Eine neue Generation
von Camorra-Clans kämpft um Neapels Viertel. Die Jungen sind jedoch brutaler
als ihre Väter. Jetzt will Rom die Armee entsenden.
Die italienische Regierung will 1000 Soldaten
nach Neapel schicken. Sie sollen gegen die Camorra, den neapolitanischen Arm
der Mafia, und gegen Jugendbanden eingesetzt werden. «Wir werden mit den
Soldaten für mehr Sicherheit sorgen», sagte Verteidigungsministerin Roberta
Pinotti zu Campania24. Sie reagierte somit auf die neue Kriminalitätswelle in
der Stadt am Fuße des Vesuv.
Denn obwohl die meisten der alten Capi der
berüchtigten Camorra hinter Gittern sitzen, ist in Neapel wieder ein Krieg
zwischen verfeindeten Mafia-Clans ausgebrochen. Eine neue Generation von
sogenannten «Baby-Gangs» hat die kriminellen Geschäfte übernommen, doch die
Jungen halten nichts von den Abmachungen ihrer Väter, was die Aufteilung der
Reviere anbelangt. Sie kämpfen um Einflusszonen in Neapel — und gehen dabei mit
äußerster Brutalität vor.
Unbeteiligte als Opfer
Erst
vor drei Wochen wurde der 17 Jahre alte Gennaro Cesarano auf offener Strasse
ermordet. Die Polizei fand später heraus, dass der Jugendliche eine Gang
leitete, die Drogenhandel, Diebstahl und Erpressung betrieb.
Die
Ermordung Cesaranos ist kein Einzelfall. Fast täglich fallen Schüsse in Neapels
Altstadt. In der Dunkelheit rasen die Jungen mit Motorrädern durch die Gassen
und schiessen mit Kalaschnikows um sich. Dabei geraten oft Unbeteiligte in
Gefahr. In den letzten Monaten kamen insgesamt neun Menschen ums Leben.
Ein «neuer Camorra-Krieg»
«Die
Camorra ist Teil der DNA und der Geschichte dieser Stadt», erklärte daraufhin
die italienische Politikerin Rosy Bindi und löste damit Proteste von
Lokalpolitikern aus. Dabei hatte die Vorsitzende des Anti-Mafia-Ausschusses des
nationalen Parlaments nichts Neues gesagt.
Auch
der italienische Bestsellerautor Roberto Saviano spricht von einem «neuen
Camorra-Krieg» und von einer Strategie des Terrors. Saviano hatte 2006 in
seinem Bestseller «Gomorrha» detailliert beschrieben, wie die Clans unter
anderem mit Drogenhandel, Glücksspiel und illegaler Müllentsorgung Milliarden
scheffeln. Saviano lebt seit der Veröffentlichung des Buchs unter
Polizeischutz.
Jung, wild, ohne Regeln
Alteingesessene
Neapolitaner versichern hingegen, dass man sich in der drittgrößten Stadt
Italiens völlig ungefährdet bewegen könne. Dennoch bereiten den Ermittlern
gerade die «jungen Killer» Kopfzerbrechen.
Im Jahresbericht der italienischen Anti-Mafia-Direktion
heißt es, dass die Camorra zwar nicht die Macht der sizilianischen Cosa Nostra
oder der kalabrischen 'Ndrangheta habe. Eine besondere Gefahr für die
öffentliche Ordnung gehe aber von neuen Protagonisten aus: «Sehr junge Killer,
die sich durch besondere Wildheit auszeichnen und die außerhalb aller Regeln
handeln», heißt es im Bericht.
Chefermittler Raffaele Cantone |
Die Lösung ist Erziehung
Für
den Chef der italienischen Antikorruptionsbehörde, Raffaele Cantone, ist es ein
neues Phänomen, dass Jugendliche in die Führungsspitze der Clans aufgestiegen
sind. «Die Clans der Camorra werden von jugendlichen Bossen geführt», sagt
Salvatore Buglione, Sprecher der Fondazione Pol.i.s., einer Stiftung, die sich
unter anderem um die Opfer der Gewalt in Kampanien kümmert.
Dieser Generationswechsel sei eine Folge der Verhaftung der
altgedienten Camorra-Bosse. Nach Ansicht der Fondazione ist das Problem der
Jugendgangs mit Polizeimacht aber nicht zu lösen. «Die wahre Lösung ist
Erziehung, ist Kultur, den Jungs eine Alternative zur Gewalt zu bieten», sagt
Buglione.
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