Sie lebten ganz unauffällig in Baden-Württemberg, betrieben
Restaurants und Geschäfte – jene 15 mutmaßlichen Mafia-Mitglieder, die bei
einer Razzia im Juni festgenommen wurden.
Die Polizei geht im Augenblick davon aus, dass
festgenommenen Tatverdächtigen, zumeist Italiener im Alter zwischen 25 und 77
Jahren, mehr als 200 Kilogramm Cannabis und Kokain verdealt haben. Das teilten
Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag bei einer Pressekonferenz in
Rottweil mit. Die Drogen seien aus Holland beschafft worden, aus Italien bzw.
Albanien und zum Teil auch über einen Zwischenhändler im Raum Stuttgart.
Die Beschuldigten waren
"bestens integriert"
Die führenden Köpfe seien ein 48 Jahre alter Gastwirt aus
Donaueschingen und ein 52-jähriger aus Rottweil gewesen. "Wir haben es
zunehmend mit einer bürgerlichen Mafia zu tun, und das hat sich genau hier auch
bestätigt. Alle Beschuldigten waren in allen Gesellschaftsschichten bestens
integriert", sagt Wolfgang Rahm vom Landeskriminalamt. Sie betrieben
Pizzerien, ein Textilgeschäft, in dessen Paketen allerdings nicht nur Kleidung
verschickt wurde, und in einem Fall einen Goldankauf.
Gewerbebetriebe, die vor allem dazu dienten, ein
geregeltes, legales Leben vorzutäuschen, sagt Thomas Hechinger von der Kripo in
Rottweil: "Natürlich lässt sich nicht verhindern, dass über solche Objekte
dann auch mal irgendwelche strafrechtlich relevante Dinge geschehen, aber man
darf sich das jetzt nicht so vorstellen, dass in diesen Objekten jetzt ein
Rauschgifthandel stattgefunden hat."
Mutmaßliche Täter aus
dem Umfeld der "Cosa Nostra"
Die Beschuldigten seien familiär verbandelt, hieß es heute.
Es wurden aber auch Leute aus Italien geschickt, die dort Schulden hatten, die
sie hier dann als Dealer auf den unteren Rängen der Hierarchie abarbeiten
sollten. Alle hätten sich im Umfeld der "Cosa Nostra" bewegt.
Wolfgang Rahm vom LKA spricht von etwa 180 Angehörigen der italienischen Mafia
in Baden-Württemberg, die polizeibekannt seien.
Mehr als 300 Einsatzkräfte, darunter auch vier Beamte der
italienischen Guardia di Finanza aus Palermo, hatten im Morgengrauen des 21.
Juni zeitgleich in Deutschland und Italien Türen aufgebrochen und 30 Objekte
durchsucht, unter anderem in den Kreisen Rottweil, Schwarzwald-Baar, Konstanz,
Esslingen und Stuttgart. Die Beschuldigten, von denen man wusste, dass einige
bewaffnet sind, hätten sich widerstandslos festnehmen lassen. Um 8.00 Uhr
morgens waren alle Haftbefehle vollstreckt.
Deutsch-Italienische
Ermittlungen
Vorausgegangen waren seit Frühjahr 2016 intensive
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz, unter anderem mit 200
richterlichen Beschlüsse für Telefonabhörmaßnahmen, ab Oktober das Ganze dann
im direkten Informationsaustausch mit der Guardia di Finanza in Palermo. Beide
Seiten lobten heute die Zusammenarbeit, wenngleich Giuseppe Campobasso aus
Palermo die unterschiedlichen Rechtssysteme in beiden Ländern ansprach:
"In Italien stehen uns Überwachungsinstrumente relativ
schnell zur Verfügung im Vergleich zu hier. Wir haben in Italien auch die
Möglichkeit der vermögensbezogenen Präventionsmaßnahmen, ein sehr gutes und
schnell anwendbares Rechtsinstrumentarium. Hingegen hier in Deutschland wird
das Strafverfahren schneller geführt im Vergleich zu den Strafverfahren in
Italien."
Millionen-Vermögenswerte
sichergestellt
Bei der Razzia wurden zehn Kilogramm Cannabis und Kokain
sichergestellt, Pistolen und Munition, sieben hochwertige Autos und 60.000 Euro
Bargeld. Außerdem wurden in beiden Ländern Villen und Grundstücke im Wert von
etwa sechs Millionen Euro beschlagnahmt. Für die Ermittler ist dieser Einzug
von Vermögenswerten ganz wichtig - man will so der Mafia das
Investitionskapital entziehen. Ermittelt wird aktuell gegen 24 Beschuldigte
wegen Drogen- und Waffenhandels, Brandstiftung, und, in einem Fall - den
Schüssen auf eine Gastwirtschaft in Hüfingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) -,
versuchter Mord. Mit der Anklage sei frühestens Anfang 2018 zu rechnen, so die
Staatsanwaltschaft Konstanz.