafia-Mitglieder ist, können wir kaum einschätzen", sagt Sabine Vogt. Experten gehen davon aus, dass auf jeden Mafioso mehrere Bandenmitglieder kommen, die ihren Clan unterstützen.

Die italienische Mafia hat sich in Deutschland etabliert, viele Familien leben hier in der vierten Generation. Das Auffälligste an ihnen ist ihre Unauffälligkeit. Die meisten Mafiosi sind freundlich zu ihren Nachbarn, gehen einer legalen Arbeit nach und halten sich an die Gesetze. Sie wissen, dass ihnen nicht viel passieren kann - anders als in ihrer Heimat, wo die bloße Zugehörigkeit zur Mafia unter Strafe steht.

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