Mittwoch, 7. August 2013

Stachel im Camorra-Land

Der Radiosender "Radio Siani" ist nach dem von der Mafia ermordeten Journalisten Giancarlo Sani benannt und eine klare Kampfansage an die Camorra. 24 Journalisten aus Ercolano bei Neapel wollen gegen ihre Machenschaften die Stimme erheben.




"Radio Siani": ein junger Moderator stellt "Le Vele di Cristo" vor, eine Gruppe junger Katholiken, die ein großes Anti-Mafia-Fest organisiert und dafür werben will.

Popmusik. Aus dem Ausland aber auch von Gruppen aus der Umgebung. Kinder sprechen über den 150. Geburtstag des vereinten Italien. Vorgestellt wird ein Buch über den Kampf mutiger katholischer Geistlicher gegen die Camorra, wie die organisierte Kriminalität im Großraum Neapel genannt wird.

"Radio Siani", Corso Resina in Ercolano, eine kleine Stadt östlich von Neapel. Auch Ercolano ist eine Camorra-Hochburg. "Radio Siani" ist ein Anti-Mafia-Radiosender. Der einzige im Großraum Neapel. 24 mutige junge Leute aus Ercolano betreiben diesen von der Stadt finanzierten Rundfunksender. Darunter Marco Del Bono, 19 Jahre:

"Als Bürger dieser von der Mafia terrorisierten Stadt war mir klar, dass ich es nicht nur beim Reden belassen durfte. Also entschied ich mich, neben der Uni hier alle zwei Tage mitzumachen. Wir haben unserem Sender den Namen von Giancarlo Siani gegeben. Ein junger Journalist, der für seine Recherchen über die Camorra ermordet wurde. Ein Mord, der hier schnell vergessen wurde."

Schnell vergessen wurde, so Marco, weil viele Menschen in Ercolano Angst vor den Bossen haben. Giancarlo Siani, der für die große Tageszeitung "il Mattino" arbeitete, hatte keine Angst. So wurde er mit seinen Reportagen für die Bosse immer unbequemer. Am 23. September 2012 wurde er mit nur 26 Jahren von der Camorra ermordet. Haben die jungen Journalisten und Redakteure von "Radio Siani" nicht auch Angst vor den Reaktionen der Bosse?

Claudia Piterno, 25 Jahre. Sie arbeitet fest in der Redaktion:

"Wenn man sich im Krieg befindet, kann man sich nicht irgendwo zwischen den kämpfenden Linien aufhalten. Man muss eine Seite auswählen. Man muss! Und ich entschied mich für den Kampf gegen die mafiöse Realität in dieser Stadt. Wir machen in gewisser Weise Politik. Anders als unsere Politiker, die in Sachen Mafia keine entschiedene Position beziehen."

Aktuelle Berichterstattung aus Ercolano. Darunter auch Justizreportagen über laufende Ermittlungen und Prozesse gegen die Camorra. Reportagen aus Stadtvierteln, in die sich sogar die Polizei nur schwer bewaffnet hineinwagt. Berichte aus Schulen und Kindergärten, aus Kirchengemeinden und über Bürgerinitiativen. Immer im Zentrum der Berichterstattung steht der Alltag der Menschen in Ercolano, die gezwungen sind, mit der ständigen Präsenz einer kriminellen Organisation zu leben, die von den meisten Geschäftsleuten Schutzgelder kassiert, die kritische Stimmen einschüchtert und mundtot zu machen versucht.

Bis auf einige Einschüchterungen, zerstochene Autoreifen und anonyme Briefe, lassen die Bosse die Mitarbeiter von "Radio Siani" bis jetzt in Ruhe. Wie lange das so bleiben wird ist unklar. Übrigens ist der Radiosender in der ehemaligen Wohnung des verhafteten Bosses Giovanni Birra untergebracht. Sie wurde vom Staat beschlagnahmt und den jungen Journalisten für ihren Rundfunkeinsatz gegen die Camorra zur Verfügung gestellt.


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