Die sizilianische Mafia
ist von den Behörden dezimiert, aber nicht geschlagen worden. Nun besinnt sie
sich offenbar alter Rituale Es ist eine Szene wie aus einem zweitklassigen
Mafiastreifen: Ein rangniedriger Mafioso nähert sich dem neuen Paten und küsst
ihn als Zeichen der Ehrerbietung auf die Stirn. Die Episode ist aber nicht Teil
eines neuen Hollywoodfilms, sondern eines vor wenigen Wochen aufgenommenen
Polizeivideos aus Palermo.
Salvatore Profeta war 1992 an dem Bombenanschlag auf Mafiajäger Paolo Borsellino beteiligt. |
Salvator Profeta - Vor einem Monat wurde er wieder verhaftet. |
Beim geküssten Mafiaboss
handelt es sich um den 53-jährigen Giuseppe Greco, Chef der Cosa Nostra im
Quartier Santa Maria di Gesù in Palermo. Greco ist am Freitag mit fünf weiteren
Mafiosi verhaftet worden. Er soll den Auftrag zur Ermordung eines Angehörigen
eines rivalisierenden Clans gegeben haben, der auf offener Straße erschossen
worden war.
Schüsse und ein
italienischer Klassiker
Die Ermittler waren auch
beim Mord indirekt dabei gewesen: Die Auftraggeber hatten die Exekution von
ihrem Auto aus mitverfolgt – doch darin befand sich ein Mikrofon. Auf dem Band
sind nicht nur die Schüsse zu hören, sondern auch, wie einer der Mafiosi ein
Lied zu singen beginnt – den italienischen Klassiker Volare.
Dank einer
"Wanze" ebenfalls live mit dabei war die Polizei, als diverse
Clanchefs im Hinterzimmer eines Friseursalons die Wahl des neuen Ober-Paten
besprachen. Man beschloss anstelle der früher üblichen geheimen Wahl die
"offene Wahl mit der erhobenen Hand, damit man weiß, wer ein Freund
ist", wie einer der Teilnehmer sagte.
Treffen der Mafia-Oberen
An dem Mafia-Gipfeltreffen
nahm beinahe alles teil, was in der Cosa Nostra Palermos Rang und Namen hat.
Neben Greco waren unter anderem auch der 57-jährige Natale Gambino und der
70-jährige Salvatore Profeta zugegen, die beide 1992 in den Mordanschlag gegen
den legendären Mafiajäger Paolo Borsellino verwickelt gewesen waren und
langjährige Haftstrafen abgesessen hatten.
Profeta ist schon vor
einem Monat wegen anderer Delikte wieder verhaftet worden. Der Gambino-Clan
hatte einst auch Ableger in den USA gegründet und war in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts eine der mächtigsten Mafiafamilien New Yorks gewesen.
"Die Abhörbänder leisten
einen außerordentlichen, historischen Beitrag zur Rekonstruktion der
Organisation der Cosa Nostra", betonte Palermos Staatsanwalt Francesco Lo
Voi, der die Ermittlungen gegen Greco und seine mutmaßlichen Auftragskiller
geführt hatte. Es sei das erste Mal, dass man bei den Wahlvorbereitungen für
den neuen Paten in Palermo habe mitlauschen können. -
Zurück zu den alten
Ritualen
Das Treffen belege
einerseits, dass die Schreckensherrschaft der "Corleonesi"-Bande von
Salvatore "Toto" Riina und Bernardo "Binnu der Traktor"
Provenzano endgültig vorbei sei; andererseits sei die Zusammenkunft aber auch
ein Beleg dafür, dass die Cosa Nostra keineswegs geschlagen und dabei sei, sich
neu zu organisieren – und sich dabei auf ihre alten Bräuche und Rituale
besinne.
Tatsächlich sind
Gewaltdelikte wie der Auftragsmord selten geworden in Sizilien, wo sich die
"ehrenwerte Gesellschaft" vor allem in vermeintlich unverdächtige
Branchen wie dem Baugewerbe und dem öffentlichen Gesundheitswesen eingenistet
hat. Doch die Ermittler sind gewarnt. "Bei allem gegenseitigen Vertrauen:
Wir sprechen hier von Cosa Nostra – und wenn wir von Cosa Nostra sprechen,
scherzen wir nicht", betonte der Pate Gambino beim abgehörten Mafiatreffen.
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