Dienstag, 30. April 2013

Die Camorra - Staatsfeind an der Wall Street

Die US-Regierung sagt der Camorra den Kampf an. Die neapolitanische Mafia profitiert nicht nur von der Finanzkrise – sie soll auch Terroristen unterstützen.





Der legendäre Mafia-Mann Lucky Luciano, der sich in Neapel einen seiner lukrativsten Standorte aufgebaut hatte, sagte einmal: »Verbrechen lohnt sich, vor allem wenn man es richtig organisiert.« Ein Teil der Camorra, der Casalesi-Clan, hat diesen Lehrsatz offenbar besonders verinnerlicht. Aber auch in Deutschland hat sich die Camorra in den Börsen breitgemacht. Wo die Clans ihren Sitz haben, zeigt die Karte:



Karte vergrößern - KLICK

Das Finanzministerium der Vereinigten Staaten jedenfalls hat sich jetzt zu einem besonders drastischen Schritt entschlossen: Es will den Clan aus den USA verbannen. Alarmiert vom Eindringen der »Neapolitan Mafia«, wie die Camorra in Amerika genannt wird, hat die US-Regierung nicht nur Sanktionen gegen fünf Bosse des Clans verhängt, sondern jedwede Art von Geschäften mit ihnen untersagt.

Ihre Vermögenswerte dürfen nicht mehr in die Vereinigten Staaten eingeführt, ihr Geld darf von keinem Kreditinstitut verwaltet werden; wer dennoch Finanzgeschäfte mit ihnen tätigt, soll hart bestraft werden. Das ehrgeizige Ziel von Finanzminister Timothy Geithner ist es, »die Camorra aus den Finanzmärkten zu drängen und das amerikanische Finanzsystem vor Geldwäscherei zu schützen«.




Geithners Wortwahl lässt am Ernst der Lage keinen Zweifel. Neu ist das nicht: Genau vor einem Jahr hatte Obamas Regierung der Camorra den Krieg erklärt. Zusammen mit den japanischen Yakuza, den mexikanischen Los Zetas und der russischen Mafia bezeichnete sie sie als »eine der vier gefährlichsten kriminellen Organisationen für die Interessen der Vereinigten Staaten«.

Doch wie haben es die kleinen Bosse aus der kampanischen Provinz geschafft, zum Schrecken der Wall Street zu werden? Zu verdanken haben sie das der Wirtschaftskrise.
Durch ihre Unmengen an flüssigem Kapital war es den Casalesi-Bossen ein Leichtes, geeignete Geldwäschepartner für ihre riesigen Erlöse aus dem Drogenhandel zu finden, und das vor allem in Branchen, mit denen sie auch in Italien bestens vertraut sind: Zement, Abfall, Gaststättengewerbe, Bauwesen.

 Dass Geld nicht stinkt, gilt insbesondere für Banken: Laut Schätzungen der amerikanischen Antidrogenbehörde Drug Enforcement Administration werden von europäischen und amerikanischen Geldinstituten jährlich zwischen 500 und 1000 Milliarden Dollar Schwarzgeld gewaschen. 5500 Milliarden Dollar aus Erpressung, Drogenhandel, Menschenhandel und anderen kriminellen Machenschaften sind demnach seit den neunziger Jahren in die Vereinigten Staaten geflossen. In den vergangenen Jahren wurden Großbanken wie Citibank, HSBC und Wachovia illegaler Geschäfte mit kriminellen Organisationen beschuldigt.

In diesem riesigen Geldkarussell ist die Camorra ein Hauptakteur. Ihre wachsende Vormacht in Amerika ist auch dem Verfall der alten italoamerikanischen Mafia sizilianischen Ursprungs zu verdanken, die durch den Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, das härteste Gesetz gegen das Organisierte Verbrechen, einen empfindlichen Schlag erlitten hat. Und während das traditionelle Mafiosi-Wesen mehr und mehr seinen Schrecken verlor und zu einer Art Kulturphänomen wurde, das sich in Fernsehserien mit knackigen Mädchen und durchtrainierten, goldkettenbehängten Jungs spiegelt, spann die Camorra neue Fäden.

Und knüpfte immer gefährlichere Bande. Das Vorgehen der US-Ermittlungsbehörden ist längst nicht mehr nur finanziell motiviert. Vergangenen Juni bekannte der Camorra-Aussteiger Biagio Di Lanno, einstiges Mitglied des einflussreichen Polverino-Clans, der tonnenweise Hasch verschiebt, der Clan habe bereits im Vorfeld von dem Terroranschlag des 11. März 2004 im Madrider Atocha-Bahnhof gewusst. Zwischen der Camorra und den durch sie mittels Drogengeschäften finanzierten Terrorgruppen habe absolutes Vertrauen geherrscht. Und nicht nur das: Laut Di Lanno sei die Camorra dank ihrer Kontakte auch über die Anschläge vom 11. September 2001 im Bilde gewesen. Einige der Bosse hätten sogar damit geprahlt, Al-Kaida-Terroristen beherbergt zu haben.



Biagio Di Lanno - Camorra-Boss


Auch deshalb verfolgen die Amerikaner die Camorra jetzt mit nie da gewesener Härte. Bei uns in Italien schließt man lieber die Augen: Bis vor Kurzem wurde sogar noch bestritten, dass der Clan bis nach Deutschland vorgedrungen sei.

Montag, 29. April 2013

Die Mafia-Clan der Rizzuto kehrt von Canada nach Sizilien zurück.


Der Rizzuto-Clan, einer der mächtigsten in Nordamerika, ist im Begriff, Montreal zu verlassen. Sie waren 1954 nach Kanada ausgewandert. Mehrere seriöse, kanadische Zeitungen berichten nun, dass die Familie über 60 Häuser in der Stadt Quebec verkauft hat und ihr Vermögen auf karibische Steueroasen transferiert haben soll.




Die Rizzutos waren damals in einen blutigen Mafia-Krieg verwickelt, der auf kanadischen Boden weitergeführt wurde. Zuerst wurde Nicola Rizzuto Jr.erschossen, dann der alte "Pate" Nicola Rizzuto Sr. sowie seine Schwester Augustine Cuntrera. Die Bosse des einflussreichen Clans stammen aus der Provinz Agrigento. Sie haben dort erste Fühler ausgestreckt und Grundstücke erworben.

Es steht fest, dass die Familie nach Sizilien zurück will. Vor wenigen Wochen wurden Immobilien im Wert von 200 Millionen Euro über die Makler-Agentur International Realty verkauft. Auch die Villa des Patriarchen Vito Rizzuto, die Reproduktion einer normannischen Burg in der Rue Antoine-Berthelet in Montreal, ist vor wenigen Monaten für 35 Millionen Dollar veräußert worden. Wie man weiß, wurde dort der Vater Enrico Rizzuto von einem Scharfschützen getötet.

Zum gleichen Zeitpunkt verschwanden auch seine Tochter Maria Rizzuto und dessen Ehefrau, sowie der Schwiegersohn Paolo Renda. Die Polizei vermutet, dass alle drei Familienangehörige vor fünf Jahren mit eine Schrotflinten hingerichtet wurden. Die Leichen hat man bis heute noch nicht gefunden, allerdings, aufgrund von damaligen Zeugen, die Tatwaffen. Die Aussagen jedoch wurden nicht dokumentiert, die Zeugen mittlerweile ermordet.

Nach den Berichten kanadischer Ermittler, ist davon auszugehen, dass die in Kanada inhaftierten Mitglieder des Clans, die im Oktober entlassen werden, Rache an ihren Gegnern nehmen. Man geht davon aus, dass dies der Grund ist, weswegen der Clan nach Sizilien zurückkehren will.


Zwar bestehen  in die USA für Vito Rizzuto zwei Auslieferungsanträge, die jedoch wegen Verjährung nicht wirksam werden dürften. Der Clan der Rizzuto war in den Brückenbau-Skandal über die Meerenge von Messina verwickelt, in dem kanpp eine Milliarde Euro spurlos verschwunden ist und zu Dutzenden von Verhaftungen führte. Zwei Bosse Italienisch-kanadischen Ursprungs, Alfonso Caruana und Pasquale Cuntrera, wurden damals ausgeliefert. Vom dem unterschlagenen Geld dennoch keine Spur. ausgeliefert.

Sonntag, 28. April 2013

Wie die Mafia sich Siziliens Stimmen erkauft

von Sandro Mattioli und Andrea Palladino

Italien hat eine neue Regierung. Aber wie werden noch heute Regierungen gebildet? Wie stark ist die Einflussnahme der Mafia bei Wahlen. Und wer wird als Ministerpräsident geduldet?


Altstadtgasse in Palermo. Die alten Häuser in Siziliens Hauptstadt sind größtenteils extrem heruntergekommen – die Mafia ließ viele absichtlich verfallen, um Bausubventionen zu kassieren


In Italiens bettelarmem Süden hat die Mafia heute noch große politische Macht. Sie könnte bei der anstehenden Wahl 300.000 Stimmen kaufen. Häufig gibt es eine Stimme schon für wenige Euro.

Brancaccio liegt am östlichen Stadtrand von Palermo, grenzt an einem Ende an die Autobahn, am anderen ans Mittelmeer. Der lange Sandstrand ist mit Zäunen verrammelt. Da streunen Hunde, Kot verdreckt den Sand. In Holzbuden, die mal Badekabinen waren, hausen Arme und Clochards. Stinkende Rauchschwaden steigen aus ihren Töpfen auf offenen Feuern, und steifer Schirokko-Wind treibt Mülltüten vor sich her, färbt das Meer grünbraun. Bladerunner unter südlicher Sonne.

Hinter der Küstenstraße voller Schlaglöcher dehnen sich verrottete antike Häuser und moderne Wohnsilos aus, wo Arbeiter, Handwerker, kleine Angestellte leben. Es gibt viele Arbeitslose und von jeher viel Mafia. Erst kürzlich starb ein Mafiaboss aus Brancaccio im Kugelhagel – typisch für das Ringen der Clans um Macht. 1993 hatten die Killer den Pfarrer von Brancaccio, Don Pino Puglisi, erschossen, der sich gegen die Macht der Mafiabosse aufgelehnt hatte. (Ich habe im Artikel zuvor darüber berichtet. )Er war Sohn eines Schusters. Bei solchen Leuten kassierten die Mafiosi Schutzgeld – eine Sondersteuer auf das, was ohnehin nie reichte. Im Gegenzug gab es Gefälligkeiten, im Viertel keine Verbrechen und im besten Fall eine Stelle für den Sohn.

Wen scherte es da, dass die Bosse alle paar Jahre auch verlangten, einen ganz bestimmten Politiker, einen Gemeinderat oder Abgeordneten für das Parlament in Rom zu wählen. Denn auch dafür gab es ja immer etwas, mal ein Paket Pasta, meistens sogar Bargeld.


"Sie haben keine Bildung und keine Hoffnung"



"Im Brancaccio kannst du heute noch eine Wählerstimme für 20 Euro kaufen", sagt Rita Scavione, 54. Sie ist vor 25 Jahren aus Deutschland hergekommen, mit einem Sizilianer verheiratet, hat zwei Kinder.

Rita Scavione versucht, das schmale Beamtengehalt, das ihr Mann nach Hause bringt, mit Teilzeitjobs aufzubessern. "Aber den meisten Leuten hier geht es schlecht. Sie haben keine Bildung und schon gar keine Hoffnung, dass die Politiker, egal von welcher Partei, daran je etwas ändern werden," erklärt sie. Die Regierung ist weit weg im Brancaccio, der Staat ein Fremdwort.

Unten auf der Straße knattern Mopeds, auf denen gelangweilte Jugendliche Runden drehen. Mülltüten häufen sich auf der Straße. Viele Männer stehen vor der Bar an der Ecke. Ein echtes Einkommen hat hier fast niemand. Ein Supermarkt wirbt mit grellgelben Schildern "Alles für 50 Cent!", und Rita sagt: "Mit 50 Euro können die Hausfrauen eine Woche lang ihre Familie ernähren." Jetzt haben die Italiener ein neues Parlament gewählt, und das Thema Stimmenkauf der Mafia ist hochaktuell.

"Ein Mann teilte halbe Geldscheine aus"


Umso brutaler war auch die verbale Ohrfeige, die Italiens Regierungschef Mario Monti im laufenden Wahlkampf an Silvio Berlusconi austeilte: "Berlusconi betrieb Stimmenkauf." Das zielte auf die plumpen Wahlversprechungen wie Steuergeschenke, mit denen Berlusconi sich in den letzten Wahlkampfwochen die Wählergunst sichern wollte, aber es hatte auch einen hässlichen Unterton. Mit der Regierungsbeteiligung jedoch wurde es schwierig. Berlusconi hat jedoch einen "guten Deal" vereinbart, nachdem niemand mehr mit ihm arbeiten wollte. Er verzichtet auf ein Amt und wird als Gegenleistung zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Damit ist er für die Justizbehörden für immer "unantastbar"! Eine klassische Mafia-Methode, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Stimmenkauf bei Wahlen ist in Italien traditionell ein Business der Mafia und vor allem im ärmeren Süden verbreitet. Er sichert Politikern fette Stimmenpakete. Die Mafia wird mit lohnenden Aufträgen bedient. Steuergelder, die eigentlich in soziale Einrichtungen, in Straßen, Krankenhäuser und Konjunkturhilfen fließen sollten, wurden so jahrzehntelang in die Taschen von Mafiaclans und korrupten Politikern umgeleitet.

Rita Kellner engagiert sich politisch seit Jahren gegen die Mafia. Einmal hat sie miterlebt, wie das System funktioniert. "Das war ein Schock", erinnert sie sich. "Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: Ein Mann stand unten auf der Piazza hinter einem Müllcontainer und teilte Geld aus, halbe Geldscheine: Die zweite Hälfte bekamen die Leute, wenn sie aus dem Wahllokal kamen, in der Tasche ein Handy mit einem Foto von ihrem Wahlzettel als Beweis."

Es wundert Rita nicht, dass Silvio Berlusconi am Samstag mit einer Wahlkampfkundgebung ein großes Theater in der Innenstadt von Palermo gefüllt hat: "Er spricht die Sprache der kleinen Leute." Und die standen bis hinaus auf die Straße. Eilig hatten Parteihelfer riesige Monitore auf der Piazza vor dem Theater aufgebaut, wo Neugierige draußen hören durften, was Berlusconi drinnen von der Bühne rief: Er wolle eine Brücke vom Festland bauen, Steuern zurückzahlen, und die Krise sei Schuld der Regierung Monti mit ihrem harten Sparkurs.

"Stimmenkauf erschlägt die Demokratie"

Sizilien kommt bei den jetzt anstehenden Wahlen, genau wie der Lombardei im Norden, eine Schlüsselrolle zu: In beiden Regionen könnte das Mitte-links-Bündnis der Demokratischen Partei – das in Umfragen vorne liegt – die Mehrheit für die Zweite Kammer, den Senat, verfehlen. Während im Norden die Chancen für Lega und Volk der Freiheit von Berlusconi gut stehen, "ist Sizilien ein schwarzes Loch. Mit Umfragen erreicht man hier nur 40 Prozent", erklärt der römische Politikprofessor Roberto d'Alimonte. "Die Mafia könnte 300.000 Stimmen schieben", titelt die Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag – nicht zu unterschätzen bei einem Wahlvolk von 4,4 Millionen.

"Der Stimmenkauf erschlägt die Demokratie", warnte der italienische Journalist und Bestseller-Autor Roberto Saviano ("Gomorrha") aus Neapel vor wenigen Tagen in seiner Kolumne in der Tageszeitung "La Repubblica". "Es gibt den kriminellen Stimmenkauf und den Stimmenkauf zur Beschleunigung der Rechte. Viele Wähler lehnen das inzwischen grundsätzlich ab. Aber am Ende geben sie ihre Stimme dann doch diesen Politikern." Sie seien die Abkürzung zu den Gefallen, auf die die Bürger angewiesen sind, wo der Staat ihre Rechte verweigert.

Die Inselregion war viele Jahre der feste Sockel für Berlusconis politische Macht in ganz Italien. Bei den Parlamentswahlen 2001 gewann seine Partei in allen 61 Wahlkreisen der Insel. Er hatte das Erbe der Christdemokraten angetreten. Die hatten nicht nur jahrzehntelang mit der Mafia gemeinsame Sache gemacht, sondern teilweise auch Mafiosi in den eigenen Reihen: Vito Ciancimino, der in den 70er-Jahren Bürgermeister von Palermo war.

Engagement vieler Bürger hat etwas veränder

Berlusconis Politiker, die nun in Rathäusern und Regionalregierung saßen, waren vordergründig vorzeigbarer. Aber 2012 mussten auch sie unter dem Druck von Monti-Regierung und Öffentlichkeit gehen: Der Gouverneur Siziliens, Salvo Lombardo, und der Bürgermeister der Metropole Palermo, Diego Cammarata, hatten die öffentlichen Kassen mit Klientelwirtschaft geleert. Lombardo war auch im Verdacht, die Mafia begünstigt zu haben.

Das Engagement vieler Bürger wie Rita oder Pfarrer wie Don Puglisi und der Mut von Politikern, Richtern, Polizei und Journalisten haben trotzdem etwas geändert. "Zwar ist die militärische Macht der Mafia noch stark, aber die Wähler sind kritischer", erklärt Enrico del Mercato, 49, Redaktionschef von "La Repubblica" in Palermo. In ganz Italien sorgte sein Buch "Der Ballast" über gigantischen Filz in der Regionalverwaltung Siziliens für Aufsehen.

Enrico del Mercato - Chefredakteur Corriere dela Sera

"Heute verhindert unser Wahlsystem, zumindest bei Parlamentswahlen, dass ein ganz bestimmter Kandidat begünstigt werden kann. Die Kandidatenlisten sind starr, werden von der Parteispitze zentral erstellt", erklärt er. Eine Rolle spiele auch die Wirtschaftskrise im Süden. "In der Politik gibt es hier nichts mehr zu holen. Die Mafia geht dahin, wo sie die besten Geschäfte machen kann – jetzt in den Norden", sagt del Mercato.

Erst vor Kurzem war aufgeflogen, dass in der Lombardei ein Minister der Regionalregierung mit Ablegern der kalabrischen 'Ndrangheta Stimmenkauf betrieben haben soll. "Wahr ist aber auch, dass ein Konsens mit der Mafia nicht immer über ein Direktmandat läuft. Oft reichen allgemeine Interessenerklärungen. Berlusconi ist 1994 so angetreten: Er wetterte damals gegen die Macht der Staatsanwälte, und das konnte der Mafia ja nur recht sein." Jetzt verspricht er eine fünf Milliarden teure Brücke auf das Festland. Das sind Arbeitsplätze für viele und Millionen für die Bauunternehmen – viele von ihnen sind im Süden in der Hand der Mafia.

Wettlauf um die sauberste Kandidatenliste


Erstmals gab es im aktuellen Wahlkampf einen Wettlauf um die sauberste Kandidatenliste: Alle Parteien – von der norditalienischen Lega bis zur Union der Christdemokraten im Süden – stellten ethische Regel-Kataloge auf und sortierten schwarze Schafe reihenweise aus. Auch Berlusconi musste sich unter dem Druck seines jungen Parteisekretärs Angelino Alfano endgültig von alten Freunden trennen: dem neapolitanischen Parlamentarier Nicola Cosentino, der verdächtigt wurde, regen Kontakt zur kampanischen Camorra zu haben, und von Senator Marcello Dell'Utri, einem engen Vertrauten und langjährigen Manager Berlusconis. Dell'Utri stammt aus Palermo und war immer wieder in Prozesse um Beihilfe zu Mafia-Verbrechen verwickelt.

Ein schneller Rundgang durch die Institutionen in Palermo zeigt den Wandel: Im Regionalparlament sitzt heute – erstmals in über 60 Jahren Republik – ein Gouverneur der Linksdemokraten. Es ist Rosario Crocetta, 65, ehemals Bürgermeister der Stadt Gela im Süden der Insel, wo er jahrelang die Mafia erfolgreich bekämpft hat. Er strahlt und berichtet: "Ich habe heute 60 Angestellte in der Abteilung 'Ausbildung' entlassen." Das hat Symbolwert: Die Abteilung war berühmt dafür, dass Gelder aus Rom und Brüssel an außenstehende Beraterfirmen großzügig weitergereicht wurden – nur ausgebildet wurde fast nie jemand.


Rosario Crocetta
Crocetta will mit dem Filz aufräumen – viele trauen ihm das zu –, aber er machte einen Rechenfehler: Für seine Mehrheit stützte er sich auf die Union der Christdemokraten, die UDC. Nur einen Tag nach der Wahl im Oktober musste deren Abgeordneter Pippo Sorbello von allen Parteiämtern zurücktreten, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt – Verdacht auf Stimmenkauf.

Die Armut ist Palermos Tragödie"

Im nahen Rathaus ist Leoluca Orlando, 65, seit neun Monaten wieder im Amt des Bürgermeisters – zum vierten Mal. Von 1985 bis 2001 bekämpfte er das mafiöse politische System so nachhaltig, dass er dafür weltberühmt wurde. Probleme mit korrupten Stadträten aus den eigenen Reihen hat Orlando daher auch heute nicht. Nur kommt seine Kohärenz ihn teuer zu stehen: Heute darf er nur noch den riesigen Schuldenberg der Stadt hin und her schieben. Auf Unterstützung aus Rom muss einer, der so unbequem ist wie er, lange warten. "Die Armut ist Palermos Tragödie geworden", sagt er.



Eine Etage tiefer hat Giuseppe Zaffonte, 51, sein Büro. Er ist Haus- und Zeremonienmeister im Rathaus, ein lebendiges Symbol für Orlandos Politik. Beide lernten sich vor 25 Jahren im Wahlkampf kennen, da war der junge Giuseppe Analphabet, ein kleiner Gauner von der Peripherie, als Halbwaise in der Satellitenstadtteil Zen aufgewachsen. "Orlando überzeugte mich, es anders zu versuchen", sagt er.

Er hat es geschafft, erkämpfte sich Abitur und Jurastudium in Abendkursen, machte im Rathaus Karriere von der Putzhilfe zum Hausmeister. Mit seiner Frau und vier Kindern lebt Zaffonte noch im Zen, wo er jetzt gegen den Einfluss der Mafia bei den Wahlen kämpft.

Auf dem Weg zum Lokaltermin kommen wir an einem Zeitungskiosk vorbei, dicke Lettern auf einem Lokalblatt fallen ins Auge. Sie sprechen von einem gewissen Roberto d'Ali, Senator in Rom und aktueller Kandidat für Berlusconis Volk der Freiheit. D'Ali wird verdächtigt, beste Kontakte zu Matteo Messina Denaro zu pflegen. Der ist der Boss der Bosse der sizilianischen Cosa Nostra, der weltweit gesucht wird.

Samstag, 27. April 2013

Bred Pitt und Zeta- Jones von Mafia bedroht

Wie jetzt erst bekannt wird, hat Brad Pit und seine Kollegen ernsthafte Proble in Sizilien.
Für die Dreharbeiten zu „Ocean’s Twelve“ kamen Brad Pitt und Catherine Zeta- Jones nach Sizilien, um unangenehme Erfahrungen mit der ansässigen Mafia zu machen. Die Polizei nahm 23 Mitglieder eines Clans fest, die versucht hatten, Schutzgeld von der Hollywood- Produktion zu erpressen.


Bred Pit bringt sich mit Polizeischutz in Sicherheit

Wenn Fiktion zur Wirklichkeit wird
Es könnte dem Drehbuch zu einem Mafia- Film entnommen worden sein, was sich in den letzten Tagen rund um die Dreharbeiten zum Nachfolger des Hollywoodfilms "Ocean's Eleven" abspielte. Leinwand- Beau Brad Pitt und die ebenfalls mit Attraktivität reich gesegnete Catherine Zeta- Jones kommen nach Sizilien und werden prompt von Mitgliedern der Mafia erpresst.


Polizeischutz für Zeta- Jones und Pitt
Die Dreharbeiten konnten nur unter einem Großaufgebot an Polizeibeamten fortgesetzt werden, nachdem die vergangenen Tage immer wieder bekannte Mafiosi in der Nähe des Film- Sets gesichtet wurden. Dass es nicht die Bewunderung für Pitt und Zeta- Jones war, die diese dorthin trieb, wurde der Polizei schnell klar. Denn die Männer und Frauen sind bereits schon einmal wegen der Erpressung zahlreicher Unternehmen in der Region Trapani im Westen Siziliens im Gefängnis gelandet.

Zuvor hatte das Team um Regisseur Steven Soderbergh in Rom und am Comer See gefilmt. Für die Dreharbeiten auf Sizilien war die Anwesenheit der restlichen Stars wie George Clooney, Julia Roberts und Matt Damon nicht erforderlich.

NAch Angaben der Carabinieri, sind die beiden Schauspieler jedoch noch nicht sicher, ganz offenkundig sind sie in das Visier der Mafia geraten!

Freitag, 26. April 2013

Italienischer Mafiaboss in Kolumbien festgenommen

Domenico Trimboli arbeitete für kalabrische 'Ndrangheta

Einer der meistgesuchten Mafiabosse Italiens ist der Polizei in Kolumbien ins Netz gegangen. Domenico Trimboli sei nach Hinweisen der italienischen Behörden in dem südamerikanischen Land festgenommen worden, teilte die internationale Polizeiorganisation Interpol am Freitag in Lyon mit. Der 58-Jährige sei einer der mutmaßlichen Chefs einer kriminellen Gruppe, die in Italien in großem Stil Handel mit Kokain und Haschisch betreibe. Er arbeitete demnach für die kalabrische Mafiaorganisation 'Ndrangheta und war Verbindungsmann zum kolumbianischen Medellin-Kartell.


Domenico Trimboli


Der "Pasquale" genannte Trimboli sei ein Mittelsmann der kolumbianischen Drogenkartelle für ihre Geschäfte mit Europa, hiess es. Er stand auf der Liste der gefährlichsten flüchtigen Mitglieder der kalabrischen 'Ndrangheta.

Wird Trimboli an Italien ausgeliefert, muss er eine zwölfjährige Haft antreten, zu der er in Abwesenheit bereits verurteilt wurde. 

Die Mafia vergisst nicht....

Ein bedrückendes Interview mit Roberto Scarpinato






Der sizilianische Anti-Mafia-Staatsanwalt Roberto Scarpinato über die Mafia der weißen Krägen, Palermo als Laboratorium der Ethik, die Verhaftung des Bosses der Bosse, Bernardo Provenzano, den Umgang mit Todesangst und sein hochbewachtes Leben, das dem eines Gefangenen gleicht.


Roberto Scarpinato
 

Frage: Palermo, wo Sie seit fast 20 Jahren arbeiten und leben, ist die Stadt der Mafia und ihrer schlimmsten Verbrechen. Wie ist Ihre Beziehung zu diesem Ort?

Scarpinato: Obwohl es paradox klingt, ist Palermo für mich ein Laboratorium der Ethik. Wäre ich Richter in einer anderen Stadt, könnte ich ein ruhiges Leben führen. Hier musste ich von Tag zu Tag dramatischere Entscheidungen treffen. Ich mache keinen Schritt ohne Eskorte, habe meine Bewegungen auf ein Minimum limitiert. Mein Leben ist dadurch schwieriger, aber auch ethischer geworden. Normalerweise verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse. In Palermo stehen sich Mörder und Opfer direkt gegenüber. Nach Jean-Paul Sartre besteht die Basis ethischen Handelns darin zu wählen, und wir sind das Resultat unserer Entscheidungen. Palermo ist ein Beispiel für die Gültigkeit dieses Gedankens.


Frage: Wie manifestiert sich das im palermischen Alltagsleben?

Scarpinato: Wenn man zum Beispiel Geschäftsbesitzer ist, muss man sich entscheiden, ob man Schutzgeld zahlt. Tut man es nicht, kann man ermordet werden. Zahlt man, macht man sich für den Rest seines Lebens zum Sklaven. Ist man Anwalt, muss man sich entscheiden, ob man jemandem im Namen der Mafia eine Todesbotschaft überbringt oder selbst womöglich umgebracht wird. Man kann als Pfarrer einfach die Messe lesen oder wie Padre Puglisi versuchen, die jungen Männer seiner Gemeinde der Mafia-Kultur zu entreißen. Dann riskiert man, wie er erschossen zu werden. Einem ganz normalen Bürger kann es passieren, dass er auf der Straße Zeuge eines Mordes wird: Er kann dann sagen, er hätte nichts gesehen oder eine Aussage machen, für die er sein Leben aufs Spiel setzt. Palermo zwingt zur Wahl. Hier kann sich niemand heraushalten. Man muss eine klare Entscheidung treffen, ob man auf der Seite der Mörder oder der Opfer steht. Solche Fragen stellen sich in anderen Städten gar nicht.



Pater Puglisi - von der Mafia hingerichtet

Frage: Warum gilt gerade die sizilianische Cosa Nostra als die Mafia schlechthin?

Scarpinato: Ich habe gelernt, dass das Bild der Mafia nicht mit ihrer Realität übereinstimmt. Es stellt Bosse wie Totò Riina und Bernardo Provenzano als ungebildete, brutale Menschen dar, die dem bäuerlichen Milieu entstammen. In Wirklichkeit sind die Capi der Mafia auch Ärzte, Bauunternehmer, Anwälte oder Freiberufler. Leute wie der Chirurg und Primararzt Giuseppe Guttadauro, der 1997 wegen Mafia-Delikten verurteilt wurde. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis haben wir ihn monatelang abgehört und festgestellt, dass am Vormittag Vertreter der palermischen Bourgeoisie und Politik bei ihm ein und aus gingen, ihn um Rat fragten. Am Nachmittag kamen die Killer, Drogenhändler und andere Kriminelle. Er repräsentiert die typische Synthese der mafiösen Realität. Das Hirn der Mafia ist bürgerlich, ihre Schrotflinte proletarisch.



Bernardo Provenzano - Boss der Bosse



Frage: Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Scarpinato: Die Geschichte der Mafia ist Teil der italienischen Machtpolitik. Es geht dabei nicht nur um Regionalpolitiker, sondern auch um solche, die auf nationaler Ebene agieren. Für die italienische Justiz ist bewiesen, dass der siebenmalige italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti bis 1980 Kontakte mit der Mafia hatte. Er kam nach Sizilien, um mit Mafia-Bossen das Problem der Beseitigung eines wichtigen Politikers zu diskutieren: des Präsidenten der Regione Siciliana, der dann 1980 ermordet wurde. Andere wichtige italienische Politiker wurden in letzter Zeit wegen Mafia-Delikten verurteilt. Es geht in Italien also nicht um blutrünstige Bauern-Bosse, sondern um die Mafia der Bourgeoisie, deren Vertreter wichtige öffentliche Positionen bekleiden. Seit der Einigung Italiens 1861 ist die Mafia ein unlösbares Problem der italienischen Politik. Sie ist Teil der Kultur einiger Gruppen innerhalb der herrschenden Klasse. In der Hierarchie standen die Volksmafiosi immer unter der Upper-Class-Mafia, welche die politische Macht im Land besaß.



Ex-Staatspräsident Giulio Andreotti


Frage: Wie kommt es dann, dass der im April nach 43 Jahren Suche verhaftete Boss der Bosse, Bernardo Provenzano, dem bäuerlichen Milieu entstammt?

Scarpinato: Die aus Corleone stammenden Mafiosi wie Provenzano oder Totò Riina haben in dem Jahrzehnt nach dem großen Mafia-Krieg des Jahres 1981, in dem etwa 1.000 Menschen ermordet wurden, ihre Führungsansprüche gegenüber der bürgerlichen Mafia durchgesetzt. Die Corleoneser, die als Sieger aus diesem Krieg hervorgingen, wollten nicht mehr die untergeordnete Rolle spielen. Sie stiegen zwischen 1980 und 1990 groß in den internationalen Drogenhandel ein und gewannen so auch auf dem Finanzsektor gegenüber der bürgerlichen Mafia die Oberhand. All das hat das Gleichgewicht innerhalb der Organisation verändert. 1992 ließen sie den wichtigsten Vertreter der sizilianischen bürgerlichen Mafia, den Europaparlamentsabgeordneten Salvo Lima, umbringen. Lima hatte sein Versprechen nicht gehalten, dass die im Großprozess des Jahres 1986 verurteilten Bosse freikommen würden. Daraus hat sich ein Chaos ergeben, dem 1992 auch die Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zum Opfer gefallen sind. Auf die Blutbäder reagierte der italienische Staat mit der Verhaftung zahlreicher Capi der Corleoneser. Dadurch konnte die bürgerliche Mafia Schritt für Schritt wieder die alte Führungsrolle übernehmen.



Der ermordete  Europa-Abgeordnete Salvo Lima. Er hatte gegenüber der Mafia sein Versprechen nicht gehalten und wurde auf offener Straße liquidiert.



Frage: Heißt das, dass die Verhaftung von Provenzano, die als enorm bedeutender Schlag gegen die Mafia gefeiert wurde, heillos überschätzt wird?

Scarpinato: Provenzano war ein großer Boss der Volksmafia, und seine Verhaftung war wichtig. Aber die Medien haben die Bedeutung dieses Ereignisses übertrieben, indem sie ihn zur Ikone einer archaischen, brutalen und ungebildeten Mafia stilisiert haben. Das ist eine Verfälschung, denn Provenzano repräsentiert nur eines der Gesichter der Mafia. Er stand so stark im Rampenlicht, dass dadurch die Bedeutung der bürgerlichen Mafia, die heute an der Macht ist, in den Hintergrund trat.


Frage: Seine Inhaftierung bedeutet auch für die Anti-Mafia-Arbeit keine Zäsur?

Scarpinato: Nein. Sie ist nur eine Zwischenstation. Die Mafia trägt heute einen weißen Kragen und ist stärker denn je.


Frage: Welche Strategien verfolgt die bürgerliche Mafia? Sind die Massaker vorläufig ausgesetzt?

Scarpinato: Heute muss nicht mehr so viel getötet werden, weil die bürgerliche Mafia wieder sicher an der Macht ist. Wer ihr im Weg steht, wird isoliert. Wenn zum Beispiel ein Journalist unangenehm ist, gibt man ihm einfach keinen Job mehr. Wenn ein Beamter Schwierigkeiten macht, wird er versetzt. Das passiert alles auf demokratischem Wege. Gibt es jedoch Schwierigkeiten, dann schickt man die Killer.


Frage: War der Provenzano-Prozess trotzdem wichtig?

Scarpinato: Es bestand die Gefahr, dass der Prozess zu einem reinen Medienspektakel würde. Und so kam es dann auch.


Frage: Wir sind einigermaßen überrascht, das zu hören.

Scarpinato: Kein Wunder. Es wurde ja auch ganz anders darüber berichtet. Manchmal sagte ich Journalisten ja , dass Provenzano die Mafia ist.


Frage: Wie meinen Sie das?

Scarpinato: Auch ich muss immer wieder die Erwartungshaltung der Medien befriedigen.



Frage: Was würden Sie als Mafioso tun, um vor dem Gesetz sicher zu sein?

Scarpinato: Wäre ich Mafiosi, würde ich in Deutschland investieren. Sie deutschen Gesetze sind zu lasch und stammen zudem aus dem 19. Jahrhundert. Für das dritte Millennium sind die deutschen Gesetze veraltet.


Frage: Was passiert, wenn Sie sagen, was Sie tatsächlich denken?

Scarpinato: Es gibt wichtige politische Kreise in Italien, die bestreiten, dass die Politik etwas mit der Mafia zu tun hat. Viele sind interessiert daran, die Öffentlichkeit im Glauben zu lassen, dass die Welt der Mafia nur die Welt Provenzanos ist. Mir wird vorgeworfen, ich sei ein Richter, der Politik mache, weil ich mit Prozessen gegen wichtige Politiker wie Giulio Andreotti befasst war. Aber es ist ganz klar, dass die Mafia auch ein politisches Problem ist, das nicht allein auf juristischer Ebene gelöst werden kann. Ich gebe Ihnen nur zwei Beispiele: In der Regione Siciliana wurden etwa zehn wichtige Regionalpolitiker wegen Mafia-Delikten angeklagt und sind trotzdem bei den letzten Lokalwahlen wiedergewählt worden. Als sich die neue Regierung von Romano Prodi im Frühjahr formierte, haben die Mitte-rechts-Parteien Giulio Andreotti als möglichen Kandidaten für den Posten des Senatspräsidenten vorgeschlagen, obwohl ein Gerichtsurteil festgestellt hat, dass er bis 1980 enge Beziehungen zur Mafia hatte.


Frage: Aber auch die neueste Literatur über die Mafia, Bücher wie „Cosa Nostra“ des englischen Historikers John Dickie, dem Sie selbst ein Interview gegeben haben, zeichnet schwerpunktmäßig das Bild einer von Provenzano geführten archaischen Mafia.

Scarpinato: Erstens gibt es so etwas wie guten Glauben. Außerdem: Wie schreibt man ein Buch über die Mafia? Man liest die Bücher anderer Autoren, liest die Aussagen von Kronzeugen, die nicht über die eigentliche Mafia reden, und führt Gespräche mit ein paar Richtern, die sagen, dass die Mafia und Provenzano ein und dasselbe sind. Auf diese Weise werden immer wieder dieselben Bücher mit immer denselben Missverständnissen geschrieben. Allerdings gibt es neuerdings bemerkenswerte Autoren, die offenkundig intimen Zugang zur Mafia haben und ein sehr realistische Bild von der Mafia zeichnen.


Frage: Wer sind sie und wo leben sie? Gehört Roberto Saviano dazu?

Scarpinato: Dazu kann und will ich nichts sagen. Sie leben derzeit in Deutschland und Italien..



John Dickie, Mafia-Autor



Frage: Bernardo Provenzano wurde nach 43 Jahren ausgerechnet zwei Tage nach der Wahlniederlage Silvio Berlusconis verhaftet. War das ein Zufall?

Scarpinato: Auf diese Frage kann  und darf ich nicht antworten.


Frage: Der Mafia-Boss Tommaso Buscetta, welcher der erste hochrangige Kronzeuge gegen die Mafia war, hat Richter Falcone in den achtziger Jahren sehr viel über Rituale und Gesten der Volksmafia erzählt. Ist all das inzwischen obsolet?

Scarpinato: Der Fall Buscetta liegt etwas anders. Buscetta hat Falcone gesagt, dass er ihm das, was er über die bürgerliche Mafia wisse, nicht erzählen könne, weil er selbst sonst sofort umgebracht würde und man Falcone, sollte er damit an die Öffentlichkeit gehen, für verrückt erklären würde. Nach Falcones Ermordung hat sich Buscetta – um Falcone zu ehren – entschlossen, über Andreotti zu sprechen und damit den Andreotti-Prozess losgetreten. Alle Kronzeugen außer Buscetta und einer Hand voll anderer haben sich bisher geweigert, Aussagen über die politische Mafia zu machen. Außerdem entstand, nachdem diese wenigen ausgesagt haben, eine enorme Anti-Kronzeugen-Bewegung, die von fast allen politischen Lagern getragen wurde.


 
Der Mafia-Boss Tommaso Buscetta


Frage: Es gibt keine so genannten Pentiti, keine „Reuigen“ mehr, die mit der Justiz zusammenarbeiten?

Scarpinato: Nein. Die wenigen Pentiti, die es noch gibt, sind unbedeutende Figuren und erzählen banale Dinge über Mafia-Delikte.


Frage: Was ist die Ursache dafür, dass es kaum noch wichtige Kronzeugen gibt?

Scarpinato: Es gab jahrelang Pressekampagnen darüber, dass die Linke die Pentiti instrumentalisieren würde. Außerdem wurde das Kronzeugengesetz geändert. Heute muss ein Pentito innerhalb von sechs Monaten nach seiner Verhaftung seine Aussage machen. Danach ist sie nicht mehr gültig. Die Pentiti haben aber Angst zu sagen, was sie über politisch einflussreiche Personen wissen, weil ihnen klar ist, dass ihr Leben und das ihrer Familie staatlichen Organen anvertraut ist, die ihrerseits politischer Einflussnahme ausgesetzt sein könnten. Die einzige Ermittlungsmethode, die uns geblieben ist, ist das Abhören. Jetzt will aber die Politik auch das Abhörgesetz ändern.


Frage: Wie funktioniert die Kooperation zwischen der bürgerlich-politischen Mafia und der Volksmafia?

Scarpinato: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die zwei mächtigsten Männer der bürgerlichen Mafia der achtziger Jahre waren die Cousins Nino und Ignazio Salvo. Sie gehörten zu einer der reichsten Familien Siziliens, Eigentümer von Hotels, Unternehmer. Männer mit weißen Krägen. Sie waren Mafia-Bosse. Sie hatten es nicht notwendig zu töten. 99 Prozent ihrer Geschäfte erledigten sie ohne Gewalt. Wenn sich ihnen aber jemand verweigerte oder sich ein Hindernis auftat, das sich nicht durch Korruption, Erpressung oder politische Einflussnahme beseitigen ließ, haben sie sich an die Volksmafia gewandt und dort einen Mord in Auftrag gegeben. Im Gegenzug ließen sie ihre Kontakte spielen, wenn ein Volksmafioso Schwierigkeiten mit dem Gesetz hatte. Dazu kommt, dass die nächste Generation, die Kinder der Volksmafiosi, Studien abgeschlossen haben und auf diese Weise längst in die Mafia Karriere gemacht haben.




Ignazio Salvo - gehört zu den mächtigsten Mafia-Bossen und zählt noch vor Berlusconi  zu den reichsten Männern Italiens


Frage: Ist der Volksmafioso eine vom Aussterben bedrohte Spezies?

Scarpinato: Nein, es wird ihn geben, solange es Armut gibt. Wir befinden uns nur im Augenblick in einer Phase, in der die bürgerliche Mafia viel mächtiger ist. Die Psyche des bürgerlichen Mafioso ist davon geprägt, mit den Mitteln der Gewalt Politik zu machen. Die Moderne sieht aber für das Bürgertum Gewaltanwendung im politischen Machtkampf nicht vor. Die Postmoderne allerdings hat die Gewalt wieder für sich entdeckt. Es reicht das Stichwort Irak, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Die Postmoderne hat sich also sozusagen nahtlos wieder an die Prämoderne angehängt. Was sich in der Krise befindet, ist die Moderne.


Frage: Amüsieren Sie sich über das Bild der Mafia, das Mafia-Filme oder -serien wie „The Sopranos“ zeigen?

Scarpinato: Das Wissen ist nie unschuldig. Das, was wir in diesen Bildern sehen, ist der mediale Reflex realer Machtrelationen. Die Politik produziert diese Bilder mit, um von ihren eigenen Mafia-Verstrickungen abzulenken. Es ist kein Wunder, dass die Medien das gewünschte Bild aufgreifen.


Frage:: Demnach können Sie sich mit den „Sopranos“ keinen lustigen Abend machen?

Scarpinato: Ich schaue mir lieber Comics an.


Frage: Der Mafia-Boss Luciano Leggio, der Lehrer von Provenzano und Riina, hat sich in seiner Gestik deutlich sichtbar an Marlon Brando in der Figur des „Paten“ orientiert. Das mediale Bild spiegelt also auch zurück in die Mafia?

Scarpinato: Leggio war ein klarer Fall für die Identitätsstörung vieler Volksmafiosi, die immer auf der Suche nach fremden Symbolen, Gesten oder Ritualen sind, die sie sich aneignen können. Die Volksmafiosi suchen immer nach Identifikationsfiguren. Die bürgerliche Mafia kennt dieses Problem nicht. Die, die wirklich mächtig sind, verstecken ihre Macht.


Frage: Wie Sie das System der bürgerlichen Mafia beschreiben, behindert es Ihre Arbeit auf viel hintergründigere Weise, als es noch bis vor zehn Jahren die Volksmafia mit ihren Bomben und Schrotflinten getan hat?

Scarpinato: Ich habe mich als Richter freier gefühlt, als die Volksmafia an der Macht war.


Frage: Obwohl Ihre Todesangst größer war?

Scarpinato: Ja, aber dafür war ich in meiner Arbeit weniger eingeschränkt.


Frage: Woher nehmen Sie den Mut und die Kraft, die Sie für Ihre Arbeit brauchen?

Scarpinato: Ich frage mich das selbst auch oft. Ich weiß es nicht. Es ist gerade eine sehr schwierige Phase.


Frage: Es wurden schon einige Attentatsversuche auf Sie verhindert. Stehen Sie unter ständiger Lebensgefahr?

Scarpinato: Sagen wir, die Gefahr ist immer an die Politik gebunden. Es gibt Zeiten, in denen es nicht günstig ist, einen Staatsanwalt erschießen zu lassen, weil es eine extreme öffentliche und politische Reaktion nach sich zöge. Es gibt aber auch Phasen, in denen mit keiner Reaktion zu rechnen ist. Wenn man mir zum Beispiel jetzt meine Eskorte wegnähme, kann man mich umbringen, indem man einfach so tut, als wäre ich ein normaler Bürger, der das Opfer eines ganz normalen Überfalls geworden ist. Ich habe mir in den letzten Jahren eine schöne Sammlung von Feinden gemacht. Sollte einer von ihnen mich alleine antreffen, würde er mich nicht überleben lassen.



Roberto Scarpinato unter ständiger Bewachung - hier auf dem Weg zum Prozess gegen Provenzano.



Frage: Rechnen Sie damit, eines Tages durch die Mafia zu sterben?

Scarpinato: Die Mafia vergisst nicht. Sie serviert ihre Rache kalt. In besonderen Fällen exekutieren sie Gegner auch noch nach 20 Jahren. Niemand kann sich vor der Mfia verstecken.


Frage: Haben Sie sich an die Todesangst gewöhnt?

Scarpinato: Ich kenne diese Angst seit fast 20 Jahren. Seit ich 1988 von Rom nach Palermo zurückgekommen bin, habe ich hier mit vielleicht sechs oder sieben Menschen privaten Kontakt. Abgesehen davon, verkehre ich nur mit Mördern und mit anderen Richtern.



Ein ermordeter Zeuge vor dem Justizpalast kurz vor seiner Aussage.


Frage: Wie trifft man die Entscheidung für so ein Leben?

Scarpinato: In Rom habe ich ein vollkommen normales Leben als Richter geführt. Dann bin ich nach Palermo gekommen, um mit den Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Anti-Mafia-Pool zusammenzuarbeiten und habe mich plötzlich in diesem Leben wiedergefunden. 1992 sind Falcone und Borsellino ermordet worden. Es ist wie in einer Schlacht: Der eine fällt, der andere hebt die Fahne auf und geht weiter.


Frage: Verbieten Sie sich die Sehnsucht nach einem normalen Alltag?

Scarpinato: Ein Leben mit normalen Beziehungen kann ich nicht haben. Meine Wohnung ist auch deshalb so voll mit Gegenständen und Bildern, weil ich nicht draußen leben kann. Diese Bilder sind meine Fenster zur Welt.


Frage: Würden Sie aussteigen, wenn Sie könnten?

Scarpinato: Ich kann und will nicht aussteigen, ich würde mich wie ein Deserteur fühlen. In gewisser Weise bin ich ein Gefangener.

Italien hat die großen Paten im Visier

Sonderplan gegen das organisierte Verbrechen sieht unter anderem Maßnahmen gegen Giftmüll-Handel und Schutzgelderpessung vor. 

Der italienische Ministerrat hat am Donnerstag einen Sonderplan zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens verabschiedet. Der Plan sieht unter anderem Maßnahmen zur Bekämpfung der finanziellen Interessen der Mafia vor. Stärkere Kontrollen sollen verhindern, dass von der Mafia unterwanderte Unternehmen Zugang zu öffentlichen Bauaufträgen erhalten. Vor allem die Paten will man nun gezielt aufspüren und dingfest machen. 

 

Pietro Sondrini, Schiffeigner für Sondermülltransporte

 Giftmüll-Handel und Schutzgelderpressung

Hinzu werden Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Giftmüll ergriffen, mit dem das organisierten Verbrechens Gewinne in Milliardenhöhe erzielt. In den letzten 5 Jahren wurden bei den Versicherungen der Verlust von 47 Containerschiffen gemeldet, auf denen nachweislich hunderttausende Tonnen von hochgiftigem Industriemüll  aus Italien, Frankreich, insbesondere auch Deutschland und den Niederlanden transportiert worden sind.  Man geht inzwischen davon aus, dass diese Schiffe nicht nur mitsamt den Mannschaften von der Mafia in internationalen Gewässern versenkt  sondern gleichzeitig auch hohe Versicherungssummern kassiert wurden. 

Verstärkter Schutz ist auch für Unternehmer und Kaufleute vorgesehen, die der Mafia Schutzgeld zahlten und ihre Erpresser anzeigen. Außerdem will Italien eine intensive internationale Zusammenarbeit mit anderen Ländern im Kampf gegen die Mafia fördern. Allerdings fühlen sich die italienischen Behörden besonders von der deutschen Justiz im Stich gelassen.

Kernelement des Plans ist die Gründung einer nationalen Agentur, die alle von der Mafia konfiszierten Güter verwalten wird. Gesellschaften, Grundstücke und Häuser, die der Mafia beschlagnahmt werden, sollen von dieser neu eingerichteten Agentur verwaltet werden, die ihren Sitz in der süditalienischen Stadt Reggio Calabria haben wird. Die Agentur soll  garantieren, dass diese nicht wieder in die Hände der Mafia geraten. ...(allein, mir fehlt der Glaube!)

Kampf gegen Schwarzarbeit

Der Ministerrat, der erstmals in der republikanischen Geschichte Italiens in Reggio Calabria tagte, ergriff auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Süditalien. Kontrollen sollen demnächst in 20.000 Landwirtschafts- und Bauunternehmen durchgeführt werden. Damit will man unter anderem Fälle wie jene in der kalabresischen Kleinstadt Rosarno vorbeugen, wo es vor zwei Wochen zu rassistischen Unruhen zwischen Einheimischen und den afrikanischen Saisonarbeitern gekommen war, die massiv in der süditalienischen Landwirtschaft eingesetzt werden. 550 zusätzliche Inspektoren sollen die Kontrollen gegen die Schwarzarbeit durchführen.

Donnerstag, 25. April 2013

Hinrichtung in Florenz

Das historische Zentrum der toskanischen Hauptstadt Florenz eines Doppelmordes.


Mafia-Hinrichtung

In der Nacht wurden zwei Afrikaner mit Schnellfeuerwaffen regelrecht hingerichtet. Sie gehörten zu einem Clan, die mit gefälschter Markenware für die Mafia tätig waren. Offenkundig hatten sie Geschäfte auf eigene Rechnung gemacht und wurden gnadenlos dafür "bestraft". Laut Zeugenaussagen wurden die Opfer, die sich auf der Flucht vor ihren Häschern befanden, von zwei maskierten Tätern in der Altstadt gestellt und erschossen. Die Anti-Mafia-Sektion ermittelt mit Hochdruck.

Vorsicht, Mafia verdient mit!

ADDIO PIZZO

Mit solchen Aufklebern zeigen Hotels, Restaurants und Geschäfte, dass sie kein Schutzgeld an die Mafia bezahlen


Die sizilianische Bürgerinitiative Addiopizzo kämpft gegen das Schutzgeld - ein Gespräch darüber, wie auch Urlauber unwissentlich das Geld der Mafia waschen und was sie dagegen tun können.    

Die sizilianische Bürgerbewegung "Addiopizzo" (Tschüss Schutzgeld) macht sich seit ihrer Gründung 2004 einen Namen im Kampf gegen die Mafia. Unternehmen und Ladenbesitzer, die sich weigern, Abgaben an die Cosa Nostra zu zahlen, machen dies über Addiopizzo demonstrativ bekannt - und zählen auf den Schutz der Öffentlichkeit. Nun bringt die Initiative einen kostenlosen Stadtplan von Palermo speziell für deutsche Touristen auf den Markt. Darin sind alle Geschäfte eingezeichnet, die kein Schutzgeld an die Mafia zahlen.

Ein Gespräch mit Gründungsmitglied Edoardo Zaffuto, der inzwischen auch "mafiafreie" Reisen anbietet, über die Macht der Öffentlichkeit und darüber, wie Touristen unwissentlich das Geld der Mafia waschen.

Frage: Wenn ich ein Glas Wein in einem Restaurant in Palermo bestelle, zahle ich dann an die Mafia?


Edoardo Zaffuto: Wahrscheinlich. In Palermo zahlen noch immer 80 Prozent der Ladeninhaber Pizzo, also Schutzgeld. Damit finanziert der Käufer indirekt die Cosa Nostra, denn die Kosten für das Schutzgeld werden den Konsumenten aufgebürdet.

 Frage: Also unterstützen auch deutsche Touristen die Mafia, ohne es zu wissen?


Zaffuto: Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen in Sizilien und Deutsche reisen gerne hierher. Wenn sie keine Vorschläge für die Wahl eines "sauberen" Hotels oder Restaurants bekommen, geben sie ihr Geld vielleicht dort aus, wo Schutzgeld gezahlt wird. Oder noch schlimmer, sie steigen in einem Hotel ab oder besuchen ein Restaurant, dessen Besitzer ein Mafioso ist und das zur Geldwäsche dient.


Frage: Wie können Touristen für das Mafia-Problem auf Sizilien sensibilisiert werden?


Zaffuto: Die heutigen Urlauber, besonders deutsche, sind aufgeschlossen für verantwortungsvolles Reisen, etwa für "grünen Tourismus".


Wir führen auf Sizilien den ethischen Wert "mafiafrei" ein: Selbst wer nur ein Wochenende auf Sizilien verbringt, kann den Kampf gegen die Cosa Nostra unterstützen, indem er bei Unternehmen bucht und Restaurants besucht, die kein Schutzgeld zahlen. Die Urlauber müssen verstehen, dass eine mafiafreie Gesellschaft nicht nur für Sizilien oder Italien immens wichtig ist, sondern für ganz Europa. Und spätestens seit den Mafiamorden in Duisburg wissen die Deutschen, dass die Mafia auch in ihrem Land aktiv ist. Also sollten alle daran interessiert sein, die Mafia dort zu bekämpfen, wo sie verwurzelt ist.

Ohne Schutzgeld geht in Portici nichts...!

Italienische Sondereinheiten haben bei Neapel einen Mafia-Clan zerschlagen, der mit einem abgestuften "Schutzgeld"-System die gesamte 46.000-Einwohner-Stadt Portici überzogen hatte: Wer etwa Friedhofsblumen verkaufte, der musste dem Vollaro-Clan 250 Euro "pizzo" jeden Monat hinblättern, die Läden an den Hauptstraßen bezahlten zwischen 500 und 2000 Euro. Auf diese ausgeklügelte Erpressungsmaschine der Camorra sind die Carabinieri gestoßen. Sie zerschlugen in der Nacht gemeinsam mit Militäreinheiten den gefürchteten Clan und nahmen 32 mutmaßliche Camorra-Mitglieder fest, berichteten italienische Medien am Mittwoch.
Großeinsatz in Portici

Selbst die fliegenden Straßenhändler kamen nicht darum herum, in der Woche 30 bis 40 Euro "Schutzgeld" zu zahlen, wollten sie ihren Geschäften in Ruhe nachgehen. Auch wer sein Boot im Granatello-Hafen der Stadt vertäut hatte, war aufgefordert, ein "Extra" bei der Mafia abzuliefern. Die Mafia hatte drei feste Tage im Jahr, an denen sie nochmals auf "Spendenjagd" ging, um etwa einsitzenden Mafiosi damit "Geschenke" zu machen - zu Weihnachten, Ostern und Ferragosto (Mariä Himmelfahrt). Wer nicht zahlte, den trafen Anschläge. So erging es in Portici einem bekannten Restaurant, das daraufhin schließen musste. 

Die kalabrische ´Ndrangheta

Lange Zeit stand die ´Ndrangheta – der kalabrische Arm der Mafia – im Schatten der sizilianischen Cosa Nostra. Doch im Zuge der Fahndungserfolge in Sizilien seit Beginn der 90er Jahre hat sich das Blatt gewendet.

Heute gilt die ´Ndrangheta mit einem geschätzten „Jahresumsatz“ von1 35 Milliarden Euro pro Jahr als eine der mächtigsten Mafiaorganisationen Europas. Entsprechend ausgeweitet hat sich auch das Betätigungsfeld, längst haben die Mafiosi die schwer zugänglichen Bergregionen Kalabriens verlassen und sind in Deutschland, Frankreich und Belgien tätig, sogar bis in die USA reicht ihr Aktionsradius. Als Spezialgebiet der ´Ndrangheta nennen Fahnder immer häufiger den Kokainhandel.
 
Razzia in San Lucca


7000 Mann in 100 Familienclans
Die Wurzeln der Organisation reichen bis ins 19. Jahrhundert. Angeblich leitet sich das Wort ´Ndrangheta vom griechischen „andragathos“ ab, was „tapferer Mann“ bedeutet.

Inoffiziellen Angaben italienischer Ermittler zufolge stehen etwa 7000 Mann im Dienst der ´Ndrangheta, unterteilt in etwa 100 Familienclans. Die traditionell mächtigsten Familien stammen noch immer aus der Hochburg San Luca.


Kokainhandel: Kalabrier stellen kolumbianische Kartelle in den Schatten
Die europäischen Drogenfahnder zählen die ´Ndrangheta mittlerweile zu den mächtigsten Gruppen im europäischen Kokainhandel. Es heißt, die Organisation habe bereits die kolumbianischen Drogenkartelle in den Schatten gestellt. Weitere Einnahmequellen seien Geldwäsche, Waffenhandel und Erpressungen.

Wie stark die ´Ndrangheta aber immer noch ihrer Heimat verbunden ist, beweisen jüngste Zahlen, nach denen 70 Prozent aller Unternehmer in Kalabrien den verhassten „pizzo“, das Schutzgeld, zahlen sollen. Die restlichen 30 Prozent der Unternehmen und Geschäfte befinden sich direkt in der Hand der Mafia.

 

Mittwoch, 24. April 2013

Gericht verringert Strafen gegen 'Ndrangheta-Mitglieder

Die Urteile gegen 110 Mafiosi wurde von einem Berufungsgericht in Mailand bestätigt. Das Strafmass wurde jedoch bei 40 Angeklagten gelockert.




Ein Berufungsgericht in Mailand hat die Verurteilung von 110 Mitgliedern der berüchtigten Mafia-Organisation 'Ndrangheta bestätigt. Es verringerte die im November 2011 in erster Instanz verhängten Strafen allerdings bei 40 Angeklagten leicht.

Das Gericht lockerte am Dienstag die Strafe für Cosimo Barranca, der als Chef des Mafia-Clans in Mailand gilt. Er muss statt 14 nur zwölf Jahre hinter Gitter, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete.

Cosimo Barranca


Den 110 Verurteilten wurden Verbrechen in der norditalienischen Region Lombardei zur Last gelegt. Die 'Ndrangheta ist eigentlich im süditalienischen Kalabrien ansässig, sie dehnte ihre Aktivitäten jedoch zusehends auf den Norden des Landes aus.

In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich die 'Ndrangheta zur mächtigsten und berüchtigtsten der vier Mafia-Organisationen in Italien, zu der auch noch die Camorra in der Gegend um Neapel, die Cosa nostra in Sizilien und die Sacra corona unita im südöstlichen Apulien gehören.Die apulische Sacrta Corona ist bekannt dafür, dass sie Verräter und Gegner mit äußerster Grausamkeit liquidiert.




Die Verästelungen der 'Ndrangheta, die insbesondere im Handel mit Kokain und anderen Drogen aktiv ist, reichen bis nach Deutschland, Kanada oder Australien. Die Mafia-Organisation setzt Schätzungen zufolge 140 Milliarden Euro um.

Dienstag, 23. April 2013

Liquidierung eines Bauunternehmers. Er zahlte kein Schutzgeld

 Das Verbrechen wurde am 20. April 2011 um 05.30 Uhr begangen.

In der Bar "Mina" im Zentrum von Reggio di Calabria, wurde der am 11. Oktober 47 geborene Bau-Unternehmer Giulio di Morena erschossen, als er die Bar betrat. Der Mörder benutze, wie so oft, eine halbautomatische Pistole. Er traf sein Opfer drei Mal in den Kopf und ein Mal in den Hals. Der Körper wies außerdem weitere Einschüsse auf. Das Opfer sackte in der Bar leblos in sich zusammen.





Die Liquidierung wies alle Merkmale eines Profikillers der Mafia auf, der sein Opfer direkt von vorne erschoss. Die Tat wurde am Corso Garibaldi verübt und wurde mit äußerster Kaltblütigkeit durchgeführt.


Giulio di Morena, das Opfer, war selbst mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, weil man ihm Mafia-Kontakte unterstellte. Er wurde 2005 unter Arrest gestellt, jedoch kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch der Besitzer der Bar, die das Opfer nur für einen Kaffee betreten hatte, wurde von einer Feuersalve getroffen. Er überlebte mit schweren Verletzungen. Wie sich herausstellte, hatte sich das Opfer geweigert, dem örtlichen Mafia-Clan das regelmäßige Schutzgeld zu entrichten. Nach Zeugenaussagen wurde Di Morena zwei Mal in der Bar gewarnt, hatte sich jedoch nicht einschüchtern lassen. Nun wird befürchtet, dass noch weitere Übergriffe auf dessen Familie erfolgen könnten.