Donnerstag, 30. Juli 2015

über 5000 Lokale in der Hand der Mafia

Laut Coldiretti wächst die Macht der Mafia auch in der Gastronomie. In Italien sind schätzungsweise rund 5.000 Lokale und Restaurants in der Hand des organisierten Verbrechens, überwiegend über Strohmänner.



Auch in Rom erregen immer wieder Berichte über stark zunehmende kriminelle Elemente in der Gastronomie der Hauptstadt Aufsehen. Zuletzt wurden namhafte Restaurants im Zentrum der Hauptstadt geschlossen, weil sie von Strohmännern der Ndrangheta, der Mafia der süditalienischen Region Kalabrien, betrieben wurden.
In Deutschland - so das Bundeskriminalamt, seien schätzungsweise 1.000 Restaurants in völliger Abhängigkeit der Mafia, über 87% der italienischen Gastronomie in Deutschland zahlt Schutzgelder.

Mittwoch, 29. Juli 2015

Mafiosi, Industrielle und Politiker verseuchen Italien mit Sondermüll

Funde von unsachgemäß verscharrten Industrie-Abfällen beunruhigten vor Jahren Italien und die Welt. Was ist daraus geworden? Eine Geschichte über billigen Müll, skrupellose Gangster - und die Folgen für Italien.




Italiens oberster Mafia-Jäger Franco Roberti stellt den Aschenbecher in seinem Büro auf eine offene Schreibtischschublade und raucht eine Zigarette nach der anderen. Mit seiner Feststellung, Giftmüll-Skandale gebe es nicht nur in der Region Neapel, sondern auch in der scheinbar von Kriminalität unberührten Toskana, wirbelte der Chef der Nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft gehörig Staub auf.

Vor allem in den 1990er Jahren blühte das Geschäft neapolitanischer Mafia-Clans mit dem Giftmüll. Industrieunternehmen aus Norditalien vertrauten den Gangstern gegen eine geringere Gebühr als marktüblich gern ihre Sonderabfälle zur Entsorgung an. Die Clans aus der Gegend zwischen Neapel und Caserta verklappten die giftigen Substanzen dann in den blühenden Obsthainen Kampaniens - wo sie bunt glitzernde Pfützen inmitten von Pfirsichplantagen hinterließen. Beide Seiten verdienten gut an diesem Geschäft. Die sachgemäße Entsorgung wäre die Unternehmen teurer zu stehen gekommen, während die Clans nur für den Transport aufkamen, nicht aber für fachgerechte Behandlung.


Chefermittler Roberti


Unter dem Eindruck der Giftmüllskandale verabschiedete Italiens Parlament mittlerweile ein Gesetz gegen Umweltvergehen. Wer den Straftatbestand der Umweltverschmutzung erfüllt, dem drohen bis zu 20 Jahre Haft, falls die Folgen der Tat Menschenleben fordern. Für irreversible Schäden an einem Öko-System ("Verursachung einer Umweltkatastrophe") drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Das erst im Mai diesen Jahres in Kraft getretene Gesetz schafft nach dem Vorbild von Kronzeugenregelungen Anreize zur Zusammenarbeit mit Ermittlern. Wer ihnen illegale Giftmülldeponien zeigt und Namen von Komplizen nennt, kann mit Strafnachlässen rechnen. Die giftigen Stoffe sind oft unter Großbaustellen, wie etwa der Schnellstraße nach Siena, vergraben.

Doch das Geschäft ist im Wandel: "Nachdem Giftmüll aus dem Norden 20 Jahre lang im Süden entsorgt wurde, transportiert die Camorra Abfälle mittlerweile in andere Regionen, vor allem in die Toskana, aber auch in Länder wie Rumänien und China", sagt Franco Roberti. Der Füller-sammelnde Staatsanwalt macht seine Notizen gern mit einem seltenen Füllfederhalter des italienischen Traditionsherstellers Delta, der in der Nähe der umstrittenen Müllverbrennungsanlage von Acerra bei Neapel beheimatet ist. Acerra ist seit dem Bestseller "Gomorrha" von Roberto Saviano über die Geschäfte der Camorra mit Müll, Drogen, Erpressungen und anderen lukrativen Wirtschaftszweigen international berüchtigt.




Aus der bei Urlaubern besonders beliebten Toskana stammt dagegen Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Der ehemalige Bürgermeister von Florenz verkörpert wie kaum ein anderer italienischer Politiker das Image des Saubermanns, der erst in seiner eigenen Stadt und nun im ganzen Land den Sumpf der Korruption trockenlegen will.

Keine einfache Aufgabe. In der Textilmetropole Prato bei Florenz nähen mittlerweile Chinesen, die teils unter menschenunwürdigen Bedingungen in fensterlosen Räumen hausen, billigste Kleidung. Die chinesische Textilmafia entdeckte jedoch auch den lukrativen Handel mit verunreinigten Textilien. Aus der einstigen Perle der italienischen Stoffherstellung in der Toskana wurden nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Florenz von 2011 tonnenweise verunreinigte Lumpen nach Herculaneum am Vesuv gebracht - und dort nicht, wie offiziell vereinbart, gereinigt und desinfiziert. Die Verantwortlichen wurden mit Haftstrafen von bis zu zweieinhalb Jahren belegt.

Ein Teil dieser Giftmüllskandale kam durch Aussagen von Kronzeugen ans Licht. So packte der einstige "Giftmüllminister" der neapolitanischen Camorra bereits 2008 aus, um Schutz vor Todesdrohungen seiner Komplizen zu erhalten: "Wir haben nie Schutzplanen ausgelegt, die austretenden Flüssigkeiten gelangten direkt in die Erde, dann haben wir Feuer gemacht, um Platz zu schaffen", sagt Gaetano Vassallo. "Nach dem Ende der Craxi-Ära bin ich zu Forza Italia gegangen", berichtet der Mafia-Kronzeuge über die Verbindungen des Casalesi-Clans zur Politik. "Aber wir haben mit allen Parteien Geschäfte gemacht." Das habe sich auch nicht geändert, als der damalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi den Müllnotstand von Neapel zur Chefsache erklärte und einen Regierungskommissar einsetzte.


Gaetano Vassallo


Damals erregten die Bilder brennender Müllberge in Neapel die Weltöffentlichkeit. Wegen mangelnder Kapazitäten in Deponien, Widerstands gegen neue Einrichtungen und zu wenig Mülltrennung wurden Abfälle in Verbrennungsanlagen unter anderem nach Deutschland gebracht. Indem sie die Müllberge auf der Straße anzündeten, sorgten die aufgebrachten Anwohner selbst für giftige Abgase.

Dass das Gift nicht nur in Süditalien schlummert, sondern auch in der für die Hügel des Chianti und Renaissance-Kunst bekannten Toskana, wollten viele Regionalpolitiker lange nicht glauben. Die Anti-Mafia-Stiftung "Antonio Caponnetto" wirft ihnen bis heute schuldhaftes Schweigen vor, das es den Clans umso leichter mache.




"Man zwingt sich, nicht zu sprechen, aus Angst vor Themen, die den guten Ruf der Toskana beschädigen könnten", meint Salvatore Calleri, der Vorsitzende der Stiftung mit Sitz in Florenz. "Wir laufen Gefahr, dass die Angst, über Probleme zu sprechen, die unsere Region früher nicht hatte, Mafia-Organisationen geradezu anlockt", warnt Caponnetto. "Es hilft der Mafia, wenn nicht über sie gesprochen wird."
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Mafia-Glücksspiele unter Beschuss

Nach dem energischen Vorgehen der italienischen Polizei gegen die kalabrische Mafia, sind maltesische Glücksspielunternehmen in den Verdacht der Geldwäsche gekommen. Die Malta Gaming Authority (MGA) hat daher einigen Unternehmen die Lizenz suspendiert.




Die Polizei hatte in Italien Güter im Wert von etwa zwei Milliarden Euro beschlagnahmt, die im Verdacht standen, für Geldwäsche benutzt worden zu sein. Darunter waren auch 1.500 Spielhallen und Wettbüros. Laut den italienischen Ermittlern hat die Ndrangheta eine Reihe von Glücksspielfirmen in Malta gegründet.


Die italienische Polizei nannte den maltesischen Behörden einige dieser Unternehmen. Daraufhin hat die MGA jetzt die Lizenzen der „Uniq Group“ (Betuniq) und von „Betsolution4U“ ausgesetzt. Beide Firmen waren seit 2011 aktiv.
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Dienstag, 28. Juli 2015

Kronzeuge der 'Ndrangheta: "Ständige Angst"

Mord, Entführung, Erpressung, Drogen, Korruption – mit 44 Milliarden Euro Jahresumsatz ist die kalabrische 'Ndrangheta-Mafia der größte "Familien-Betrieb" der Welt. Im "Krone"-Interview spricht einer der wenigen Kronzeugen, Giuseppe Di Bella – der nun mithilfe von Autor Gianluigi Nuzzi in Buchform auspackt. Jetzt wurde "Metastasen" in Wien präsentiert.


"Krone": Herr Di Bella, welche Aufgaben hatten Sie als Mafioso?

Guiseppe Di Bella: Meine Hauptaufgabe war es, von Geschäftsleuten Schutzgeld einzutreiben. Koste es, was es wolle. Nach und nach bin ich in der Hierarchie dann immer weiter nach oben gekommen.





                 Kronzeuge Giuseppe Di Bella 



"Krone": Warum sind Sie vor zehn Jahren als Kronzeuge aus der 'Ndrangheta ausgestiegen?


Di Bella: Damals töteten sie ein Kind und lösten es in Salzsäure auf. Ab diesem Moment habe ich das Mafia-System abgrundtief gehasst.

"Krone": Sie haben seitdem schon einige 'Ndrangheta-Bosse hinter Gitter gebracht. Angst vor Rache?

Di Bella: In jeder Sekunde! Mein Alltag und der meines Sohnes ist von ständiger Angst geprägt. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass ich keinen natürlichen Tod sterbe. Die Familie verlässt man nicht - und auf Verrat steht sowieso die Todesstrafe.

"Krone": Gießen Sie mit dem Buch dann nicht Öl ins Feuer?

Di Bella: Natürlich. Ich bin jetzt 100-mal gefährdeter als vorher. Aber ich hab' meiner Frau vor zwei Jahren am Totenbett versprochen, dass ich reinen Tisch mache. Und das nicht nur mit der Justiz.

"Krone": Welche Rolle spielt Österreich für die 'Ndrangheta?
Di Bella: Zu meiner Zeit keine wesentliche. Das hat sich jedoch geändert.

"Krone": Herr Gianluigi Nuzzi, Ihre Recherchen über Österreich als Autor von "Metastasen" haben was ergeben?

Gianluigi Nuzzi: Die 'Ndrangheta besorgt hier vor allem ihre Waffen. Dank des strikten Bankgeheimnisses wurde das Land auch für Transaktionen und Geldwäsche zur Anlaufstelle Nummer eins. Und natürlich spielt auch der Kokain-Verkauf eine große Rolle.
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Zum Hintergrund

Jahre nach dessen angeblichem Tod wird der Fall um Gianni Versace neu aufgerollt. Gemäß einem Insider soll sich dieser gar nicht in Miami befunden haben, als er dort ermordet wurde.

 
Gianni Versace († 50)


Am 15. Juli 1997 wurde Gianni Versace († 50) von einem Geistesgestörten erschossen. Das hieß es während der letzten vierzehn Jahre. Ausgerechnet das soeben veröffentlichte Mafia-Buch «Metastasen» bringt allerdings neue Details ans Licht. Das einstige 'Ndrangheta-Mitglied Giuseppe Di Bella behauptet, der Tod von Versace sei inszeniert gewesen: «Als er in Miami ermordet wurde, war Versace in Zürich.»

Di Bella sollte es wissen. War er es doch, der die Asche des angeblich Verstorbenen hätte verschwinden lassen sollen - «damit man die DNS nicht abgleichen kann». Die Bellas Versuch scheiterte, die Asche Versaces wurde nie untersucht. Und der Mörder Andrew Phillip Cunanan richtete sich Tage nach der Tat im Gefängnis selbst. Aber warum täuschte die kalabrische Mafia Versaces Tod vor?


 Boss Coco Trovato



Laut Di Bella war der Modeschöpfer eng mit dem Boss Coco Trovato befreundet. Seit den 80er-Jahren soll Versace für ihn Geld gewaschen haben. Schließlich sollte er mit dem angeblichen Mord in Sicherheit gebracht werden, um fortan ein normales Leben führen zu können.
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Ludwigshafen - Grüße von der Mafia



Unbekannte haben ein italienisches Lokal in Ludwigshafen angezündet. Nach ersten Erkenntnissen schoben die Täter gestern Morgen den Rollladen an einem Fensters hoch, schlugen die Scheibe ein und warfen dann brennendes Material in das Lokal, wie die Staatsanwaltschaft Frankenthal und das Polizeipräsidium Rheinpfalz berichten. In der Gaststätte hielt sich zu dieser Zeit niemand auf. Das Feuer verursachte einen Schaden von mehreren Tausend Euro, verletzt wurde niemand.

In dem Lokal entdeckten die Ermittler der Kriminalpolizei später Brandbeschleuniger. Die Hintergründe der Tat liegen zurzeit noch im Dunklen. «Da gibt es mehrere mögliche Motive», teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber mit. «Wir ermitteln in alle Richtungen.» Er bestätigte, dass es in der Vergangenheit schon mehrmals in dem Lokal gebrannt hat.
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Mafia hat Roms Bürgermeister im Visier

Erst war da der Briefumschlag mit zwei Patronen, adressiert an den Bürgermeister. Eine Woche später fand Ignazio Marino eine tote Taube vor seiner Wohnung in der Nähe des Pantheons. Das Tier war von einer Kugel durchlöchert, die Patronenhülse lag daneben. Der Bürgermeister von Rom war gewarnt. Die Morddrohungen könnten jedoch auch bedeuten, dass Marino zuletzt einiges richtig gemacht hat in Rom, dieser von Verbrechen und Illegalität geprägten Stadt.




Die Einschüchterungsversuche gegen Ignazio Marino liegen erst wenige Tage zurück. Die Debatte darum, ob der 60-Jährige aus Genua der richtige Mann für die Lösung der enormen Probleme der italienischen Hauptstadt ist, geht weiter. Bis vor kurzem, als sei nichts geschehen, fuhr Marino auf seinem weißen Elektrofahrrad durch die Stadt. Nach der ersten Morddrohung Ende Juni musste der Bürgermeister aus den Reihen des linksbürgerlichen Partito Democratico (PD) dann auf eine gepanzerte und von zwei Carabinieri bewachte Limousine umsteigen. Seither ist es mit der Unbeschwertheit vorbei. "Ich hätte nicht gedacht, dass die Aufgabe des Bürgermeisters so schwierig und anstrengend ist. Hätte ich das alles vor zwei Jahren schon gewusst, wäre ich jetzt vielleicht nicht hier", sagte Marino anlässlich einer Solidaritätskundgebung seiner Anhänger auf dem Kapitol.

Hier hat Roms Bürgermeister seinen Amtssitz und blickt von seinem Arbeitszimmer auf das Forum Romanum. Auch die römische Gegenwart zeugt vom Verfall. Marino kann die Missstände schon sehen, wenn er den fein herausgeputzten Senatorenpalast verlässt und den Kapitolshügel auf der anderen Seite in Richtung Piazza Venezia heruntergeht. Zu erleben ist ein Verkehrschaos ohne Gleichen, verschreckte Touristen, die bei der Überquerung der Zebrastreifen um ihr Leben fürchten. Ein paar Straßen weiter trifft man auf von Müll, Urin und Kot verschmutzte Bürgersteige.

Mit bloßem Auge nicht sichtbar sind die in weiten Teilen korrupte Stadtverwaltung sowie die Unterwanderung der Institutionen durch die römische Mafia. Nachdem Marino 2013 den ehemaligen Neofaschisten Gianni Alemanno als Bürgermeister abgelöst hatte, versprach er einen "kulturellen Wandel". Stattdessen wurde vieles schlimmer. Im Dezember 2014 hoben Staatsanwälte ein kriminelles Netzwerk aus, in dem sich parteiübergreifend linke wie rechte Kräfte auf Kosten der Stadtkasse bereicherten und öffentliche Aufträge abschöpften. Über 80 Verdächtige der "Mafia Capitale" wurden verhaftet und warten auf ihren Prozess.


Hochburgen der Mafia - Stadtteilclans


Inzwischen hat auch Marinos hemdsärmelig auftretender Parteifreund und PD-Parteichef, Ministerpräsident Matteo Renzi, dem Bürgermeister den Rücken gekehrt. Wer nicht imstande sei zu regieren, der möge nach Hause gehen, sagte Renzi. Mehrere Mitglieder der Stadtregierung traten zurück, zuletzt auch der Vizebürgermeister. Nun muss sich der Bürgermeister anhören, er sei zu wenig durchsetzungsfähig in einem bürokratischen und rechtsstaatlichen Inferno wie der Stadt Rom, in der Bürgersinn ein Fremdwort ist.

Marino ist ein international anerkannter Chirurg, Spezialist für Lebertransplantationen, der in Großbritannien und den USA reüssiert hat und sich erst in der zweiten Hälfte seines Lebens der Politik zuwendete. Aber kann er auch eine komatöse Großstadt wie Rom mit allen ihren Problemen wiederbeleben? Die bislang prägendste Maßnahme seiner Amtszeit ist die Verkehrsberuhigung der stark befahrenen Via dei Fori Imperiali zwischen den Kaiserforen und dem Kolosseum. Viele Römer sehen darin nur eine zusätzliche Schikane in ihren täglichen Qualen im römischen Verkehr.





Doch der katholische Saubermann Marino gibt nicht auf. Der Bürgermeister hat sich von rund 20 Firmenbeteiligungen der Stadt getrennt, zweifelhafte Ausgaben eingespart, die Übernachtungssteuer für Touristen erhöht und in den vergangenen Tagen sogar einen großen symbolischen Erfolg erzielt. Die seit den 90er Jahren ohne Genehmigung vor dem Kolosseum positionierten fahrbaren Verpflegungskioske, an denen Touristen sich zu Wucherpreisen verköstigen lassen, wurden verbannt. In einer Stadt wie Rom, in der auch unrechtmäßige Privilegien von Generation zu Generation weitergereicht werden, ist das schon einmal ein Anfang.

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Montag, 27. Juli 2015

Mafiaboss im Bunker gefasst / VIDEO

Der seit Jahren flüchtige Franceso Pece, 38, Chef eines berüchtigten und hoch gefährliche Clanmitglieder der 'Ndrangheta wurden gestern abend in einem unterirdischen Bunker gefasst. Das Innenministerium hatte die Aktion koordiniert. Die Sonderkommission der ROS von Reggio Calabria setzte unter anderem Suchhunde, Geräusch-Sonden und Helikopter ein. Die Männer wurden wegen mehrfachen Mordes, Erpressung, Drogenschmuggel und Medikamentenfälschungen  gesucht.



Der Anwalt der Camorra

Michele Santonastaso verteidigte vor Gericht den Camorra-Clan der Casalesi. Heute hat die Anti-Mafia-Direktion aus Neapel Güter im Wert von acht Millionen Euro beschlagnahmt und dabei enthüllt: Der Boss Iovine wollte Honorarkonsul der Zentralafrikanischen Republik werden.

Michele Santonastaso


Als Anfang November 2014 das Gericht von Neapel Camorra-Anwalt Michele Santonastaso, 54m, zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilte, sagte Anti-Mafia-Journalist Roberto Saviano: “Nach vielen Jahren Kampf bekommt dieser Fall endlich die Aufmerksamkeit, die er verdient.


Superboss der Camorra Antonio Iovine


Dass es überhaupt zu diesem Prozess kam, könnte für mich ein erster Schritt in Richtung Freiheit und normales Leben sein.” Dabei ging es auf eine Episode im Jahre 2008 zurück. In Neapel lief einer der größten Mafiaprozesse in der Geschichte Italiens: Der sogenannte Spartakusprozess gegen den Camorra-Clan der Casalesi. Gegen Ende des Prozesses bat Santonastaso, Anwalt der Bosse, um die Verlegung des Verhandlungsortes.

Er begründete die Anfrage mit dem Verdacht, dass das Gericht unter anderem vom Savianos Bestseller „Gomorrha“ beeinflusst sei. Was harmlos klingt, war für Saviano eine klare Botschaft: Die Bosse zeigten sich mit dieser versteckten Bedrohung an seine Person auch im Justizpalast stark. Am Dienstag ist die Justiz erneut gegen den Camorra-Anwalt vorgegangen. Die Anti-Mafia-Direktion aus Neapel hat Güter im Wert von acht Millionen Euro beschlagnahmt: Immobilien, Autos, Grundstücke aber auch Unternehmen. 

Boss der Casalesi wollte Honorarkonsul in Zentralafrikanischen Republik werden
Die neuen Ermittlungen der Anti-Mafia-Direktion enthüllen außerdem den Willen des Bosses Antonio Iovine, Honorarkonsul der Zentralafrikanischen Republik zu werden. Iovine hatte Santonastaso beauftragt, für ihn zu verhandeln. 

2009 hatte der Anwalt Maurizio S. kontaktiert, ein norditalienischer Unternehmer, der ein humanitäres Projekt in dem afrikanischen Land initiiert hatte. Santonastaso hatte sich bereit erklärt, das Projekt zu finanzieren. Der Zweck: Sich ein Zugang zum Land zu verschaffen. Maurizio S. hatte dem Anwalt einen Projektentwurf gegeben, auf dem unter anderen auch die Kontaktdaten des Präsidenten François Bozizé angemerkt waren. 

Maurizio S. sagte den Ermittlern, dass er nicht wusste, mit wem er damals zu tun hatte. Erst nach dem Prozess an Santonastaso hatte er verstanden, dass er indirekt der Camorra geholfen hatte. 




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erneuter Schlag gegen die Mafia

Wer in Italien Obst und Gemüse kauft, finanziert womöglich die Camorra und die Cosa Nostra. 10 Prozent der Transportkosten fließt laut Ermittler in die Hände der Bosse.



Die Anti-Mafia-Direktion aus Rom in Kooperation mit den Kollegen aus Neapel, Salerno, Palermo, Caltanisetta, Catania und Bologna hat am Montag 20 Menschen in Latium, Kampanien und Sizilien verhaftet. Sie werden beschuldigt, den Transport von Obst und Gemüsen aus Süditalien illegal kontrolliert zu haben. Dabei geht es um kleine Unternehmer, die für die Camorra-Clans der Casalesi und der Mallardo arbeiteten.

Güter im Wert von 11 Millionen Euro wurden beschlagnahmt. Die Kriminellen erpressten Händler und Produzenten und zwangen sie dazu, nur bestimme Speditionsunternehmen für den Transport von Obst und Gemüse zu beauftragen. Händler, die sich weigerten, wurden massiv bedroht. 

Der Obst- und Gemüsemarkt ist für die Mafia besonders lukrativ: Der Landwirtschaftsverband Coldiretti geht in seinem Jahresbericht sogar von 15 Milliarden Jahresumsatz aus. 

Bereits 2010 hatten Ermittler ein ähnliches Geschäft aufgedeckt. Damals kontrollierte die Camorra-Clans Schiavone-Del Vecchio den Transport von Obst und Gemüsen – in Zusammenarbeit mit der sizilianischen Cosa-Nostra. Gaetano Riina, Bruder des Cosa-Nostra-Oberbosses Salvatore Riina, wurde damals verhaftet. Im Zentrum der Ermittlungen stand damals der große Obst- und Gemüsemarkt MOF in Fondi (Latium). Er gehört zu den wichtigsten in Europa und versorgt den Norden mit Waren aus Süditalien.


Carmine Schiavone - einer der ganz großen Mafia-Bosse mit einem Milliardenvermögen
- inzwischen verstorben - der Clan allerdings ist noch aktiv


Die Mafia erhöhte künstlich Transport- und Verpackungskosten und diktierte somit schließlich auch den Endpreis von Obst und Gemüsen. 70 Mafiosi wurden damals verhaftet. Doch neue Ermittlungen im Rahmen der Operation „Gea“ zeigen, dass das Kartell längst nicht besiegt ist. Sie bestätigen auch, dass das südliche Latium Mafiagebiet ist. 

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Sonntag, 26. Juli 2015

Wo der Staat an der Mafia scheitert

Politik ist in Italien ein gefährliches Geschäft: Vor allem in Süditalien, wo die Mafia aktiv ist, findet sie deshalb kaum statt. Mehr als 200 italienische Gemeinden werden zum Teil seit Jahren zwangsverwaltet. In Platì, der Hochburg der Mafia in Kalabrien, versucht ein junger Bürgermeister diese Lücke mit Demokratie zu füllen.




Platì in Kalabrien, am Aspromonte könnte ein so schönes Fleckchen Erde sein. Die Grillen zirpen, das Meer ist nicht weit. Aber stattdessen ist Platì zum Symbol dafür geworden, dass die Mafia manche Gegenden Italiens fest im Griff hat. Der kleine Ort mit 2.500 Einwohnern gilt als Hochburg der 'Ndrangheta, der Mafia in Kalabrien. Auch deshalb sitzt im Rathaus kein gewählter Bürgermeister, sondern Luca Rotondi.

Er ist der Kommissar, der Zwangsverwalter einer Gemeinde, in der Demokratie offenbar nicht möglich ist. Platis Kommunalverwaltung, der Gemeinderat, wurden aufgelöst wegen Infiltration der Mafia.




In mehr als 200 Gemeinden in Italien ist das so, sagt Rotondi: "Die Zwangsverwaltung ist das letzte Mittel. Die Fälle, die das Gesetz vorsieht, sind deshalb auch sehr klar definiert. Doch in einigen Fällen ist es die einzige Lösung. Deshalb muss man von der Vernunft her den Kommissar als eine kurze, mehr oder weniger lange Zwischenphase akzeptieren, bis man demokratisch zu einer Verwaltung zurückfindet, die die Prinzipien und Regeln einhält."


Platì, das Mafia-Dorf

Über ein Jahr ist Rotondi schon im Amt, davor gab es andere Kommissare, seit fast 10 Jahren wird Platì praktisch durchgehend zwangsverwaltet. In den 80er-Jahren haben sie hier ihren Bürgermeister umgebracht. Vor ein paar Jahren haben rund 1.000 Polizisten das Dorf gestürmt und über 120 Menschen festgenommen. Darunter war auch Beppe Lentini, früher mal Vize-Bürgermeister. Verurteilt wurde er am Ende nicht, wie viele andere.

Auch deshalb sieht er Platì und seine Bewohner als Opfer, er sagt das mit einem kalabrischen Sprichwort: "Der Hund beißt immer den Allerärmsten. Das ist eine heilige Wahrheit. Das hier ist ein Dorf wie viele andere. Schlimme Sachen sind hier passiert. Und dafür darf nicht eine ganze Bevölkerung zahlen. Und seitdem ist die ganze Bevölkerung immer unterdrückt worden."


Die unterirdischen Gänge von Plati


So kann man das natürlich auch sehen. Platì, das Mafia-Dorf, mit dem ewigen Makel. Politik ist in Italien ein gefährliches Geschäft, dort, wo die Mafia aktiv ist und wo es Politiker gibt, die sich ihr entgegenstellen.


In fünf Jahren Amtszeit - drei Autos abgefackelt

Doch es gibt auch positive Beispiele aus dem Süden Italiens: Rosario Rocca wurde früher von vielen für verrückt gehalten. Er hatte einen sicheren Job als Lehrer bei Turin, während in seiner Heimat, in Kalabrien, viele junge Leute keine Arbeit haben. Aber er ist zurückgekommen nach Benestare, nur ein paar Kilometer von Platì entfernt.

Rosario Rocca hat 2006 hier als Bürgermeister kandidiert – und wurde gewählt. Damals war er 29. Der jüngste Bürgermeister in ganz Kalabrien. Bedroht wurde aber auch er massiv. Seine Frau traut sich nicht mehr, allein im Haus zu bleiben. Denn die 'Ndrangheta hat immer wieder versucht, ihn und seine Familie unter Druck zu setzen:


Rosario Rocca


"In 5 Jahren Amtszeit haben sie mir drei Autos abgefackelt, sie haben die Autos für die Mülltrennung angezündet. Das letzte Mal war letztes Jahr, drei Tage vor den Wahlen in Benestare."

Trotzdem, oder vielleicht deshalb, ist er für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Und versucht weiter, sein Dorf in Ordnung zu bringen. Und immer wieder versucht Rocca, seine Mitbürger zu aktivieren, mit ihnen zu diskutieren, dafür zu sorgen, dass die mitgestalten. Denn der Staat hat auch hier bisher nur eine große Lücke gelassen, die die Mafia ausgefüllt hat.






Die Hoffnung liegt auf der neuen Generation

"Ich versuche, diese Leere zu füllen. Die Politik mit einem großen P muss diese Leere füllen. Ich gebe alles und ein wenig habe ich es auch geschafft. Manchmal nicht. Man gewinnt und man verliert. Doch man muss es wenigstens versuchen. Das ist ein langer Prozess. Eine kleine Gemeinde und ein Bürgermeister reichen da nicht. Wir brauchen eine neue Generation, die für einen Wandel steht, der mit der bisherigen Politik nichts zu tun hat."

Auf dieser neuen Generation liegt die Hoffnung. Doch in vielen Gegenden vor allem in Süditalien sieht es noch ganz anders aus. Da findet Politik, da findet der Staat praktisch nicht statt.

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