Sonntag, 18. Oktober 2015

Mit 1000 Soldaten gegen die «Baby-Mafiosi»

Eine neue Generation von Camorra-Clans kämpft um Neapels Viertel. Die Jungen sind jedoch brutaler als ihre Väter. Jetzt will Rom die Armee entsenden.

Die italienische Regierung will 1000 Soldaten nach Neapel schicken. Sie sollen gegen die Camorra, den neapolitanischen Arm der Mafia, und gegen Jugendbanden eingesetzt werden. «Wir werden mit den Soldaten für mehr Sicherheit sorgen», sagte Verteidigungsministerin Roberta Pinotti zu Campania24. Sie reagierte somit auf die neue Kriminalitätswelle in der Stadt am Fuße des Vesuv.



Denn obwohl die meisten der alten Capi der berüchtigten Camorra hinter Gittern sitzen, ist in Neapel wieder ein Krieg zwischen verfeindeten Mafia-Clans ausgebrochen. Eine neue Generation von sogenannten «Baby-Gangs» hat die kriminellen Geschäfte übernommen, doch die Jungen halten nichts von den Abmachungen ihrer Väter, was die Aufteilung der Reviere anbelangt. Sie kämpfen um Einflusszonen in Neapel — und gehen dabei mit äußerster Brutalität vor.


Unbeteiligte als Opfer

Erst vor drei Wochen wurde der 17 Jahre alte Gennaro Cesarano auf offener Strasse ermordet. Die Polizei fand später heraus, dass der Jugendliche eine Gang leitete, die Drogenhandel, Diebstahl und Erpressung betrieb.

Die Ermordung Cesaranos ist kein Einzelfall. Fast täglich fallen Schüsse in Neapels Altstadt. In der Dunkelheit rasen die Jungen mit Motorrädern durch die Gassen und schiessen mit Kalaschnikows um sich. Dabei geraten oft Unbeteiligte in Gefahr. In den letzten Monaten kamen insgesamt neun Menschen ums Leben.




Ein «neuer Camorra-Krieg»

«Die Camorra ist Teil der DNA und der Geschichte dieser Stadt», erklärte daraufhin die italienische Politikerin Rosy Bindi und löste damit Proteste von Lokalpolitikern aus. Dabei hatte die Vorsitzende des Anti-Mafia-Ausschusses des nationalen Parlaments nichts Neues gesagt.

Auch der italienische Bestsellerautor Roberto Saviano spricht von einem «neuen Camorra-Krieg» und von einer Strategie des Terrors. Saviano hatte 2006 in seinem Bestseller «Gomorrha» detailliert beschrieben, wie die Clans unter anderem mit Drogenhandel, Glücksspiel und illegaler Müllentsorgung Milliarden scheffeln. Saviano lebt seit der Veröffentlichung des Buchs unter Polizeischutz.


Jung, wild, ohne Regeln

Alteingesessene Neapolitaner versichern hingegen, dass man sich in der drittgrößten Stadt Italiens völlig ungefährdet bewegen könne. Dennoch bereiten den Ermittlern gerade die «jungen Killer» Kopfzerbrechen.

Im Jahresbericht der italienischen Anti-Mafia-Direktion heißt es, dass die Camorra zwar nicht die Macht der sizilianischen Cosa Nostra oder der kalabrischen 'Ndrangheta habe. Eine besondere Gefahr für die öffentliche Ordnung gehe aber von neuen Protagonisten aus: «Sehr junge Killer, die sich durch besondere Wildheit auszeichnen und die außerhalb aller Regeln handeln», heißt es im Bericht.

Chefermittler Raffaele Cantone




Die Lösung ist Erziehung

Für den Chef der italienischen Antikorruptionsbehörde, Raffaele Cantone, ist es ein neues Phänomen, dass Jugendliche in die Führungsspitze der Clans aufgestiegen sind. «Die Clans der Camorra werden von jugendlichen Bossen geführt», sagt Salvatore Buglione, Sprecher der Fondazione Pol.i.s., einer Stiftung, die sich unter anderem um die Opfer der Gewalt in Kampanien kümmert.

Dieser Generationswechsel sei eine Folge der Verhaftung der altgedienten Camorra-Bosse. Nach Ansicht der Fondazione ist das Problem der Jugendgangs mit Polizeimacht aber nicht zu lösen. «Die wahre Lösung ist Erziehung, ist Kultur, den Jungs eine Alternative zur Gewalt zu bieten», sagt Buglione.
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