Wer die
'Ndrangheta-Mafia nur in Süditalien sucht, irrt: Acht mit italienischen
Haftbefehlen gesuchte Verdächtige wurden jetzt am Bodensee gefasst. Alle sind Mitglieder dieser gefährlichen Verbrecherorganisation.
In diesem Haus in der Fittingstraße in Singen wurde vor fünf Jahren ein Führungsmitglied der Mafia festgenommen. Jetzt gibt es neue Hinweise in dieser Gegend. Foto: Südkurier |
Konstanz Das unauffällige Leben am
sonnenverwöhnten Bodensee ist für sie zu Ende: Polizisten haben bei einer
Razzia im Morgengrauen des 8.ten Juli 2015 acht mutmaßliche Mafia-Mitglieder im Kreis Konstanz
gefasst. Die Italiener, von denen einige seit Jahrzehnten in Baden-Württemberg leben,
sollen in ihr Heimatland ausgeliefert werden.
Ermittler aus Kalabrien
werfen den Männer im Alter zwischen 40 und 69 vor, der kalabrischen 'Ndrangheta
anzugehören. Sie zählt zu den mächtigsten Mafiaorganisationen Europas. Mit
Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Erpressungen, Autoschiebereien und Falschgeldkriminalität
werden Milliarden gescheffelt. Baden-Württemberg gilt schon lange als
Rückzugsraum für Mafia-Mitglieder.
Ob die Tatverdächtigen
sich kennen, sei noch unklar, sagte Ulrich Heffner vom Landeskriminalamt in
Stuttgart. Bei der Aktion von Spezialeinsatzkräften aus sechs Bundesländern
waren die Männer nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Singen,
Rielasingen, Engen und Radolfzell gefasst worden. Einige lebten dort mit ihren
gesamten Familien.
Bei den Durchsuchungen
entdeckten die Polizisten Pistolen und Revolver samt Munition, Gewehre und auch
eine Pumpgun. In Italien nahm die Polizei gleichzeitig zwei weitere mutmaßliche
'Ndrangheta-Mitglieder fest, wie LKA und die Generalstaatsanwaltschaft
Karlsruhe mitteilten.
Ob die im Kreis Konstanz
gefassten Männer in Italien auch wegen schwerer Delikte wie Körperverletzung,
Erpressung oder gar Mord gesucht werden, konnte Heffner nicht sagen. In
Baden-Württemberg hätten sie sich nichts strafrechtlich Relevantes zuschulden
kommen lassen. "Wir hatten sie nicht im Visier." Stattdessen sollen
die Tatverdächtigen eher zurückgezogen und unauffällig gelebt haben. Teure
Sportwagen, prächtige Luxusvillen, Champagner zum Frühstück - dem Klischee von
protzenden Mafiosi entsprächen sie nicht.
Im Südwesten seien 140 Verdächtige mit
möglichen Bezügen zur organisierten Kriminalität Italiens bekannt, sagte
Kriminaloberrat Sigurd Jäger. Im ganzen Bundesgebiet seien es um die 450. Nach
Erkenntnis der Ermittler geht ein beachtlicher Teil keiner Arbeit nach, hat aber
trotzdem genug Geld. "Baden-Württemberg ist sowohl Betätigungsfeld als
auch Rückzugsraum", sagte Jäger, der beim LKA die Inspektion Organisierte
Kriminalität leitet.
Schwerpunkte der
Aktivitäten sind der Großraum Karlsruhe, Stuttgart, der Rems-Murr-Kreis und
Konstanz. Die 'Ndrangheta ist in Deutschland vor allem im Westen und in
Baden-Württemberg aktiv. Der sechsfache Mafia-Mord von Duisburg im August 2007
ging auf das Konto zweier seit langem verfeindeter 'Ndrangheta-Clans. "Die
Mafia ist eine große Gefahr. Denn sie besitzt eine gewaltige finanzielle Macht.
Mit dieser versucht sie, demokratische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Diese Gefahr besteht in Deutschland
auch."
Ein Mafiaboss - von Singen nach Italien geflohen, wurde in seinem Haus in Kalabrien verhaftet |
Die am Bodensee
festgenommenen Italiener sollten noch am Dienstag vor einen Ermittlungsrichter
kommen. In Italien ermitteln Polizisten seit Jahren gegen verschiedene
'Ndrangheta-Clans und deren Mitglieder.
Im Januar hatten
Spezialkräfte im Kreis Esslingen einen damals 25-Jährigen gefasst, der Mitglied
in der apulischen Mafia-Vereinigung Sacra Corona Unita sein soll. 2013 wurden
zwei in Italien gesuchte mutmaßliche Mafia-Mitglieder in Metzingen (Kreis
Reutlingen) und Singen festgenommen. Und schon 2011 schnappte die Polizei fünf
Männer im Kreis Konstanz, die Mitglieder der 'Ndrangheta gewesen sein sollen.
Ein authentischer Mafia-Thriller - erschienen bei Droemer Knaur |
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