Du beteiligst uns an deinem Geschäft und
wir passen dafür auf dich auf! So funktioniert eines des ältesten und zugleich
lukrativsten „Geschäfte“ der Unterwelt. Doch die vermeintliche Kooperation ist
nichts anderes als Erpressung. Denn hinter der partnerschaftlichen Fassade
stecken brutale Einschüchterungsaktionen und zuletzt der finanzielle Ruin der
Betroffenen.
Die Opfer
werden völlig alleine gelassen, der Rechtsstaat versagt beim Kampf gegen
Schutzgelderpressung. So auch im aktuellen Fall aus der Schulstraße: Die vier
Täter wurden kurz verhört und anschließend wieder freigelassen. Ihr Opfer hat
nun Todesangst. „Ich hoffe, dass diese Typen entweder im Knast landen oder aus
Deutschland abgeschoben werden“, hatte Sadat Z. (Name geändert), der 37-jährige
Betreiber des kleinen Cafés, einen Tag nach dem Überfall zum KURIER gesagt.
Nach
tagelangen Drohungen war eine albanische Bande in der Nacht zu Montag bei Sadat
Z. einmarschiert, hatte im Laden randaliert und mit einer Pistole und einer
Handgranate gedroht. Jetzt, nachdem die vier Verdächtigen wieder auf freiem Fuß
sind, hat Sadat Z. Angst um sein Kind und seine Frau. Er ist sich sicher: „Die
Kerle kommen wieder!“
Der
37-Jährige ist nicht das einzige Opfer. Auch der Betreiber eines benachbarten
Spielcasinos soll von den Tatverdächtigen überfallen worden sein, weil er keine
Schutzgelder abdrücken wollte. Ob der Mann inzwischen zahlt – vermutlich. Denn
zur Polizei ging der eingeschüchterte Mittvierziger erst gar nicht, auch uns
gegenüber wiegelte er den Überfall mit den Worten „Ist doch nichts passiert!“
ab.
Zahlst nicht, machen wir die
Kneipe dicht“
Und so wie der Casino-Betreiber schweigen
fast alle Opfer von Schutzgelderpressern, weil sie kein Vertrauen in die
Ermittlungsbehörden haben. Und zahlen aus Angst um sich und ihre Familien. Die
polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt diese Tatsache. So gab es in Berlin im
Jahr 2014 offiziell nur sieben (!) Fälle von Schutzgelderpressung. Im aktuellen
Fall aus der Schulstraße wird zudem nur wegen räuberischer Erpressung
ermittelt.
„Das
Problem ist einfach, dass die Cops solchen Banden meistens nichts nachweisen
können“, sagt Stefan R., der eine Kneipe in der Hohenstaufenstraße in
Schöneberg hatte. Und von Schutzgeld-Mafiosi in den Ruin getrieben wurde. „Die
haben mir gesagt: Zahlst du, läuft der Laden weiter. Zahlst du nicht, machen
wir die Kneipe dicht“, erinnert sich der kräftige Berliner.
Zunächst
weigerte sich R., engagierte stattdessen zwei kräftige Türsteher. „Und trotzdem
gab es wirklich jede Nacht übelste Schlägereien vor und in meinem Laden,
angezettelt von den Erpressern. Bis schließlich die Gäste wegblieben“, so der
Kneipier weiter. „Mir wurde damals von der Polizei gesagt, dass man nichts
machen könne, solange nichts Schlimmeres passieren würde.“
Doch
damit nicht genug: „Kurz bevor ich den Laden dann geschlossen habe, weil ich
fast pleite war, wurde bei mir eingebrochen. Und alles geklaut oder zerstört,
was ich für eine neue Kneipe verwenden wollte. Wirklich alles. Das waren keine
normalen Einbrecher. Das war die letzte Bestrafung dafür, dass ich nichts
abgedrückt habe“.
Inzwischen
steht Stefan R. zwar wieder hinter einem Tresen – aber nur noch als
Angestellter. „Noch mal eine eigene Kneipe aufmachen? In Berlin? Nie wieder!“
Doch
nicht nur Gastronomen und Casino-Betreiber müssen ständig mit der Angst leben,
quasi über Nacht in die Fänge der Schutzgeld-Mafia zu geraten und somit die
Existenz zu verlieren. Auch im Internet wird mittlerweile gedroht und Geld
erpresst.
André
Schulz, Kriminalist und Vorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK),
kennt die neuen Methoden. „Es wird mit sogenannten DDoS-Angriffen gedroht“, so
Schulz. „Die Täter drohen dem Inhaber eines Onlineshops damit, seine Server
durch einen ganz gezielten Überlastungsangriff zu stören oder ganz lahmzulegen.
Und so zu verhindern, dass seine Kunden bei ihm einkaufen können.“ Hierbei, so
der erfahrene Polizist weiter, „handelt es sich ganz einfach um die neue
Variante der klassischen Schutzgelderpressung.“
Doch egal
ob die Verbrecher nun online oder auf „klassische“ Weise bedrohen und
abkassieren – solange die Opfer alleine gelassen und die Täter wie im aktuellen
Fall nach einem Tag wieder freigelassen werden, wird es Schutzgelderpressung
auch weiterhin geben.
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