Dienstag, 18. Juni 2013

Neapel macht die Schätze der Camorra zu Geld

Neapel versteigert einen Teil der Schätze der Camorra, die die Stadt in vier Jahrzehnten Mafia-Jagd beschlagnahmt hat. Damit beweist sie im ewigen Kampf gegen das organisierte Verbrechen Kreativität. 


Die Schätze der Camorra werden versteigert


Eine Rolex aus Weißgold. Ringe, besetzt mit Smaragden. Ein Collier aus Diamanten. In Neapel werden derzeit hochkarätige Schmuckstücke versteigert. Nicht im Auktionshaus allerdings, sondern im Gerichtssaal. Das Landgericht hat beschlossen, seine vollgestopften Asservatenkammern zu leeren – in der sich die gesammelten Schätze von vier Jahrzehnten Jagd auf die Camorra stapeln.

Mehr als eine Million Euro beträgt der Wert der Güter die von diversen Clans der neapolitanischen Mafia konfisziert wurden, und die das Gericht nun loswerden möchte. Die Startpreise hat die Verwaltung auf unter 50 Prozent des Marktwertes veranschlagt, ein Fest für wohlhabende Schnäppchenjäger. Die Rolex etwa wird für 12.000 Euro feilgeboten, das Collier für 11.000.

Die Versteigerung der Schmuckstücke ist erst der Anfang einer Serie von Auktionen. Als nächstes soll der Fuhrpark der Camorra-Clans unter den Hammer kommen: Autos, Motorräder und Lastwagen – man habe mittlerweile ein Platzproblem, heißt es beim Gericht.
 
 
 

So treiben die Behörden Gelder ein

"So treiben wir Gelder ein, welche die organisierte Kriminalität dem Staat abgenommen hat", begründet Carlo Alemi seine Initiative. Der Präsident des Landgerichts weiß auch schon, was er mit dem Gewinn anfangen wird. "Ich hoffe, dass wir einen Teil davon wieder in unsere Behörden investieren können. Wir haben hier teilweise Probleme, den ordnungsgemäßen Arbeitsablauf aufrechtzuerhalten."

Der ewige Kampf gegen das organisierte Verbrechen in Italien mag nicht immer erfolgreich sein, doch umso kreativer sind die Behörden im Umgang mit dem beschlagnahmten Besitz der Bosse.

1996 hat die Regierung ein Gesetz erlassen, nach dem das Eigentum zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilter Mafiosi an die Gemeinden übergeht. Es sieht vor, dass die auf illegale Weise erworbenen Güter an Verbände, Gemeinden und Regionen verteilt werden. Diese investieren das Geld wieder in den öffentlichen Dienst oder fördern gemeinnützige Projekte.

Letzteren kommt besonders die hohe Anzahl konfiszierter Immobilien zu Gute. Die nationale Agentur, welche die Güter verwaltet, zählt landesweit inzwischen rund 13.000 Grundstücke und Unternehmen von Mafiosi zum staatlichen Eigentum. Die meisten werden in soziale Einrichtungen umgewandelt.


Aus Cosa Nostra-Landsitzen werden Bio-Bauernhöfe



Das wohl skurrilste Projekt soll demnächst in Casal di Principe eingeweiht werden. Der Camorra-Boss Walter Schiavone hatte sich in dem süditalienischen Städtchen einen Palast bauen lassen – eine originalgetreue Kopie der Luxusvilla von Gangsterboss Tony Montana aus dem berühmten Mafia-Film "Scarface". In diesem 850 Quadratmeter großen Protz-Palazzo mit Säulenhalle, Pool und Wendeltreppen soll demnächst ein Rehabilitationszentrum für Menschen mit Behinderungen eingeweiht werden.

"Das Konzept der Umnutzung ist nicht nur finanziell, sondern auch kulturell sehr effektiv", erklärt Davide Pati von der Antimafia-Organisation Liberà. "Indem wir uns an einem Ort sozial engagieren, gewinnen wir die Einwohner für uns und entziehen der Mafia so nicht nur ihr Eigentum sondern auch den Rückhalt in der Bevölkerung."

Liberà ist der Dachverband von den rund 1.500 verschiedenen Organisationen, die sich gegen die Mafia engagieren und Umnutzungs-Projekte im ganzen Land betreuen.

In Bari etwa haben sie ein ehemaliges Kino der apulischen Mafia in eine Bühne für ein Theaterprojekt verwandelt. In Corleone nahe Palermo wurden zwei Landsitze der sizilianischen Cosa Nostra in Bio-Bauernhöfe samt Pension umgebaut. Auf zahlreichen Grundstücken sind in den vergangenen Jahren zudem landwirtschaftliche Genossenschaften entstanden, die Arbeitsplätze in der Region schaffen – und die erste Lebensmittel-Marke mit dem Etikett "Mafia-frei". Unter dem Label "Libera Terra" (freies Land), produzieren die Höfe Olivenöl, Zitronen oder Wein, die in Supermärkten im ganzen Land verkauft werden.


Kammer mit Mafia-Besitz wird bald Museum



Die meisten konfiszierten Güter verzeichnet der Staat in den südlichen Regionen Sizilien, Kampanien und Kalabrien. Aber seit ein paar Jahren kommen auch immer mehr Immobilien aus dem Norden dazu. Camorra, 'Ndrangheta (Kalabrien) und Cosa Nostra investieren ihr Geld längst auch in anderen Landesteilen. Das bislang größte Grundstück mit 600 Hektar Land beschlagnahmten die Behörden etwa in der Toskana.

Und auch in schicke Wohnungen in der italienischen Hauptstadt investiert die Camorra. Unweit der Piazza Venezia beschlagnahmten Ermittler vor ein paar Jahren ein Appartement im siebenten Stock eines Palazzos. Die Mafiosi hatten die Wohnung nicht etwa wegen ihrer tollen Aussicht auf das historische Zentrum Roms ausgewählt, sondern weil sie im Fall einer Hausdurchsuchung über die Dächer fliehen konnten. Heute hat dort Liberà ihr Büro und koordiniert aus der ehemaligen Clan-Wohnung ihre Antimafia-Projekte.

Auch Neapel will – nachdem Schmuck und Fuhrpark der Camorra versteigert sind – sich bald um ein Umnutzungs-Projekt kümmern. In Castel Capuano, einer alten neapolitanischen Burg, lagern nämlich noch einmal mehr als 20.000 beschlagnahmte Clan-Güter aus vorrepublikanischen Zeiten: darunter alte Waffen und allerlei Werkzeug für Einbrüche, eine bronzene Büste von Benito Mussolini und zwei Gemälde aus der neapolitanischen Schule des 18. Jahrhunderts.

Das zuständige Gericht will die historische Asservatenkammer künftig in ein Museum umwandeln. Die konfiszierten Schätze, so die Idee, werden dann einfach entstaubt und als Exponate arrangiert – etwa für eine Dauerausstellung über die Geschichte der neapolitanischen Justiz.


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