Die Schätze der Camorra werden versteigert
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Eine Rolex aus Weißgold.
Ringe, besetzt mit Smaragden. Ein Collier aus Diamanten. In Neapel
werden derzeit hochkarätige Schmuckstücke versteigert. Nicht im
Auktionshaus allerdings, sondern im Gerichtssaal. Das Landgericht hat
beschlossen, seine vollgestopften Asservatenkammern zu leeren – in der
sich die gesammelten Schätze von vier Jahrzehnten Jagd auf die Camorra
stapeln.
Mehr als eine
Million Euro beträgt der Wert der Güter die von diversen Clans der
neapolitanischen Mafia konfisziert wurden, und die das Gericht nun
loswerden möchte. Die Startpreise hat die Verwaltung auf unter 50
Prozent des Marktwertes veranschlagt, ein Fest für wohlhabende
Schnäppchenjäger. Die Rolex etwa wird für 12.000 Euro feilgeboten, das
Collier für 11.000.
Die
Versteigerung der Schmuckstücke ist erst der Anfang einer Serie von
Auktionen. Als nächstes soll der Fuhrpark der Camorra-Clans unter den
Hammer kommen: Autos, Motorräder und Lastwagen – man habe mittlerweile
ein Platzproblem, heißt es beim Gericht.
So treiben die Behörden Gelder ein
"So treiben wir Gelder ein,
welche die organisierte Kriminalität dem Staat abgenommen hat",
begründet Carlo Alemi seine Initiative. Der Präsident des Landgerichts
weiß auch schon, was er mit dem Gewinn anfangen wird. "Ich hoffe, dass
wir einen Teil davon wieder in unsere Behörden investieren können. Wir
haben hier teilweise Probleme, den ordnungsgemäßen Arbeitsablauf
aufrechtzuerhalten."
Der ewige Kampf
gegen das organisierte Verbrechen in Italien mag nicht immer erfolgreich
sein, doch umso kreativer sind die Behörden im Umgang mit dem
beschlagnahmten Besitz der Bosse.
1996 hat die
Regierung ein Gesetz erlassen, nach dem das Eigentum zu lebenslangen
Freiheitsstrafen verurteilter Mafiosi an die Gemeinden übergeht. Es
sieht vor, dass die auf illegale Weise erworbenen Güter an Verbände,
Gemeinden und Regionen verteilt werden. Diese investieren das Geld
wieder in den öffentlichen Dienst oder fördern gemeinnützige Projekte.
Letzteren kommt
besonders die hohe Anzahl konfiszierter Immobilien zu Gute. Die
nationale Agentur, welche die Güter verwaltet, zählt landesweit
inzwischen rund 13.000 Grundstücke und Unternehmen von Mafiosi zum
staatlichen Eigentum. Die meisten werden in soziale Einrichtungen
umgewandelt.
Aus Cosa Nostra-Landsitzen werden Bio-Bauernhöfe
Das wohl
skurrilste Projekt soll demnächst in Casal di Principe eingeweiht
werden. Der Camorra-Boss Walter Schiavone hatte sich in dem
süditalienischen Städtchen einen Palast bauen lassen – eine
originalgetreue Kopie der Luxusvilla von Gangsterboss Tony Montana aus
dem berühmten Mafia-Film "Scarface". In diesem 850 Quadratmeter großen
Protz-Palazzo mit Säulenhalle, Pool und Wendeltreppen soll demnächst ein
Rehabilitationszentrum für Menschen mit Behinderungen eingeweiht
werden.
"Das Konzept
der Umnutzung ist nicht nur finanziell, sondern auch kulturell sehr
effektiv", erklärt Davide Pati von der Antimafia-Organisation Liberà.
"Indem wir uns an einem Ort sozial engagieren, gewinnen wir die
Einwohner für uns und entziehen der Mafia so nicht nur ihr Eigentum
sondern auch den Rückhalt in der Bevölkerung."
Liberà ist der
Dachverband von den rund 1.500 verschiedenen Organisationen, die sich
gegen die Mafia engagieren und Umnutzungs-Projekte im ganzen Land
betreuen.
In Bari etwa
haben sie ein ehemaliges Kino der apulischen Mafia in eine Bühne für ein
Theaterprojekt verwandelt. In Corleone nahe Palermo wurden zwei
Landsitze der sizilianischen Cosa Nostra in Bio-Bauernhöfe samt Pension
umgebaut. Auf zahlreichen Grundstücken sind in den vergangenen Jahren
zudem landwirtschaftliche Genossenschaften entstanden, die Arbeitsplätze
in der Region schaffen – und die erste Lebensmittel-Marke mit dem
Etikett "Mafia-frei". Unter dem Label "Libera Terra" (freies Land),
produzieren die Höfe Olivenöl, Zitronen oder Wein, die in Supermärkten
im ganzen Land verkauft werden.
Kammer mit Mafia-Besitz wird bald Museum
Die meisten
konfiszierten Güter verzeichnet der Staat in den südlichen Regionen
Sizilien, Kampanien und Kalabrien. Aber seit ein paar Jahren kommen auch
immer mehr Immobilien aus dem Norden dazu. Camorra, 'Ndrangheta
(Kalabrien) und Cosa Nostra investieren ihr Geld längst auch in anderen
Landesteilen. Das bislang größte Grundstück mit 600 Hektar Land
beschlagnahmten die Behörden etwa in der Toskana.
Und auch in
schicke Wohnungen in der italienischen Hauptstadt investiert die
Camorra. Unweit der Piazza Venezia beschlagnahmten Ermittler vor ein
paar Jahren ein Appartement im siebenten Stock eines Palazzos. Die
Mafiosi hatten die Wohnung nicht etwa wegen ihrer tollen Aussicht auf
das historische Zentrum Roms ausgewählt, sondern weil sie im Fall einer
Hausdurchsuchung über die Dächer fliehen konnten. Heute hat dort Liberà
ihr Büro und koordiniert aus der ehemaligen Clan-Wohnung ihre
Antimafia-Projekte.
Auch Neapel
will – nachdem Schmuck und Fuhrpark der Camorra versteigert sind – sich
bald um ein Umnutzungs-Projekt kümmern. In Castel Capuano, einer alten
neapolitanischen Burg, lagern nämlich noch einmal mehr als 20.000
beschlagnahmte Clan-Güter aus vorrepublikanischen Zeiten: darunter alte
Waffen und allerlei Werkzeug für Einbrüche, eine bronzene Büste von
Benito Mussolini und zwei Gemälde aus der neapolitanischen Schule des
18. Jahrhunderts.
Das zuständige
Gericht will die historische Asservatenkammer künftig in ein Museum
umwandeln. Die konfiszierten Schätze, so die Idee, werden dann einfach
entstaubt und als Exponate arrangiert – etwa für eine Dauerausstellung
über die Geschichte der neapolitanischen Justiz.
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