Donnerstag, 24. März 2016

Mafia-Prozess – die schlimmsten Befürchtungen übertroffen

In Bologna beginnt ein Prozess gegen die 'Ndrangheta, den der Antimafia-Staatsanwalt als "historisch" einstuft. Angeklagt sind 130 Personen.

Die Emilia-Romagna mit ihrer Hauptstadt Bologna genießt einen exzellenten Ruf in Italien. Sie gehört zu den reichsten Regionen des Landes, beheimatet Firmen wie Ferrari, Lamborghini oder Maserati und exportiert Parma-Schinken und Barilla-Nudeln in die ganze Welt. Ihre Unternehmer, Politiker und Verwaltungsbeamte gelten als fähig und verantwortungsbewusst, ihre Bürger als umgänglich und weltoffen. So war das zumindest mal.




Die schlimmsten Befürchtungen übertroffen 

Die Nationale Antimafia-Staatsanwaltschaft (DNA) in Rom schreibt in ihrem Jahresbericht, die Region sei zur "Terra di mafia" verkommen. Zum Mafia-Land. Um die These zu untermauern, verweist die DNA auf eine Großermittlung namens "Operation Aemilia": Deren Ergebnisse hätten die schlimmsten Befürchtungen übertroffen.

Operation Aemilia - Gefasst wurde der blutrünstigste Pate seit 30 Jahren


Die aus der Südregion Kalabrien stammende 'Ndrangheta, die mächtigste Mafia Italiens, habe die Wirtschaft, die Politik und einige Institutionen der Emilia-Romagna durchsetzt. Auch Journalisten und Polizeibeamte hätten sich an die 'Ndrangheta verkauft. Und von diesem Mittwoch an wollen die Staatsanwälte dieses für viele Bürger schockierende Szenario beweisen.

In einem eigens für den Aemilia-Prozess erbauten Hochsicherheits-Gerichtssaal in der Stadt Reggio Emilia müssen sich 130 Angeklagte - darunter auch der frühere italienische Nationalspieler und Fußballweltmeister von 2006 Vincenzo Iaquinta - wegen 'Ndrangheta-Verbrechen verantworten. Die Ermittler werfen ihnen Delikte wie die Mitgliedschaft in einer Mafia-Vereinigung, versuchten Mord, Brandstiftung, Erpressung, Geldwäsche, Betrug und Wahlfälschung vor. Angeklagt ist auch Nicolino Grande Aracri, der - bereits wegen anderer Delikte in Isolationshaft sitzende - Anführer eines mächtigen 'Ndrangheta-Clans aus dem kalabrischen Ort Cutro. Aracri gilt als einer der blutrünstigsten Bosse Kalabriens.

Der Boss des gleichnamigen Clans - Nicolino Grande Aracri



Maxi-Prozess mit "historischer Bedeutung"

In dem Prozess werden bis zu tausend Zeugen erwartet. Die Verhandlungen sind bis in den Dezember hinein angesetzt. Zugleich wird in Bologna in einem abgekürzten Verfahren, auf das sich die Angeklagten und die Staatsanwälte geeinigt haben, gegen weitere 71 Verdächtige im Fall Aemilia verhandelt.

Der so genannte Maxi-Prozess in Reggio Emilia habe "historische Bedeutung", sagt der oberste italienische Antimafia-Staatsanwalt Franco Roberti. Zum einen, weil er zeige, dass der Staat die Organisierte Kriminalität besiegen könne, wenn er wolle. Zum anderen, weil er den Norditalienern die Augen öffne, dass die süditalienischen Mafien - die 'Ndrangheta, die Camorra und die Cosa Nostra - längst bei ihnen angekommen sind. "Der Prozess beweist, dass es keine per se gesunden Teile der Gesellschaft gibt. Wir müssen stets prüfen, wer gegen und wer für die Mafien ist. Manchmal gibt es da Überraschungen."
Eine solche Überraschung erlebte Italien am 28. Januar vergangenen Jahres, als die "Operation Aemilia" zuschlug. Hunderte Carabinieri, unterstützt von Hubschrauberstaffeln, durchsuchten im ganzen Land Immobilien mutmaßlicher Mafiosi. Allein in der Emilia-Romagna wurden 110 Menschen festgenommen, darunter Politiker, Beamte und Journalisten.



Der Schlag galt dem Clan der Grande Aracri, der in Cutro seinen Hauptsitz hat, aber auch an vielen Orten außerhalb Kalabriens aktiv sein soll, so auch in Deutschland. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass der 'Ndrangheta-Clan in der Emilia-Romagna einen mächtigen Ableger aufgebaut hat und dort in etlichen Gemeinden präsent ist, zum Beispiel in Reggio Emilia, Parma oder Brescello, dem Schauplatz der Filme über Don Camillo und Peppone.
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Mafioso in Augsburg festgenommen

Es war Ende Januar 2015, als in einer Pizzeria im Augsburger Stadtteil Hochzoll die Handschellen klickten. Polizeibeamte nahmen den Chef fest, der unbewaffnet war und sich wohl auch nicht widersetzte. Der Mann war mit einem internationalen Haftbefehl gesucht worden. So berichteten es unmittelbar nach der Verhaftung italienische Medien. Das alles passierte, ohne dass in Augsburg groß von dieser Festnahme Notiz genommen wurde.



Jetzt sieht es anders aus: Der festgenommene Mann wird mit der Mafia in seinem Heimatland Italien in enge Verbindung gebracht. Über ein Jahr nach der Festnahme des Italieners beginnt jetzt im norditalienischen Reggio Emilia einer der größten Mafia-Prozesse Italiens. 

Es gibt 147 Angeklagte, zu denen auch der Gastronom gehört. Im Prozess geht es um mögliche Verbrechen der kalabrischen Mafiaorganisation ’Ndrangheta, die sich in Norditalien abgespielt haben. Hintergrund sind Immobiliengeschäfte, die in Verbindung mit zwei Erdbeben stehen. Vereinfacht gesprochen: Die Mafiosi sicherten sich über Strohmänner finanziell erquickliche Aufträge beim Wiederaufbau von Häusern. Laut italienischen Medien war der Mann, der in Augsburg verhaftet wurde, bei diesen Bauprojekten involviert.


Landeskriminalamt nahm ihn fest

Wie tief sind dann aber die Spuren der Mafia, die nach Augsburg führen? Welche Rolle spielte dabei womöglich der Gastronom? Wie intensiv war sein Kontakt zur alten Heimat Polizei und Staatsanwaltschaft haben offenbar keine Anhaltspunkte, die gezielt auf dunkle Geschäfte vor Ort in Augsburg hinweisen. Wie zu vernehmen ist, handelt es sich bei der damaligen Festnahme um ein Amtshilfeverfahren. Die italienischen Behörden hatten um Unterstützung gebeten. Zuständig ist das Bayerische Landeskriminalamt. LKA-Beamte nahmen den Verdächtigen fest. Der Gastronom wurde nach Italien ausgeliefert.

Wie zu vernehmen ist, hat sich der Fall aus heutiger Warte für die hiesigen Dienststellen erledigt. Zu den aktuellen Spekulationen von italienischen Medien, wonach der verdächtige Grande-Aracri-Clan über eine eigene Zelle in Augsburg verfüge, sagt Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, auf Anfrage: „Es wird immer viel behauptet.“ Letztlich entscheidend seien belegbare Fakten. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen unabhängig davon keinen Einblick in ihre Arbeit geben, in wie weit mögliche mafiöse Strukturen vor Ort in Augsburg vorliegen.


Wie laufen die Geschäfte?

Wie mögliche schwarze Geschäfte ablaufen, ist kein Geheimnis. Die Buchautorin Petra Reski, die in Venedig lebt und sich in Büchern mit der italienischen Mafia befasst, hatte dies gegenüber unserer Zeitung einmal so beschrieben: „Wenn etwa ein 18-jähriger Italiener in Deutschland 100000 Euro in eine Pizzeria investiert, müssen sich die deutschen Behörden mit der Auskunft begnügen, das Geld habe er von einem Onkel in Italien bekommen.“ Die Beweislast, dass es sich um sauberes Geld handelt, liege in Deutschland bei den Behörden – in Italien beim Investor. 

Deshalb investiere die Mafia schmutzige Millionen seit Jahrzehnten besonders gerne in deutsche Immobilien, Firmen und Energieanlagen, um am Ende saubere, legale Gewinne einzustreichen. „Die Mafiosi laufen nicht mit der Maschinenpistole durch die Gegend, es ist die vornehmste Eigenschaft der Mafia, gerade nicht aufzufallen.“

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Mittwoch, 23. März 2016

Ein Fußballweltmeister als Top-Mafioso?

In Italien beginnen gleich zwei Mafia-Prozesse an einem Tag: In Rom steht der ehemalige Bürgermeister Gianni Alemanno vor Gericht, in Norditalien zählt der Fußballweltmeister Vincenzo Iaquinta zu den Angeklagten.



Rom/Reggio Emilia - Italien ist von einer Art Krankheit befallen. Sie streut überall: Bei der Vergabe der öffentlichen Aufträge für die Weltausstellung 2015, bei der Flutsicherung Venedigs, in der Hauptstadt Rom. Die Krankheit heißt „Mafia“ und wie ein Geschwür hat sie gleichermaßen Kleinunternehmer, Beamte, Journalisten und hochrangige Politiker befallen, von der Linken und der Rechten, im Norden und im Süden.

Am heutigen Mittwoch beginnen gleich zwei bedeutende Verfahren. Aber sie sind kaum mehr als kurze Erfolge der italienischen Justiz gegen das um sich greifende Problem, das Wirtschaft und Demokratie lähmt. Dem früheren Bürgermeister Roms, Gianni Alemanno, wird in der Hauptstadt der Prozess gemacht. Im Norden müssen sich mehr als 140 Angeklagte, darunter der Fußballweltmeister Vincenzo Iaquinta, in einem Hochsicherheitssaal des Gerichts von Reggio Emilia verantworten. Ihnen werden Verbindungen zur eigentlich aus dem süditalienischen Kalabrien stammenden ‘Ndrangheta vorgeworfen.

Italien gilt als eines der korruptesten Länder Westeuropas. Im internationalen Vergleich führt die Nichtregierungsorganisation „Transparancy International“ das Land auf Platz 61 von 161 auf - zwischen Oman und Lesotho. „Die Korruption ist der Krebs, der Rom zerfrisst“, sagt Mafia-Verfolger Alfonso Sabella.

In der Hauptstadt geht es um den neofaschistischen Ex-Bürgermeister Gianni Alemanno. Während seiner Amtszeit von 2008 bis 2013 soll das kriminelle Geschäft in Rom, die „Mafia Capitale“, ihren Aufstieg erlebt, gar prosperiert haben. Er muss sich des Vorwurfs der Korruption und illegaler Finanzierung seiner Wahlkampagne stellen.

„Bei diesem Prozess geht es um tiefgreifende Korruption“, analysiert der Mafia-Experte Federico Varese. Um sie zu bekämpfen müsse eine Reform der Verwaltung her. Ein Whistleblower-System, Rotation der Positionen und Transparenz, schlägt Varese vor.

Alemanno soll zwischen 2012 und 2014 etwa 125 000 Euro durch seine Stiftung Nuova Italia erhalten haben. Bestechungsgelder, sagen die Staatsanwälte. Der 58-Jährige wies die Anschuldigungen in einer italienischen Zeitung zurück: „Ich habe ein sauberes Gewissen und deswegen auch nichts zu verhandeln.

Sein Prozess schließt sich einem im vergangenen November begonnenen Verfahren gegen 46 Angeklagte an - darunter Politiker, Unternehmer und Funktionäre - die mit der Mafia unter einer Decke gesteckt haben sollen. Unter anderem sollen die Beschuldigten profitable Aufträge aus öffentlichen Ausschreibungen erhalten haben. Besonders aktiv sei die „Malavita“ in der Abfallentsorgung, der Stadtreinigung und der Betreibung von Flüchtlingseinrichtungen gewesen, heißt es.



Längst ist die kalabrische „Ndrangheta auch in den nördlichen Regionen vertreten. Das zeigt der zweite Prozess an diesem Mittwoch, ein wahres Maxiverfahren in Reggio Emilia in der Nähe von Bologna. Unter den Angeklagten sind hier Journalisten, Politiker und Unternehmer sowie auch Vincenzo Iaquinta, prominenter Fußballweltmeister von 2006. Ihm wird vorgeworfen, gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Sein Vater Giuseppe soll sogar Mitglied der Verbrecherorganisation sein. „Ich weiß noch nicht mal, was das ist, diese „Ndrangheta“, sagte der Stürmer Anfang März in den Medien.

Besonders nach den zwei katastrophalen Erdbeben 2012 soll die “Ndrangheta, die ansonsten vor allem mit Drogen- und Waffenhandel Milliardenprofite macht, am Wiederaufbau in Norditalien verdient haben. Das Baugewerbe sei sehr anfällig für die Infiltration durch die Mafia, erklärt Varese. „Gerade kleinere Unternehmer profitieren, wenn die Verbrecher sich einmischen und die Wettbewerber vom Markt halten“, sagt er. Nur eine stärkere Kontrolle durch lokale Regierungen könne dies verhindern.

Zwar werden nun die Schuldigen vermutlich bestraft werden, doch vor Gericht werden nur die Symptome der Krankheit behandelt. „Die Strafverfolger sind sehr mutig. Aber es ändert sich nichts“, sagt Varese. „Reformen und Regulierungen sind der einzige Weg, um die Mafia langfristig zu bekämpfen.“

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Dienstag, 22. März 2016

350.000 Menschen demonstrieren in Sizilien gegen die Mafia

Gedenken an Opfer des organisierten Verbrechens – Organisator: "Italien braucht eine Revolution des Gewissens. Messina – Circa 350.000 Menschen aus ganz Italien haben sich am Montag in der sizilianischen Küstenstadt Messina an einer Großdemonstration im Gedenken an die Opfer des organisierten Verbrechens beteiligt.



Organisiert wurde die Versammlung von Pfarrer Luigi Ciotti, der mit seiner Bewegung "Libera" bereits seit Jahren gegen die organisierte Kriminalität kämpft. "Italien braucht eine Revolution des Gewissens. Wir brauchen den täglichen Einsatz verantwortungsbewusster Bürger, die sich für eine positive Wende im Süden einsetzen", betonte Ciotti. "Italien ist ein Land mit starker mafiöser Präsenz, aber auch ein Land, in dem die Mafia mit großen Resultaten bekämpft wird", kommentierte die Präsidentin der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission Rosi Bindi. Tag der Erinnerung.


Anwesend waren bei der Demonstration in Messina auch Angehörige von 900 Mafia-Opfern aus ganz Italien und Europa, berichteten italienische Medien. Die Anti-Mafia-Organisation "Libera" hatte 1995 den "Giorno della Memoria" (Tag der Erinnerung) ins Leben gerufen. Dabei wird seitdem jedes Jahr im März vor allem der Opfer der Mafia gedacht. 2.500 Menschen sind in Italien in den vergangenen zehn Jahren der Mafia zum Opfer gefallen. 70 Prozent der Mafia-Morde sind ungeklärt geblieben, in den meisten Fällen kennt man nicht einmal den Beweggrund für das Verbrechen. "Wir stehen vor einem nationalen Notstand. Die Mafia ist nicht nur ein süditalienisches Problem", betonte Ciotti. - 

Mafia-Skandal in Rom: Ex-Bürgermeister Alemanno vor Gericht

Im Mafia-Skandal um Korruption und organisiertes Verbrechen in Italiens Hauptstadt Rom beginnt der nächste Prozess. Ab Mittwoch (23. März) muss sich der frühere Bürgermeister Gianni Alemanno vor Gericht verantworten. 



Dem ehemaligen Parteifreund des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi werden Korruption und illegale Finanzierungen vorgeworfen. Das Verfahren ist nur eins von mehreren im Skandal um die Mafia Capitale, seit vergangenem November müssen sich in einem Maxi-Prozess 46 Angeklagte verantworten.

Der 58 Jahre alte Alemanno hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. «Ich habe ein reines Gewissen», erklärte er im vergangenen Jahr, als die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte. Er sei zuversichtlich, dass seine Unschuld im Prozess bewiesen werde. Der frühere Neofaschist Alemanno war 2008 als Kandidat von Berlusconis Partei PdL zum Bürgermeister gewählt worden und regierte bis 2013.

Der Politiker soll im Zusammenhang mit dem Mafia-Skandal in Rom unter anderem 125 000 Euro Bestechungsgeld angenommen haben. Die Mafia Capitale hatte vor knapp eineinhalb Jahren Italien erschüttert, als Ermittler die tiefen Verstrickungen zwischen Politikern, Unternehmern und dem organisierten Verbrechen in der Hauptstadt aufdeckten.
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Sonntag, 13. März 2016

Zu 25 Jahre verurteilt - Drogenboss im Knast

New York - Ericsson Vargas Cardona, ehemaliger Chef des kolumbianischen Drogenkartells "La Oficina de Envigado", muss 25 Jahre ins Gefängnis.

Er bekannte sich vor Gericht in New York des Kokain- und Waffenhandels schuldig.
Seine Verteidiger plädierten auf 20 Jahre Knast, weil Cardona so eine schlechte Kindheit gehabt haben soll.

Drogenboss Ericsson Vargas Cardona bei seiner Festnahme.



Freitag, 11. März 2016

Mafia-Boss von Brasilien an Italien ausgeliefert

Pasquale Scotti zählte zu den zehn meistgesuchten Kriminellen Italiens – Festnahme in Brasilien im Mai 2015 Rom – Der 31 Jahre lang gesuchte Camorra-Boss Pasquale Scotti, der im Mai 2015 in Recife festgenommen wurde, ist von Brasilien an Italien ausgeliefert worden.



Der 57-Jährige landete am Donnerstag auf dem römischen Flughafen Fiumicino und wurde in die römische Strafanstalt Rebibbia eingeliefert, berichteten italienische Medien. Scotti zählt zu den zehn meistgesuchten Kriminellen in Italien und ist in seiner Heimat wegen Mordes und anderen Delikten mehrmals zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Er muss eine 30-jährige Haftstrafe absitzen. Die Ermittlungen, die zu seiner Festnahme führten, wurden von der italienischen und der brasilianischen Polizei geführt. Italiens Innenminister Angelino Alfano sprach von einem großartigen Erfolg der Sicherheitskräfte, der der grenzüberschreitenden Polizeikooperation zu verdanken sei.


Scotti galt als langjährige "rechte Hand" des prominenten Camorra-Bosses Raffaele Cutolo, der in den 1980er-Jahren die kriminellen Geschäfte im Raum Neapel geführt hatte. 

Donnerstag, 10. März 2016

Camorra - Pate heute an Italien ausgeliefert

30 Jahre Haftstrafe
Mafia-Boss nach jahrzehntelanger Flucht gefasst und heute an Italien ausgeliefert

Den langen Arm des Gesetzes bekommt Pasquale Scotti zu spüren: Mehr als 30 Jahre war der einstige Camorra-Boss auf der Flucht und lebte zuletzt mit seiner Familie in Brasilien unter falschem Namen. Nun ist der mittlerweile 57-jährige Mafioso wieder in Italien gelandet – in Handschellen.


Pasquale Scotti bei seiner Verhaftung im Mai 2015.

Rom. Ein seit über 30 Jahren gesuchter und im vergangenen Jahr in Brasilien festgenommener Boss der neapolitanischen Camorra ist am Donnerstag nach Italien ausgeliefert worden. Der 57-jährige Pasquale Scotti, der lange auf der Liste der gefährlichsten Kriminellen Italiens stand, sei am Morgen in Rom gelandet, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Er muss eine 30-jährige Haftstrafe absitzen.

Nach jahrzehntelangen Ermittlungen der italienischen und brasilianischen Sicherheitskräfte war der Mafioso, der wegen Mordes und anderen Delikten wie Erpressung und Geldwäsche gesucht wurde, im Mai 2015 in Recife gefasst worden. Er hatte dort unter falschem Namen mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Kindern gelebt.

Scotti war ein enger Mitarbeiter des berüchtigten Paten Raffaele Cutolo, der in den 70er Jahren die "Neue organisierte Camorra" gegründet hatte, die im Raum Neapel für zahlreiche Verbrechen verantwortlich war. Die italienische Polizei fahndete seit 1985 nach Scotti, seit 1990 wurde er auch international gesucht.

Dienstag, 8. März 2016

Besuch im Mafia-Dorf Fabrizia

Das ländliche Idyll trügt. Im kalabrischen Dörfchen Fabrizia verstecken sich ganz üble Burschen. Mit Kontakt in die Schweiz.





Der Weg führt durch Kastanienwälder. Weg von der Küste in die einsame Natur der Serra. Die Straße hat tiefe Narben. Wir fahren im Zickzack um die Schlaglöcher. Unser Ziel: das Mafia-Nest im kalabrischen Fabrizia (I). Im 2314-Seelen-Ort des gebirgigen Hinterlandes wurde die Frauenfelder Zelle der ’Ndrangheta organisiert, von hier aus wurden die Fäden zur Spitze der kalabrischen Mafia gesponnen. Man schätzt, dass etwa 80 Prozent der Einwohner zur Mafia-Familie gehören. Auch die zwei am 22. August in Italien verhafteten Thurgauer, Chauffeur Antonio N.* (65) und Taxifahrer Raffaele A.* (74), stammen von hier.

Fabrizia scheint ein Ort wie jeder andere. Kirche, Schule, Bäcker, Metzger, Kriegerdenkmal. Ein Café, in dem die Männer hocken, die Hauptstraße im Blick. Die gefährliche Seite des Dorfes erkennen wir am Ortsschild: «Willkommen in Fabrizia», steht auf Deutsch darauf. Daneben Einschusslöcher und blutrote Farbtropfen. Vermutlich Überbleibsel der Mafia-Fehde von 2003 bis 2005 im Ort. Bilanz damals: zwei tote Bosse. Ein Cousin von Antonio N. entkam nur knapp einem Attentat.



Wir geben uns als Touristen aus. Nicht auffallen, keine Interviews machen, hat uns der Polizeichef geraten. Die ’Ndrangheta sei sehr aggressiv. Vor einer Woche sei in Kalabrien ein deutsches TV-Team bedroht, zuvor ein italienischer Kollege mit Fußtritten aus der Kirche befördert worden.

Wir halten uns an den Rat. Antworten gäbe es eh keine. Hier herrscht Omertà, die Schweigepflicht der Mafia. Als wir bei einer Häuserzeile anhalten, kommt ein Mann auf uns zu. «Nicht fotografieren! Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Ein weißer Fiat Panda folgt uns. Er hält, als wir anhalten. «Sie kontrollieren jeden, der nicht aus dem Dorf stammt», sagt der Journalist Francesco Ranieri (37), der schon bedroht wurde.

In Fabrizia haben immer mächtige Männer geherrscht. Erst Prinz Fabrizio im 16. Jahrhundert, welcher dem Ort den Namen gab. Der letzte war Mafia-Boss Giuseppe Antonio Primerano (69). Er wurde 2013 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Der Schweizer Antonio N. rapportierte direkt an ihn.



Die kalabrische Mafia wird hierarchisch geführt. Der Spitze, dem Crimine, unterstehen drei Organisationen, die Mandamenti: Reggio Calabria, Tirrenica, Ionica. Das Mafia-Nest Fabrizia zählt zur Tirrenica. Sie ist für den Kokainhandel zuständig, auch international. Sollte Frauenfeld zum Drogenumschlagplatz werden? Im von der Bundesanwaltschaft in Wängi TG aufgenommenen Video spricht Antonio N. zu den Mitgliedern: «Arbeit ist da. Erpressung, Kokain, Heroin. Zehn Kilo, 20 Kilo. Bring ich euch. Persönlich.»

Fabrizia – verborgen in kalabrischen Kastanienwäldern. Fremd und fern. Und doch erschreckend nah zur Schweiz.


Sonntag, 6. März 2016

Journalisten und Autoren im Visier der Mafia

Briefe mit Patronenhülsen, anonyme Drohanrufe oder Einschaltung der Justiz – dies sind nur einige der Methoden, mit denen die Mafia italienische Journalisten von der Aufklärungsarbeit abhalten will.





2000 italienische Journalisten und Autoren sind seit 2006 ins Visier der Mafia geraten und wegen ihrer Berichterstattung bedroht worden, geht aus einem Bericht der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission hervor.

Zum ersten Mal wurde das Phänomen der vom organisierten Verbrechen und der mit der Mafia verstrickten Politikern und Unternehmern bedrohten Reporter so gründlich beleuchtet.

Bedroht seien nicht nur Journalisten in den von der Mafia organisierten Regionen des Südens. Auch im reichen Norden, in dem das organisierte Verbrechen in das Wirtschaftssystem tief eingedrungen ist, seien Reporter oft im Visier der Mafia.

Nicht nur Todesdrohungen seien tausende Journalisten in Italien ausgesetzt. Viele seien von mit der Mafia verstrickten Politikern mit willkürlichen Klagen vor Gericht gezerrt worden, geht aus dem Bericht hervor. Zu den eklatantesten Fällen zählt jener von Michele Albanese, Mitarbeiter der kalabresischen Tageszeitung „Quotidiano della Calabria“.

Seit zwei Jahren lebt er unter Polizeischutz, nachdem er ausführliche Berichte über die Verstrickungen zwischen der  ́Ndrangheta, der Mafia in Kalabrien, und der Politik veröffentlicht hatte.