Nach dem Tod eines alten Bosses scheint sich ein letztes
Geheimnis der Mafia endlich zu lüften. Anfang Oktober des letzten Jahres ließ
eine mysteriöse Quelle den Carabinieri von Monreale die Information zukommen,
dass sich in den Bergen zwischen Palermo und Trapani eine 40 Meter tiefe Höhle
befindet, in die sterblichen Überreste von mindestens 50 Opfern der Mafia
liegen sollen. Die unbekannte Stimme gab den Beamten genaue Anweisungen, wie
sie zum Eingang der Höhle gelangen können.
Um zur Höhle, in der damals die Mordopfer hineingeworfen
wurden, zu erreichen, mussten die Carabinieri zuerst in ein tiefes Tal
hinabgestiegen, um daraufhin auf schmalen Steigen eine unwegsame Bergflanke zu
erklimmen. An diesem Ort, an dem man freie Aussicht auf die schönsten
Ecken Siziliens genießt, könnte Licht in die letzten Geheimnisse des inneren
Kreises der Cosa Nostra – jenem der Paten von Corleone Riina und Provenzano –
gebracht werden. Auf dem Grund der Höhle fanden Carabinieri, Bergrettung und
die Feuerwehr die menschlichen Überreste von 43 Personen, darunter
zwei Jugendlichen.
Die Ermittler glauben, einen sogenannten „Mafiafriedhof“
gefunden zu haben. Laut ersten Erkenntnissen sollen die Knochenfunde aus dem
Zeitraum von den Sechziger- bis zu den Achtzigerjahren stammen. Da es schwierig
ist, die Leichen bis zu dieser Höhe zu schleppen, sind die Beamten der Meinung,
dass die meisten Opfer an Ort und Stelle ermordet wurden.
Wühlt man in der Vergangenheit der Gegend um Roccamena und
Corleone, fällt schnell auf, dass in den Siebzigerjahren, als die Mafiaclans
großes Interesse daran hatten, beim Bau eines Staudammes „mitzuverdienen“,
mehrere Männer, die entweder der Mafia im Weg standen oder zu rivalisierenden
Cosa Nostra Clans gehörten, spurlos verschwanden. Am Ende konnten sich die
Corleonesi, die später als capo dei capi bis zur Spitze der Cosa Nostra
aufsteigen sollten, im Machtkampf durchsetzen.
In Roccamena „regierte“ bis zu seinem Tod im Juli 2016 der
Clan um den Boss Bartolomeo Cascio, der zu den besonders treuen Weggefährten
der Corleonesi um Totò Riina und Bernardo Provenzano gehörte. In dieser Zeit
verschwanden mehr als 90 Personen spurlos. Erst Monate nach seinem Tod fand ein
Mitwisser den Mut, die Ermittler zum „Friedhof der Mafia“ zu führen.
Seit dem Bekanntwerden der Höhle suchten
bisher 20 Personen, die frühere Familienangehörige vermissen, die Carabinieri
auf, um sich einem DNA-Abgleich zu unterziehen. Selbst mehrere Söhne von
Mitgliedern der Cosa Nostra wandten sich, in der Hoffnung von Angehörigen Notiz
zu erhalten, an die Carabinieribeamten. Die Staatsanwaltschaft arbeitet am Fall
mit Hochdruck und ist zuversichtlich, allen Toten der Höhle, und besonders den
zwei Buben, einen Namen geben zu können.
Es kommt Licht in eines der dunkelsten
Kapitel der Geschichte der Cosa Nostra. Die Familien bekommen ihre ermordeten
Angehörigen wieder, können ihnen ein christliches Grab geben und endlich mit
der bitteren Vergangenheit abschließen.
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