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Bei der Camorra, der im Raum Neapel verbreiteten Form der italienischen
Mafia, haben zunehmend sehr junge Täter das Sagen.
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In den vergangenen Monaten hatten in Neapel und Umgebung wieder blutige
Bandenkriege zahlreiche Opfer gefordert.
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Der Aufstieg der als besonders gewaltbereit und unberechenbar geltenden
jungen Garde ist eine Folge der Verhaftung der meisten der älteren
Camorra-Bosse.
Die italienische Politikerin Rosy Bindi
löste kürzlich große Aufregung in Neapel aus, als sie sagte, was eigentlich
jeder wusste. „Die Camorra ist ein konstitutives Element der Gesellschaft und
Geschichte dieser Stadt“, erklärte die Vorsitzende des Anti-Mafia-Ausschusses
des nationalen Parlaments. Wütende Proteste von Lokalpolitikern waren die Folge
- während gleichzeitig neue Bluttaten die Stadt am Vesuv erschütterten.
Neapel wird das Thema Camorra, wie die
Mafia in der Region Kampanien heißt, nicht los. Nachdem in den vergangenen
Jahren viele der alten Clan-Chefs verhaftet wurden, sind es jetzt sehr junge
Täter, die sich im Kampf um Einflusszonen blutige Gefechte liefern. Man nennt
sie die „Baby-Gangs“. In der Dunkelheit rasen die Jungen mit Motorrädern durch
die Gassen und schießen mit Kalaschnikow-Gewehren um sich. Auch Unbeteiligte geraten
in Gefahr.
Unter großer Anteilnahme wurde im
September der 17-jährige Gennaro Cesarano zu Grabe getragen, der auf einem
Platz in der Altstadt Neapels erschossen wurde. Nach Aussage seiner Eltern
hatte er mit den Gangs nichts zu tun, nach anderen Berichten war er der Polizei
wegen diverser Straftaten einschlägig bekannt. Ein Opfer unter vielen. Nach
Presseberichten sind seit Jahresbeginn in der Stadt mindestens 16 junge Leute
erschossen worden.
Der italienische Autor Roberto Saviano
spricht schon von einem „neuen Camorra-Krieg“ und von einer Strategie des
Terrors. Saviano hatte 2006 in seinem Bestseller „Gomorrha“ detailliert
beschrieben, wie die Clans unter anderem mit Drogenhandel, Glücksspiel und
illegaler Müllentsorgung Milliarden scheffeln - und wie bei Bandenkriegen im
Stadtviertel Scampia zwischen 2004 und 2005 mehr als 100 Menschen umkamen.
„Gomorrha“ wurde auch verfilmt, doch Saviano muss sich seit dem Buch verstecken
und Polizeischutz nehmen.
Junge Killer, besonders
wild
Manch einer in Neapel meint, dass
Saviano übertreibe und dass die Lage längst nicht so schlimm sei wie vor zehn
Jahren. Alteingesessene Neapolitaner versichern, dass man sich in der
drittgrößten Stadt Italiens völlig ungefährdet bewegen könne. Aber den
Ermittlern bereiten die „jungen Killer“ Kopfzerbrechen.
Im Jahresbericht der italienischen
Anti-Mafia-Direktion heißt es, dass die Camorra zwar nicht die Macht der
sizilianischen Cosa Nostra oder der kalabrischen 'Ndrangheta habe. Eine
besondere Gefahr für die öffentliche Ordnung gehe aber von neuen Protagonisten
aus: „Sehr junge Killer, die sich durch besondere Wildheit auszeichnen und die
außerhalb aller Regeln handeln“, heißt es im Bericht.
Für den Chef der italienischen
Antikorruptionsbehörde, Raffaele Cantone, ist es ein neues Phänomen, dass
Jugendliche in die Führungsspitze der Clans aufgestiegen sind. „Es handelt sich
um wenig bekannte Jungs, und das ist ein Zeichen für die große Fähigkeit der
kriminellen Organisationen, sich zu erneuern“, sagt Cantone.
„Die Clans der Camorra werden von
jugendlichen Bossen geführt“, sagt Salvatore Buglione, Sprecher der Fondazione
Pol.i.s., einer Stiftung, die sich unter anderem um die Opfer der Gewalt in
Kampanien kümmert. Dieser Generationswechsel sei eine Folge der Verhaftung der
historischen Camorra-Bosse. Der bekannteste von ihnen, Francesco Schiavone,
alias „Sandokan“, sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab.
Gegen das Vergessen
Am Stadtpalast in Caserta nordwestlich
von Neapel, hat die Stiftung große Fotos von 109 Menschen aufgehängt. Sie sollen
an insgesamt 338 unschuldige Gewalt-Opfer in Kampanien aus den vergangenen
Jahrzehnten erinnern. Die Kampagne unter dem Schlagwort „Noninvano“ (Nicht
umsonst) will erreichen, dass sie nicht vergessen werden.
Auch die italienische Regierung bleibt
nicht untätig. Innenminister Angelino Alfano kündigte jetzt mehr
Videoüberwachung in Neapel an und versprach 200 zusätzliche Polizisten. Die
Kriminalität in der Provinz Neapel sei im Übrigen im ersten Halbjahr 2015 um
6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken, sagte Alfano.
Nach Ansicht der Fondazione ist das
Problem der Jugendgangs mit Polizeimacht aber nicht zu lösen. „Die wahre Lösung
ist Erziehung, ist Kultur, den Jungs eine Alternative zur Gewalt zu bieten“,
sagt Buglione. Stiftungspräsident Paolo Siani habe von der Regierung einen Plan
dazu gefordert. „Es sind schon zu viele junge Leute in Kampanien gestorben, das
ist ein Diebstahl an der Zukunft“, sagt Buglione.
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