Ihre Feinde sind Waffenhändler,
Drogenschmuggler, Geldwäscher. Sabine Vogt leitet beim Bundeskriminalamt (BKA)
die Abteilung für Schwerverbrechen. Wer ist die Top-Fahnderin?
Im Büro A 311 könnte man locker Squash
spielen oder eine Runde Minigolf. Allein die Ausmaße und das staatstragende
Ambiente zeigen: Hier arbeitet jemand an großen, wichtigen Dingen.
Zwei Flaggenstöcke aus mahagonifarbenem
Holz ragen in den Raum. Schwarz, Rot Gold auf der einen, das Azurblau der
Europa-Flagge auf der anderen Seite. Auf dem Schreibtisch, zwischen Akten und
einer Flasche Wasser, vibriert ständig ein Smartphone. Eilige Nachrichten. Es
geht um die Sicherheit Deutschlands.
Sabine Vogt hat ihr Dienstzimmer, das in
einem streng bewachten Komplex des Bundeskriminalamts (BKA) mitten in Wiesbaden
liegt, im Frühjahr 2013 bezogen. Seitdem leitet sie die Abteilung Schwere und
Organisierte Kriminalität. Dem FOCUS gewährte die Top-Ermittlerin nun erstmals
Einblicke in ihre Arbeit, sprach über aktuelle Bedrohungen und die Probleme der
Fahnder im Kampf gegen das Verbrechen.
Ihr Wort hat national
und international Gewicht
Die 56-Jährige, blonde Kurzhaarfrisur,
modische Brille, taillierte Lederjacke im Biker-Look, führt 750 Mitarbeiter an.
Es ist ein Team für alle Fälle: Menschenhandel, Schleusungen, Rauschgift- und
Waffenschmuggel, Geldwäsche, Cybercrime, Korruption, Kinderpornografie,
Rockerkriminalität, Bandeneinbrüche.
Sabine Vogt hat nicht nur jede Menge zu
tun, sie bringt auch alle Voraussetzungen mit, die man für den heiklen und
kräftezehrenden Job braucht. Ihr Wort hat bei deutschen Sicherheitsexperten
Gewicht, international ist sie bestens vernetzt - ein Umstand von unschätzbarem
Wert, denn Vogts kriminelle Gegenspieler agieren global. Die "Direktorin
beim BKA", so ihr offizieller Dienstgrad, ist von Haus aus Juristin. Ihre
Doktorarbeit schrieb sie über das Thema "Strafvereitelung".
Nach dem Studium hätte sie
Richterin oder Staatsanwältin werden können. Sie entschied sich für die Polizei. "Ich wollte nah an den Fällen
dran sein, die Juristen oft nur aus den Akten kennen." Vogt liebt ihren
Beruf: "Eine größere Herausforderung kann ich mir kaum vorstellen."
Großes Gefahrenpotential
Italienische Mafia-Gruppen
gehören zur Stammkundschaft der BKA-Leute. Aber auch mit schwer kriminellen
Banden aus Osteuropa müssen sie sich herumschlagen. "Die
russischeurasische Mafia", berichtet Vogt, "macht uns erhebliche
Sorgen." Die wegen ihrer Brutalität in aller Welt gefürchteten
Gangstergruppen breiten sich in Deutschland aus. Vogt: "Wir sehen da ein
großes Gefahrenpotenzial."
Das organisierte Verbrechen war in Deutschland lange Zeit kein
Thema. Die Mafia, so dachten viele, existiere nur in Italien und den USA oder
in Filmen wie "Der Pate". Doch dann kam Duisburg. Am 15. August 2007
erschossen Mafiosi vor einer Pizzeria sechs Mitglieder eines verfeindeten
Clans. "Das Attentat von Duisburg hat die Wahrnehmung der Menschen
verändert", sagt Vogt. Plötzlich war klar: Die Mafia ist mitten unter uns.
Heute, achteinhalb Jahre
nach dem Massaker, spricht kaum noch jemand über italienische Clans. Vogt hält
das für einen Fehler. Die Gefährlichkeit der Organisation bemesse sich nicht
ausschließlich "an der Zahl der Toten, die auf der Straße liegen". Die
Gefährlichkeit bestehe darin, "dass die Mafia nahezu unbemerkt immer
tiefer in unser Leben eindringt und die Wirtschaft schädigt".
Ausmaß der Mafia kaum einschätzbar
Laut BKA leben in
Deutschland derzeit 543 italienische Mafia-Angehörige. Die meisten von ihnen,
nämlich 308, gehören der 'Ndrangheta an. 123 werden der Cosa Nostra
zugerechnet, 95 der Camorra beziehungsweise Stidda. Hinzu kommen 17 Mitglieder
der Apulischen Mafia. Hochburgen sind Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen
und Hessen.
Die Zahlen klingen wenig
dramatisch. Aber die Aufstellung gibt nur wider, was die Ermittler für erwiesen
halten. "Wie groß das Dunkelfeld der unerkannten Mafia-Mitglieder ist,
können wir kaum einschätzen", sagt Sabine Vogt. Experten gehen davon aus,
dass auf jeden Mafioso mehrere Bandenmitglieder kommen, die ihren Clan
unterstützen.
Die italienische Mafia hat
sich in Deutschland etabliert, viele Familien leben hier in der vierten
Generation. Das Auffälligste an ihnen ist ihre Unauffälligkeit. Die meisten
Mafiosi sind freundlich zu ihren Nachbarn, gehen einer legalen Arbeit nach und
halten sich an die Gesetze. Sie wissen, dass ihnen nicht viel passieren kann -
anders als in ihrer Heimat, wo die bloße Zugehörigkeit zur Mafia unter Strafe
steht.
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