Interview von Brigitte Gaiser
Der Wahl-Kronberger Claudio Michele Mancini ist mit Mafia-Romanen erfolgreich.
Der gewaltsame Tod seines Vaters war der Impuls für
ihn, seine schriftstellerische Leidenschaft in neue Bahnen zu lenken.
Mittlerweile ist der in Kronberg lebende Claudio Michele Mancini zum
Bestseller-Autor geworden – durch schockierende und spannende Romane aus
dem Mafia-Milieu – ein Milieu, das er bestens kennt.
Seit einigen Jahren lebt er in Kronberg, Claudio Michele
Mancini. Die Liebe hat ihn hierher gebracht, nachdem er sein offizielles
Berufsleben als Dozent in Berkeley und später als Unternehmensberater
in Frankreich, Italien, Deutschland und den USA beendet hatte.
Natürlich möchte man wissen, was einen Geschäftsmann zum
Schriftsteller macht. Die erste spontane Antwort darauf: "Der gewaltsame
Tod meines Vaters, mein Gerechtigkeitssinn und die Leidenschaft fürs
Schreiben." Seine Herkunft, Lebenserfahrung und seine Tätigkeit als
Arbeits- und Wirtschaftspsychologe erwiesen sich, ohne dass er es damals
ahnte, als ideale Lehrmeister für den erfolgreichen Weg zum
Schriftsteller. "Und wie haben Sie das literarische Schreiben als die in
diesem Metier notwendige Voraussetzung gelernt?" Nach kurzem Nachdenken
meint er: "Ich habe immer viel gelesen. Schreiben konnte ich dann
einfach." Bescheiden fügt er an: "Vielleicht habe ich auch ein bisschen
Talent."
Er will sensibilisieren
Gerechtigkeitssinn als hauptsächliches Motiv bedarf einer Erklärung.
Mancini ist der Sohn einer aus Nazi-Deutschland geflohenen Mutter und
eines sizilianischen Vaters. Er wuchs in der Provinz Verbania am Lago
Maggiore auf und machte 1964 an einer Klosterschule sein Abitur. Seine
Ferien verbrachte er oft "bei Freunden" auf Sizilien. "Ich bin im
unmittelbaren Umfeld der Mafia aufgewachsen", sagt er. Die traditionelle
Mafia, die anders als die heute weltweit agierenden kriminellen
Vereinigungen, welche mit Drogenhandel, Schutzgelderpressung und
Prostitution ein gigantisches "Geldrad" drehen, war in Sizilien schon
Anfang des 19. Jahrhunderts aus den Strukturen korrupter Statthalter der
Großgrundbesitzer, den Gabelloti, hervorgegangen. Auch heute
organisieren sie sich noch in sogenannten Familien, weiten jedoch ihre
hierarchischen Machtstrukturen mit atemberaubender Geschwindigkeit auf
ganz Europa aus, indem sie die engen Kontakte zu Wirtschaft und Politik
nutzen.
Nach seinem Studium der Psychologie in München lernte Mancini durch
seinen Beruf die Praktiken in der Wirtschaft kennen und meint: "Da gibt
es wirklich rein gar nichts, was zur optimalen Kapitalanhäufung
unterlassen wird, im Gegenteil. Auch ein Grund, weshalb ich mit meinen
Büchern nicht nur unterhalten, sondern Leser für die unvorstellbaren
Machenschaften sensibilisieren will." Sein ganzes Leben lang hat er sich
schon mit der Mafia beschäftigt und hat viele Freunde unter den
Carabinieri, Richtern und Staatsanwälten. Darum kennt er die großen
Fälle, kennt die gesamten Verflechtungen, gegen die ein fast
aussichtsloser Kampf gekämpft wird, und er weiß, was in der Gesellschaft
gespielt wird.
Ein Jahr Recherche
"Die Vorarbeit für ein Buch kostet mich meistens ein ganzes Jahr, ein
spannendes Jahr, aber auch ein Jahr angefüllt mit planvoller Arbeit",
erzählt Mancini, "denn wenn die Recherche nicht auf allen Ebenen stimmt,
wird nichts daraus." Er legt die Handlung fest, immer nach
tatsächlichen Vorkommnissen, verfremdet, um Probleme zu vermeiden, die agierende Personen. Er muss darauf achten, dass diese in den Romanen nicht erkannt werden.
Claudio Michele Mancini
Daneben ist ein Hauptanliegen, immer so viel preiszugeben, dass der
Leser in die verschiedenen Ebenen des Geschehens gut eingeführt wird,
die Spannung erlebt, dass dabei aber auf keinen Fall irgendjemand in
Gefahr gebracht wird. Denn, so Mancini, "die Mafia goutiert zwar
Aufmerksamkeit als Aufwertung ihrer Macht, reagiert aber auch sehr
schnell empfindlich, vergisst nichts und die Rache kann erst sehr viel
später kommen".
Die Recherche bedeutet für Mancini, sich mit den finsteren Seiten der
Gesellschaft und negativen Charakteren zu beschäftigen. "Es ist schon
so, dass jede Recherche einen weiteren Glauben an das Gute im Menschen
kosten könnte, aber zum einen erfinde ich in meinen Romanen zu den
finsteren Gestalten auch Gegenspieler und zum anderen habe ich meine
großartige Frau an der Seite, mit der ich mir den Druck von der Seele
lachen kann."
In seinem neuesten Werk "La Nera" beschreibt Mancini das Psychogramm
einer jungen Frau, die in einen der mächtigsten sizilianischen
Familienclans einheiratet und zu einer gefürchteten Patin wird. Zur Zeit schreibt Mancini an einem neuen Fall. Arbeitstitel: "Il Bastardo".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen