Freitag, 2. Oktober 2015

Kapstadt ist Afrikas neue Mafia-Hauptstadt

In Südafrika ist das organisierte Verbrechen omnipräsent: Neue Zahlen zeigen, wie die Geschäfte der Mafia florieren. Und der verwegene Plan eines tschechischen Mafiabosses sorgt für Entsetzen.




Was sich gerade in Südafrika abspielt, erinnert an das Drehbuch eines schlechten Hollywoodfilmes und bietet interessante Einblicke in die obskure Welt des organisierten Verbrechens. Hauptdarsteller ist der in einem Gefängnis von Pretoria einsitzende Tscheche Radovan Krejčíř, den die Staatsanwaltschaft für einen der führenden Köpfe des organisierten Verbrechens in Südafrika hält.

Der 46-Jährige war im August des versuchten Mordes und einer Entführung im Zusammenhang mit einem fehlgeschlagenen Drogengeschäft für schuldig gesprochen worden. Ihm wird zudem der Mord an dem libanesischen Geschäftsmann Sam Issa vorgeworfen, der im Jahr 2013 in Johannesburg in seinem Auto erschossen wurde – das Verfahren läuft noch, wie auch einige andere. Krejčíř weiß, dass er das Gefängnis in den nächsten zehn Jahren nicht auf legalem Weg verlassen wird. Doch einer wie er kennt andere Wege.

Den Strafverfolgern in seiner Heimat Tschechien, wo ein Haftbefehl wegen Steuerbetrugs und Mordplänen vorliegt, entkam er einst durch ein Badezimmerfenster seiner Prager Villa. Im Jahr 2007 reiste er schließlich nach einem Aufenthalt auf den Seychellen in Südafrika ein. Mit einem gefälschten Pass, ausgestellt auf den Namen Egbert Jules Savy.


Eine Pistole in der Zelle des Gangsterbosses

Diesmal ist die Lage komplizierter, und Krejčíř hatte offenbar einen brachialeren Fluchtplan geschmiedet. Die südafrikanische Polizei teilte mit, dass sie nach einem Tipp die Zellen des Tschechen und seiner Gefolgsmänner untersucht habe. Dabei sei die Uniform eines Gefängniswärters, eine Pistole, ein Messer, zehn Handys sowie ein Elektroschocker gefunden worden. Die Ermittler gehen davon aus, dass Krejčířs Ausbruchsversuch unmittelbar bevorstand – unterstützt von einem südafrikanisch-tschechischen Verbrechernetzwerk. "Wir wissen, dass im vergangenen Jahr Männer aus Tschechien nach Südafrika geschickt wurden, um die Ermittler im Fall Krejčíř zu töten und ihn aus dem Land zu schleusen", sagte Polizeisprecher Solomon Makgale.

Der kräftige Gangsterboss sitzt seitdem in einer neuen, angeblich besser bewachten Zelle des Kgosi-Mampuru-II-Gefängnisses, das bekannter dafür ist, dass hier der wegen fahrlässiger Tötung verurteilte Paralympics-Star Pistorius festgehalten wird. Am Dienstag wurde die Nation jedoch erneut daran erinnert, dass sie ein zunehmendes Problem mit dem organisierten Verbrechen hat. Die Polizei veröffentlichte die aktuelle Kriminalitätsstatistik.

Schockierend wirkte nicht nur, dass die Zahl der Morde im zweiten Jahr in Folge angestiegen ist (um 4,6 Prozent auf 17.805) – ein Niveau, das laut der Oppositionspartei Democratic Alliance eigentlich nur von Ländern im Kriegszustand erreicht werde.


Kapstadt ist Afrikas neue Mafia-Hauptstadt

Erschüttert zeigten sich die Analysten auch, weil die in erster Linie mit dem organisierten Verbrechen assoziierten Vergehen florieren. Im zurückliegenden Jahr gab es 29,1 Prozent mehr Diebstähle von Lkw und 14,2 Prozent mehr Car-Hijackings, wie der Raub von Autos unter Androhung von Gewalt gegen den Fahrer genannt wird. Der Kapstädter Professor für Kriminologie, Anthony Minaar, geht davon aus, dass Südafrikas größte Stadt Johannesburg Nigerias Metropole Lagos als Hauptstadt des organisierten Verbrechens in Afrika abgelöst hat. Ein aktueller UN-Bericht bezeichne Südafrika "als Drehkreuz, über das der Rest Afrikas mit gestohlenen Produkten versorgt wird", sagte er der Zeitung "Cape Times".




Der Polizei gelingt es nicht, die besonders für den Diebstahl von Lkw benötigten kriminellen Netzwerke zu infiltrieren. Sie agieren vor allem seit dem Ende der Apartheid1994 in Südafrika, Länder in Transitionsphasen sind dafür besonders anfällig. Gareth Newham vom Thinktank Institute for Security Studies hält mangelndes Polizeimanagement und nicht funktionsfähige Geheimdienste für verantwortlich. "Die Pläne, die da sein sollten, sind nicht da", sagte er. Die Polizei verfüge zwar über ein beachtliches Budget von umgerechnet über fünf Milliarden Euro, beinahe 200.000 Mitarbeiter und moderne Technik, trotzdem fehle es aber an Ressourcen für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Auch bei kleineren Ermittlungen offenbart die Polizei immer wieder Schwächen, was sich schon an banalen und wiederholten Fehlern bei der Erhebung der Kriminalitätsstatistik zeigt. Radovan Krejčíř scheint sich sein Exil jedenfalls mit Bedacht ausgesucht zu haben.
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