Die Liste der Verhafteten liest sich wie
das "Who's who" der Römer Lokalpolitik der vergangenen Jahre: Hinter
Gitter oder in Hausarrest wanderten am Donnerstag ehemalige Fraktionschefs,
leitende Beamte und Unternehmer.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die
Bildung einer kriminellen Vereinigung mafiösen Typs sowie diverse
Korruptionstatbestände und Geldwäsche vor. Die Römer Mafia soll sich vorab bei
der Betreuung von Flüchtlingen unrechtmäßig bereichert und dafür gesorgt haben,
dass die öffentlichen Vergaben für die Betreibung von Flüchtlingsunterkünfte an
die richtigen Personen und Genossenschaften gingen. Mitgemischt hat das Kartell
aber auch im sozialen Wohnbau und bei der Pflege der städtischen Grünflächen.
Der Kopf der Bande, der ehemalige
Rechtsterrorist Massimo Carminati, war schon im Dezember verhaftet worden –
zusammen mit drei Dutzend Komplizen, die sich ebenfalls im Dunstkreis der Römer
Lokalpolitik bewegten. Der heute 56-Jährige war einst führendes Mitglied der
neofaschistischen Nuclei Armati Rivoluzionari (Bewaffnete revolutionäre Zellen,
NAR), die für 30 politische Morde verantwortlich gemacht werden. Später
wechselte er zur "Magliana-Bande", einem berüchtigten Römer
Verbrecherkartell, das enge Kontakte zur Camorra und der Cosa Nostra
unterhielt. Carminati wird von der Halbwelt der Ewigen Stadt ehrfürchtig
"König von Rom" genannt.
Skandal erfasst Regierung
Auf der Gehaltsliste des Rechtsextremisten
Carminati befanden sich Lokalpolitiker jeder Couleur, auch mehrere
stadtbekannte Mitglieder des Partito Democratico (PD) von Regierungschef Matteo
Renzi. Der ehemalige Stabschef des früheren PD-Bürgermeisters Walter Veltroni
hat laut den Ermittlern vom Carminati-Syndikat ein fixes Monatsgehalt von
zunächst 10.000 Euro bezogen, das später auf 20.000 Euro erhöht wurde, nachdem
er 2014 dafür gesorgt hatte, dass ein neues Flüchtlingsheim von der "Mafia
Capitale" betrieben werden konnte. Am Freitag wurde außerdem bekannt, dass
auch gegen den Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Giuseppe Castiglione
von Renzis Koalitionspartner NCD, ermittelt wird: Der Skandal hat die Regierung
erfasst.
Im Visier der Römer Staatsanwälte befindet
sich auch die Führungsriege der katholischen Genossenschaft "La
Cascina" mit Sitz in Rom. Sie betreibt im Auftrag des Staats im ganzen
Land Flüchtlingseinrichtungen, unter anderem das Erstaufnahmezentrum im
sizilianischen Mineo, mit 4.000 Bewohnern das größte Flüchtlingslager Europas.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwälte ist
"La Cascina" von der Römer Mafia unterwandert; der Auftrag zum
Betrieb des Zentrums in Mineo soll durch ein kräftiges Schmiergeld erkauft
worden sein. Der Antikorruptionsbeauftragte der Regierung, Raffaele Cantone,
erwägt nun die Entsendung eines Staatskommissärs nach Sizilien, zumal in Mineo
schon die Bauausschreibung nicht lupenrein erfolgt war.
25.000 neue Asylanträge im Jahr 2015
Dass sich die Römer Mafia auf das
Geschäftsfeld der Flüchtlingsbetreuung konzentriert hat, ist kein Zufall: Wegen
des starken Anstiegs der Zahl der Bootsflüchtlinge fließen Unmengen
öffentlicher Gelder. Allein seit Anfang des Jahres wurden in Italien 25.000
neue Asylansuchen gestellt; insgesamt werden mehr als 80.000 Flüchtlinge
betreut. Die Betreuung der Immigranten ließ sich der Staat im vergangenen Jahr
630 Millionen Euro kosten, in diesem Jahr wird die Summe laut Schätzungen des
Innenministeriums auf 800 Millionen Euro steigen.
Private Betreiber von Flüchtlingszentren
wie "La Cascina" erhalten pro Flüchtling und Tag einen bestimmten
Betrag, rund 35 Euro. Die Drahtzieher geben jedoch nur zwischen 10 und 15 Euro weiter; je weniger sich diese Institutionen die Unterbringung,
Verpflegung und Betreuung kosten lassen, desto höher ihr Gewinn. Ein fataler
Fehlanreiz, der einen maßgeblichen Grund darstellt für die oft unsäglichen
Zustände in den italienischen Flüchtlingsunterkünften. Der Gewinn ist einfach errechnet:
20 Euro je Asylant * 85.000 Flüchtlinge * 365 Tage...!!!
20 Euro je Asylant * 85.000 Flüchtlinge * 365 Tage...!!!
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