Mittwoch, 8. Juli 2015

Mafia-Jäger schlagen am Bodensee zu



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Tatverdächtige hatte keine Chance

Bei der groß angelegten Aktion am Dienstag hatten die Tatverdächtigen keine Chance, sich zu wehren, war aus Ermittlerkreisen zu erfahren. Der Zugriff erfolgte nach SÜDKURIER-Informationen morgens gegen 4 Uhr. Dazu waren Spezialkräfte der Polizei aus gleich sechs Bundesländern zusammengezogen worden. Sie stürmten die Wohnungen der Verdächtigen und überraschten sie im Schlaf.

Mit Rammböcken wurden Türen eingedrückt. „Alles lief kontrolliert, es gab keine Zwischenfälle, auch keine Schießereien“, schildert ein Beteiligter. Die Zielpersonen wurden ohne Gegenwehr festgenommen. Bei ihnen wurden laut Landeskriminalamt allerdings scharfe Schusswaffen sichergestellt. „Es handelt sich um Gewehre, eine Pump-Gun, Pistolen und Revolver, mit zugehöriger Munition“, schildert LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Beschlagnahmt wurden auch Daten und Dokumente.

Die Aktion erfolgte gemeinsam mit italienischen Ermittlungsbehörden aus Reggio Calabria, berichten die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das baden-württembergische Landeskriminalamt. Die Festnahmen stehen wohl in Zusammenhang mit früheren Mafia-Fällen, bei denen ein halbes Dutzend Mitglieder der 'Ndrangheta 2010 und 2011 in Singen, Rielasingen-Worblingen und Radolfzell festgenommen wurden. Auch damals war die Polizeiaktion von Italien aus gestartet worden.

Die jetzt festgenommen Italiener sollen so rasch wie möglich an ihr Heimatland ausgeliefert werden, wo ihnen dann der Prozess gemacht wird, hieß es am Dienstag. Auch in Italien gab es zwei Festnahmen. Die dortige Polizei gab bekannt, dass die mutmaßlichen Mafiosi sowohl in Deutschland als auch Italien operiert haben sollen. Auch in der Schweiz wurden Mafia-Strukturen aufgedeckt, hieß es aus Sicherheitskreisen.


Verdächtige zwischen 40 und 69 Jahre alt

Die Verdächtigen aus dem Kreis Konstanz sind laut LKA zwischen 40 und 69 Jahre alt. Ihnen wird von der italienischen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft in Reggio Calabria vorgeworfen, der kalabresischen 'Ndrangheta-Organisation anzugehören. Seit mehreren Jahren wird gegen verschiedene Clans und deren Mitglieder ermittelt.

In früheren Fällen kam heraus, dass auch deutsche Ermittler jahrelang sehr personalintensiv Verdächtige überwacht hatten. Süddeutschland und auch der Hegau gelten als Rückzugsraum für Mafia-Mitglieder, berichten heimische Ermittler.

Die Italiener lebten Zeugen zufolge „völlig unauffällig und bescheiden“, teilweise in Mietswohnungen, berichtet ein Augenzeuge. Einer von ihnen soll schon seit Jahrzehnten in seinem Wohnort leben und einer geregelten Arbeit nachgegangen sein.

 
Das steckt hinter der 'Ndrangheta

Die Organisation: Die kalabrische 'Ndrangheta gilt als eine der mächtigsten Mafia-Organisationen in Europa. Organisiert ist sie in Clans, die ihre Gebiete regional aufgeteilt haben. Zwischen diesen Clans kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. 'Ndrangheta bedeutet so viel wie „tapferer Mann“. Die kriminelle Organisation ist schon mehrere Jahrhunderte alt.



Die Geschäfte: Geld verdient die 'Ndrangheta vor allem mit Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche und Erpressungen. Milliardenumsätze soll sie Schätzungen von Insidern zufolge weltweit erwirtschaften.

Die Ermittlungen: Vor allem die italienische Polizei macht Druck auf die Mafia, auch hier in Deutschland. Bei den Fällen im Hegau, dem gestrigen und denen aus den Jahren zuvor, ging die Initiative immer von Italien aus. Bei der Polizeiaktion gestern waren ebenfalls Kräfte der italienischen Ermittlungsbehörden aktiv beteiligt, erklärt das Landeskriminalamt in Stuttgart.

Der Rückzugsraum: Für viele italienische Mafiosi ist Baden-Württemberg ein sogenannter Rückzugsraum. Hier werden sie „geparkt“, wenn andernorts der Boden wegen Ermittlungen zu heiß wurde, berichtet ein Ermittler aus dem Bodenseeraum. Ihre Straftaten sollen diese Mafia-Mitglieder zumeist nicht hier in der Region begehen, sondern im benachbarten Ausland.

Die Tarnung: Im Hegau festgenommene Mafia-Verdächtige lebten hier völlig unauffällig. Einer, der 2010 geschnappt wurde, hatte jahrzehntelang in Singen gewohnt und eine Bäckerei betrieben. Auch einer der gestern festgenommenen Männer soll mehr als zwei Jahrzehnte lang in Gailingen unbemerkt einer ganz normalen Arbeit nachgegangen sein, angestellt bei einem Unternehmen, berichten Zeugen einer Festnahme von gestern. (jöb)
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