Samstag, 17. Oktober 2015

Die Rocker-Szene hat sich in Deutschland verdoppelt

Die Rockerkriminalität nimmt zu. Mehrere Gewaltexzesse sind die Folge. Auch in NRW hat sich ihre Zahl erhöht. Nur ein Klischee trifft nicht mehr zu.




Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Bundesweit, so sagt das Bundeskriminalamt, nimmt die Rocker-Kriminalität heftig zu. Das schlägt sich auch in den Zahlen aus NRW wieder. Die Mitgliederzahlen der Gangs an Rhein und Ruhr haben sich in den letzten Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Alleine 2015 ist es hier bisher zu 19 schweren Gewaltexzessen mit Schusswaffen gekommen – aber auch unter Einsatz von Handgranaten und Panzerfäusten.

Sind Rocker immer noch die berüchtigten Motorrad-Gangs? Ihr martialisches Auftreten und die strenge Hierarchie sind wie immer. Aber dass Rocker durch Motorräder und Leder auffallen - dieser Satz, der über Jahrzehnte galt, gilt nicht mehr so. Zunehmend sind sie zu Fuß oder im Auto unterwegs. Vor allem „rockerähnliche Gruppierungen“, die als Unterstützerszene gelten und sich vielfach aus Migranten-Szenen rekrutieren, verabschieden sich vom herkömmlichen Bild. „Motorräder spielen für sie keine bzw. eine untergeordneter Rolle“, heißt es in einem Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes.




Polizeiexperten warnen: An allen diesen Gruppen ist wenig Romantisches. Bandenmitglieder mischen bei fast allem mit, was unter „Rotlicht“ fällt. Das Bundeskriminalamt hat im letzten Jahr 48 große Verfahren gegen „organisierte Kriminalität“ geführt, die im Zusammenhang mit Rockern standen. Das ist fast jeder zehnte Fall dieses Bereichs, so viel wie nie zuvor. Der Handel mit synthetischen Drogen steht auf Platz 1 der dabei ermittelten Straftaten, gefolgt von Gewaltdelikten. Sie sind an zahlreichen Etablissements der Szene beteiligt und damit an verschiedenen Formen der Prostitution und des Menschenhandels.

Über diese Beteiligungen führt die NRW-Polizei allerdings keine zentrale Datei, geht aus der Antwort der Landesregierung auf Fragen des CDU-Politikers Theo Kruse hervor. Setzen Rocker Waffen ein? Das sogar sehr brutal. Zahlreiche Vorfälle im Rhein-Ruhr-Raum zeigen das. 50 schwere Zwischenfälle hat es seit 2010 gegeben, mit drastisch steigender Tendenz in den ersten Monaten dieses Jahres. Die Polizei zählt dazu alle Vorgänge, bei denen ein Waffeneinsatz aufgefallen ist. Im Mai ist ein Mitglied des Turkish Army 81 MC in Würselen durch einen Kopfschuss getötet worden. Mutmaßlicher Täter: Ein Hells Angel. Wer kämpft hier gegen wen?



Fast immer geht es „Rocker gegen Rocker“ und damit ums Geschäft oder die Ehre - Ladenlokale und Rotlicht-Geschäfte werden gegenseitig überfallen, in Köln hat es im Januar einen Handgranatenanschlag auf einen Gebrauchtwagenhändler gegeben, der bei den Brothers mitmischte. Unbekannte setzten eine Panzerfaust ein, um das Clubheim der Outlaws in Hückelhoven zu zerlegen. 2015 kam es in Bochum, Dortmund und Lünen zu Schusswaffen-Überfällen auf Wohnungen gegnerischer Rocker. Auch in Friseurgeschäft war ein Ziel. Im März 2014 ist aber auch der Filalleiter eines Supermarktes in Oberhausen überfallen worden. Tatverdächtige sind Mitglieder der Hells Angels. Wie viele Rocker gibt es in NRW?

Die Landesregierung listet in ihrer Antwort 1592 Mitglieder „echter“ Rockerbanden-Mitglieder auf. 160 weitere sind Unterstützergruppen organisiert. Vor fünf Jahren zählte das Innenministerium erst 532 Rocker – und keine Unterstützer. Welche Banden sind die stärksten? Die Bandidos. Ihren 21 Gruppen werden 685 Mitglieder zugerechnet. 388 fahren beim Motorradclub Gremium. Der große Bandidos-Rivale Hells Angels (14 Gruppen, 272 Mitglieder) liegt seit ungefähr 2012 im Ranking nur noch auf Platz drei.

Die niederländischen Satudarah spielen seit dem bundesweiten Verbot durch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere keine Rolle mehr in NRW.




Dafür erscheinen in diesem Jahr die Freeway Roders MC und die Brothers MC erstmals. Zusammen bringen sie 147 Anhänger mit. Bei den rockerähnlichen Unterstützungsgruppen dominieren die United Tribuns vor First Fighters und Black Jackets. Teilweise steigen die Unterstützer nach einiger Zeit in die erste Liga auf – wie die „Turkish Nomads“, die kürzlich Vollmitglieder der Hells Angels wurden.



Wer beherrscht wo die Szene? Der Rhein-Ruhr-Raum ist im Prinzip aufgeteilt, gerade in den überlappenden Regionen kommt es aber ständig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hells Angels treten im engeren Ruhrgebiet, mit Ausnahme von Oberhausen und Mülheim, als Gruppe so gut wie nicht in Erscheinung und tauchen dafür in Köln, am Niederrhein, in Olpe, Siegen und in Teilen Ostwestfalens auf. An der Ruhr haben die Bandidos das Sagen. Ihre Gangs fallen der Polizei in Dortmund, Bochum, Herne, Unna, Dinslaken, mit der Ruhr City Gang in Essen, in Gelsenkirchen, aber auch in Bottrop und Recklinghausen auf.

Die Gremiums machen sich am Niederrhein bemerkbar, die neuen Freeway Riders sind auch in Duisburg aktiv. Immer wieder wird behauptet: Rocker sind eng mit der rechten Szene verbandelt. Stimmt das? Mit der rechten Szene gemeinsam haben sie auf jeden Fall die strengen Vorstellungen von Hierarchie. Dennoch deklarieren sich die Clubs in ihren Satzungen als unpolitisch, und zahlreiche Rechtsextreme stört der inzwischen hohe Migranten-Anteil der Rockergruppen. Analysen den BKA und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehen von einzelnen lokalen Verflechtungen aus. Das ist vor allem in Ostdeutschland so und auch in Teilen Süddeutschlands. In Baden-Württemberg wurden von 50 Nazi-Konzerten zwischen 2001 und 2008 33 in Clubs der Bandidos durchgeführt. Allgemein gilt, dass die Hells Angels.
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