Auf dem Expo-Gelände in
Mailand wurde Giftabfall verscharrt. Der Mafia-Experte Nando dalla Chiesa
erklärt, wie so etwas möglich ist.
NZZ: Warum ist es so schwer, die Korruption
in Italien zu bekämpfen?
Nando
dalla Chiesa: Sie sitzt fest in den Köpfen der Menschen. In der italienischen
Mentalität muss sich etwas ändern. Überall wird korrumpiert. In Mailand wurde zum
Beispiel eine private Jugendherberge geschlossen, weil der Besitzer versäumte,
den zuständigen städtischen Beamten zu schmieren. Mit dem Bestechungsgeld für
ein Spital in Pavia hätten 2000 Studenten Stipendien erhalten können.
Mit
neuen Gesetzen will der Regierungschef Renzi Korruption bekämpfen. Wird ihm das
gelingen?
In
einem korrupten Land werden Politiker immer Gründe finden, um Gesetze zu
stoppen, die Unternehmer daran hindern, mit Bestechungsgeld Vergünstigungen zu
erhalten. Solange ich Parlamentsabgeordneter war, wurde kein einziges
Antikorruptionsgesetz verabschiedet. Damals liefen die landesweiten
Ermittlungen «Mani Pulite». Dennoch gab es keine Umkehr. Das ist schon bitter.
Warum
versagten die Kontrollen bei der Expo Mailand? Was wurde versäumt?
Schon
im Vorfeld der Weltausstellung haben meiner Ansicht nach korrupte Politiker der
Region, die inzwischen jedoch abgewählt wurden, die Voraussetzungen dafür
geschaffen. Zu Beginn der Bauarbeiten auf dem Messegelände waren während der
ersten Monate die elektronischen Kontrollen an den Zufahrten ausser Betrieb. So
konnten Lastwagen durchfahren, ohne dass ihre Fracht kontrolliert wurde.
Giftabfälle konnten vergraben werden. Bei nächtlichen Kontrollen wurden
Arbeiter enttarnt, die für die kalabrische Mafia arbeiteten. Sie trugen
Arbeitsanzüge, die den Namen der Firma trugen, die ganz offiziell den
Bauauftrag gewonnen hatte. Solche Tricks klingen lächerlich. Wenn aber der
Wille für effiziente Kontrollen fehlt, werden solche illegale Geschäfte nicht
entdeckt.
Konnten
inzwischen die Lücken bei den Kontrollen geschlossen werden?
Wahrscheinlich
wird man bis zum Ende der Expo im Oktober auf die Mafia stossen. Meiner Ansicht
nach ist der Catering-Service jetzt ein heikler Bereich. Bisher wurden an die
70 Firmen wegen Unterwanderung durch die Mafia abgewiesen. Das ist nicht wenig.
Warum
gibt es keine Bewegung gegen Korruption? Auf Sizilien wurde die Cosa Nostra
durch Proteste doch geschwächt.
Bombenattentate
hinterlassen Spuren, sie rütteln auf. Korruption macht keinen Lärm, man sieht
sie nicht. Das ist einer der Gründe, warum sie so schwer zu bekämpfen ist.
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