Mittwoch, 31. Dezember 2014

Schweizer zahlt 4000 Franken an Sex-Betrügerin

Ein Zürcher wird mit einem Sex-Video erpresst. Die Betrüger drohen, alles auf Facebook zu stellen. Er sorgte sich um die Beziehung zu seiner Frau und zahlte.

Roger S.* aus dem Kanton Zürich ist verzweifelt. Seit rund drei Wochen wird er von einer Sexmafia in der Elfenbeinküste erpresst. Anfang Dezember bekam er von einer hübschen jungen Frau eine Facebook-Freundschaftsanfrage. Als er diese annahm, schrieb sie ihm kurz darauf über den Messenger: «Ich finde dich heiß, du gefällst mir.»

Dann bat die Schönheit den verheirateten Mann, über Skype mit ihr in Kontakt zu treten. Als der annahm, ging alles Schlag auf Schlag: Die junge Frau zog sich im Videotelefonat aus, befummelte sich lasziv und forderte Roger S. auf, es ihr gleich zu tun. «Ich bin schwach geworden und habe kurz mitgemacht», sagt S. heute beschämt.





Sofort Anzeige bei der Polizei erstatten

Kurz darauf wurde ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Rechnung dafür präsentiert. «Ich bekam ein Erpressermail mit einem Video, in dem man sah, wie ich mich entblösste und befriedigte.» Die Frau forderte ihn auf, ihr Geld zu überweisen, sonst werde sie den Film unter seinen Facebook-Freunden verbreiten. Roger S. fürchtete, die Beziehung zu seiner Frau werde einen Riss erhalten und schickte mehrmals Geld via Western Union in die Elfenbeinküste. «Insgesamt bereits 4000 Franken.»

Erst als er kein Geld mehr hatte, wandte er sich mit einem Hilferuf an 20 Minuten. Mittlerweile sind die Forderungen auf 20‘000 Franken gestiegen. Und Roger S. ist nicht das einzige Sex-Opfer: Gemäß der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) gingen wieder vermehrt Meldungen von Bürgern ein, die mit Sexbildern oder Videos erpresst werden. Roger M. müsse sofort aufhören zu zahlen und bei der Polizei Anzeige erstatten, rät Kobik.


«Der Frau muss er von seinem Fehltritt erzählen»

Dies bestätigt auch Claudia Gada, Projektleiterin beim Verein Zischtig.ch. «Die Erpressungsversuche hören erst auf, wenn man nicht mehr zahlt.» Sie rät zudem, alle Beweise aufzubewahren, damit die Polizei eine Handhabe gegen die Erpresser habe. Die Anzeige sei mit Scham verbunden, aber man müsse sich überwinden.

Zum Video sagt Gada, dass dieses in der Regel veröffentlicht werde. «Das Risiko, dass sein Umfeld davon erfährt, liegt aber bei etwa 50 Prozent», so Gada. Man habe darum die Möglichkeit, sein Umfeld via Mail oder Facebook-Post vorzuwarnen, könne dies aber auch unterlassen.


Seiner Frau müsse er aber von seinem Fehltritt erzählen, sagt Paartherapeut Henri Guttmann. «Er soll in die ehrliche Offensive gehen. Damit wirkt er glaubwürdiger, als wenn er alles zu vertuschen versucht.» Die Frau werde sich durch seine Handlungen verletzt fühlen, weil es für sie ein reales Fremdgehen darstelle. Darum müsse er dies klären und eine Versöhnung anstreben. Guttmann: «Das lässt sich wieder ganz machen, manchmal braucht es aber eine Fachperson, die das begleitet.»
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Dienstag, 30. Dezember 2014

Chef der Kölner Bau-Mafia verurteilt

Das Bonner Mammutverfahren gegen sechs Mitglieder einer Kölner Bauarbeiter-Mafia war ursprünglich bis ins neue Jahr terminiert. Dann aber kamen überraschende Geständnisse. Montag wurde der Chef zu über drei Jahren Haft verurteilt.

Das Bonner Mammutverfahren gegen sechs Mitglieder einer Kölner Bauarbeiter-Mafia war ursprünglich bis ins neue Jahr terminiert. Dann aber kamen überraschende Geständnisse, die den aufwendigen Prozess verkürzten, so dass die 9. Wirtschaftsstrafkammer nach 23 Verhandlungstagen und damit kurz vor Jahresschluss noch ihr Urteil verkünden konnte.

Ins Gefängnis muss demnach nur der einstige Chef einer Kölner Rohbaufirma: Wegen Schwarzarbeit, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, Betruges sowie Steuerhinterziehung in insgesamt 312 Fällen wurde der 42-Jährige zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Fünf mitangeklagte Helfer zwischen 43 und 60 Jahren kamen mit Bewährungs- und Geldstrafen davon.




Bereits am ersten Prozesstag war der selbstbewusste Charme des Hauptangeklagten aufgefallen, der, so Kammervorsitzender Marc Eumann, „als Menschenfänger, aber auch Menschenfreund“ auftrat und die Fähigkeit hatte, „andere emotional an sich zu binden. Die waren ihm zu Diensten und zum Nutzen.“ Mit dieser charismatischen Begabung habe der „Leader“ ein hoch kompliziertes Netz von verschiedenen Subunternehmen zwischen Köln, Düsseldorf, Euskirchen, Witten und München entwickelt und „wie eine große Spinne“ die kriminellen Geschäfte gesteuert.

Innerhalb von dreieinhalb Jahren wurde – bis das System im Oktober 2013 endgültig aufflog – ein Mindestschaden von 4,5 Millionen Euro angerichtet, wobei die Finanzbehörden und die Sozialkassen, so Eumann, sicherlich höhere Forderungen haben dürften. Dabei galt der 42-Jährige, der 1992 als Kriegsflüchtling aus Bosnien gekommen war, immer als der „gute Mensch von Erftstadt“, der anderen durchaus auch geholfen hat.

Alle, die mit und für ihn gearbeitet hatten, hätten profitiert. „Es ist ein eher atypischer Fall“, so der Kammervorsitzende im Urteil, weil keine Ausbeutung von Schwarzarbeitern stattgefunden habe. „Er hat zwar Schwarzarbeiter beschäftigt, sie aber alle gut bezahlt.“ Es habe legitime Aufträge gegeben, so Eumann, nur dass der Arbeitsumfang deutlich niedriger angegeben wurde, als die Männer am Bau tatsächlich gearbeitet haben. So erhielten sie einen Mix aus legalem (60 Prozent) und illegalem (40 Prozent) Lohn.

Die fünf Helfer hatten ihre klaren Rollen und haben mitgeholfen, das betrügerische System systematisch zu verschleiern. Der eine war für die gesamte Administration zuständig, ein zweiter war der IT-Fachmann, ein dritter trat als Kontaktmann zu den Auftraggebern auf. Schließlich gab es einen, der den Geschäftsführer gemimt hat, auch wenn er nichts zu sagen hatte. Als Bewährungsauflagen wurden ihnen Sozialstunden in unterschiedlicher Höhe auferlegt, die sie entweder im Grünflächenamt oder in der Spülküche eines Altenheimes ableisten sollen.
Die betrügerische Baufirma war für Rohbauten zahlreicher Großprojekte in Köln und Düsseldorf beauftragt gewesen. In Bonn soll sie unter anderem für den Wohn- und Technologiepark in Vilich-Müldorf zuständig gewesen sein; auch für eine Siedlung in Plittersdorf war sie als Rohbaufirma engagiert.


Dienstag, 23. Dezember 2014

Polizei zerschlägt faschistische Zelle

Von Stefan Ulrich

Einer Spezial-Einheit der italienischen Polizei ist ein schwerer Schlag gegen Neofaschisten gelungen. 44 Menschen stehen unter Verdacht, sie sollen Terroranschläge geplant haben.
 Die Neofaschisten waren offenbar kurz davor, zuzuschlagen. Erst vor kurzem war in Rom eine von Neofaschisten durchsetzte Mafia-Gruppe aufgeflogen.




Der italienischen Justiz ist ein schwerer Schlag gegen eine neofaschistische Terrorgruppe gelungen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die demokratische Ordnung zu zerstören. Die für den Staatsschutz zuständige Spezial-Einheit der Carabinieri Ros nahm am Dienstag bei Razzien im ganzen Land 14 Menschen fest. Mindestens 50 Gebäude wurden durchsucht.


Attentate auf Politiker, Bahnhöfe, Banken, Polizeistationen geplant

Die Staatsanwaltschaft der Stadt L'Aquila, die die Untersuchungen leitet, ermittelt gegen 44 Verdächtige. Sie wirft ihnen vor, die öffentliche Ordnung in Italien durch Terroranschläge destabilisieren zu wollen. Laut den Ermittlern wollte die Gruppe namens "Avanguardia Ordinovista" (Avantgarde der neuen Ordnung) zeitgleich mehrere Politiker und hohe Justizbeamte ermorden. Zudem waren Attentate gegen Bahnhöfe, Banken, Polizeistationen, Präfekturen und Dienstgebäude der Steuereinzugsbehörde Equitalia geplant. Offenbar standen die Extremisten kurz davor zuzuschlagen. Die Carabinieri stellten zahlreiche Schusswaffen sicher.


Propaganda auf Facebook

Informationen der Nachrichtenagentur Ansa zufolge verfolgten die Neofaschisten eine Doppelstrategie. Sie wollten zuerst durch Attentate den Staat schwächen und dann mit einer eigenen Partei bei Wahlen antreten, um so in Machtpositionen zu gelangen. Einer der Anführer der Gruppe soll ein ehemaliger Carabiniere namens Stefano M. sein, der ebenfalls festgenommen wurde. Die Neofaschisten verfassten rassistische Propaganda im Internet, unter anderem auf Facebook, und versuchten, sich auch im Ausland weitere Waffen zu beschaffen. Außerdem wollten sie sich in ihrem Kampf gegen den demokratischen Staat mit anderen Gruppen der extremen Rechten zusammenschließen. Die Behörden ermitteln seit 2013 gegen die Bande. Unter anderem gelang es zwei Carabinieri, sich in die Gruppe einzuschleichen.


Von Neofaschisten durchsetzte Mafia in Rom aufgeflogen

"Der Neofaschismus ist in Italien und in Europa leider eine Realität, die wir nicht unterschätzen dürfen", kommentierte Riccardo Pacifici, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Rom, die Festnahmen. Erst vor Kurzem war in der italienischen Hauptstadt.eine von Neofaschisten durchsetzte Mafia-Gruppe in Rom aufgeflogen. Deren Kopf war ein früherer Rechtsextremist. Das Vertrauen der Italiener in ihre Institutionen wurde durch diese Enthüllungen weiter erschüttert.


Die jetzt aufgedeckte Terrorgruppe wollte offenbar an die rechtsterroristische Vereinigung "Ordine Nuovo" anknüpfen, die im Jahr 1973 verboten worden war. Eines der Ziele des Ordine Nuovo war es, die faschistische Partei des früheren Diktators Benito Mussolini wiederaufleben zu lassen. Mitglieder der Gruppe waren an mehreren schweren Terroranschlägen mit etlichen Toten beteiligt. Die Attentate waren Teil einer sogenannten Strategie der Spannung, durch die verschiedene extremistische Gruppen den italienischen Staat destabilisieren wollten, um dann durch einen Putsch ein autoritäres Regime in Rom zu installieren.

http://www.sueddeutsche.de/politik/italien-polizei-zerschlaegt-faschistische-zelle-1.2278429
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Montag, 22. Dezember 2014

Italienischer Abgeordneter wegen Waffenschmuggel verhaftet

Der ehemalige Abgeordnete der Berlusconi-Partei Forza Italia, Massimo Romagnoli, soll versucht haben Waffen an die kolumbianische FARC-Guerilla zu verkaufen. Am vergangenen Dienstag konnte er in Montenegro festgenommen werden. Romagnoli stand ebenfalls in Kontakt zu einem Mafiosi in Deutschland.


 Massimo Romagnoli


Anklage erhebt der New Yorker Bundesstaatsanwalt Preet Bharara. Romagnoli sei demnach ein “Waffenhändler mit Sitz in Griechenland, der fähig ist gefälschte Zertifikate für Militärwaffen zu besorgen.” Gemeinsam mit dem rumänischen Waffenhändler Cristian Vintila und dem rumänischen Mittelsmann Virgil Georgescu sei Romagnoli in die Vorbereitung und Ausführung eines terroristischen Aktes gegen die USA verwickelt. Zu dritt hätten sie am 8. Oktober versucht Waffen, darunter auch Maschinengewehre und Luftabwehrraketen an die FARC zu verkaufen.

Virgil Georgescu

 Cristian Vintila


Tatsächlich aber waren es keine Mitglieder der FARC-Guerilla sondern Ermittler der amerikanischen Drug Enforcement Agency (Dea) mit denen Romagnoli und seine Kumpanen verhandelten. Diese gaben sich bei einer Undercoveroperation als Guerilleros aus und trafen am 8. Oktober Romagnoli, Vintila und Georgescu in Tivat, Montenegro.

Laut Ermittler, gab Romagnoli während des Treffens damit an, er könne die Zertifikate für die gewünschten Waffen besorgen, außerdem zeigte er ein gefälschtes Zertifikat. Daraufhin erklärte Georgescu, dass sie die Waffen in ein afrikanisches Land bringen würden, von dort aus müsste die FARC den Transport nach Kolumbien selbst organisieren. Romagnoli zeigte einen Katalog, der die Waffen enthielt, die er liefern könne. Er sagte, er habe diese auch schon an andere Kunden verkauft.

Romagnoli, der seit 1989 in Athen lebt, ist Unternehmer und Politiker: Er war einst für die internationale Entwicklung von Solar- und Windkraftanlagen der Ökofirma ENERGETICA verantwortlich. Deren Eigentümer, denen zur Zeit ein Prozess wegen Betruges gemacht wird, standen über Ecken in Kontakt zu Vito Nicastri, der nach Meinung der italienischen Antimafia-Behörde einer wichtigste Alliierten Geschäftsmänner des Mafia-Clans von Alcamo ist. Der Hintermann des Clans: einer der meistgesuchte Kriminellen der Welt, der Boss der Bosse der Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro.

2006 wird Romagnoli in Berlusconis Partei Forza Italia gewählt, auch Dank der 8700 Stimmen, die er aus Deutschland  erhalten hat. Doch es bestehen Zweifel, ob diese legal gewonnen wurden, denn bei Romagnolis Wahlkampf wurde er in Deutschland, im Raum Köln, von einem gewissen Calogero D. unterstützt. Calogero D. ist jedoch nicht irgendwer: Er ist gebürtig aus Sizilien und war früher Fahrer eines Mafiabosses. Als er sich von einem Mafiakrieg bedroht sah, wurde Calogero D. Kronzeuge und verbüßte eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. 

Danach zog er nach Deutschland und wurde Teil der westfälischen Baufirma. Genauer gesagt: Er war einer der Männer im Hintergrund, also einer, der die Fäden zog. 2013 wurde er in Köln festgesetzt und kollaboriert seither teilweise mit der deutschen Justiz. Er räumt ein, er habe Stimmen der Auslanditaliener für Abgeordnete im römischen Parlament aufgetrieben. Die Beamten fanden Romagnolis Visitenkarte bei Calogero.  Nach eigener Aussage war er mit Romagnoli einige Tage auf Wahlkampftournee.

Für die Mafia lohnt es sich, einem Mann wie Massimo Romagnoli einen Gefallen zu tun, denn der Politiker könnte zum Beispiel helfen, dringend benötigte Reisedokumente zu besorgen. Ob Romagnoli der Mafia Gegenleistungen für den Stimmenfang verschafft hat bleibt unklar. In einem Gespräch gab der Ex-Abgeordnete zwar zu, mit Calogero D. in Kontakt gewesen zu sein. Aber er habe Calogero D. oder dessen Freunden nie bei Passangelegenheiten geholfen.

Calogero D. hingegen behauptete vor den deutschen Beamten das Gegenteil: Romagnoli habe ihm geholfen für einen Kumpanen der Baumafia einen Reisepass zu organisieren.


Heute sitzt Romagnoli gemeinsam mit Vintila und Georgescu in einem Gefängnis in Montenegro und wartet auf seine Auslieferung in die USA. Dort droht ihm eine lebenslange Haftstrafe wegen Terrorismus.
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Samstag, 20. Dezember 2014

Schlag gegen organisierte Kriminalität in Lörrach

Bei einer Großaktion haben Polizisten in Lörrach zwei Mitglieder der rockerähnlichen Gruppierung United Tribuns festgenommen. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten am Donnerstag mit, Kripobeamte hätten bei ihren Ermittlungen monatelang vier Männer im Alter zwischen 19 und 34 Jahren in den Fokus genommen. Sie sollen im Raum Lörrach Bar-Betreiber um Schutzgeld erpresst haben.




Bei der großangelegten Razzia am Montag, zu der auch Spezialkräfte und Diensthunde eingesetzt wurden, seien sieben Objekte durchsucht und umfangreiche Beweismaterialien sichergestellt worden. Gegen zwei Männer ergingen Haftbefehle. Die Ermittlungen dauern an.

In Pforzheim war die Türsteher-Clique der United Tribuns im Mai 2011 durch eine Massenschlägerei mit den Rockern der inzwischen verbotenen Pforzheimer Hells Angels auf dem Güterbahnhofgelände. Rund 40 Personen schlugen auf einem Parkplatz mit Macheten und Baseballschlägern um sich, ein Verletzter schwebte in Lebensgefahr – und es fiel ein Schuss aus einer scharfen Waffe.

Inzwischen ist es nach dem Verbot der Hells Angels und der Selbstauflösung der Black Jackets in Folge von Gerichtsverhandlungen gegen führende Köpfe sowie nach dem Rückzug der United Tribuns aus dem Rampenlicht im Bereich der Bandenrivalitäten etwas ruhiger geworden.
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Freitag, 19. Dezember 2014

Skandal um Mafia in Rom: 100 Millionen Euro beschlagnahmt

Die italienische Polizei hat bei dem vor zwei Wochen festgenommenen Unternehmer Cristiano Guarnera Immobilien, Unternehmensbeteiligungen und Grundstücke konfisziert.




Rom. Der Mafia-Skandal, der seit Wochen die Gemeinde Rom erschüttert, zieht weitere Kreise. Die italienische Polizei hat bei dem vor zwei Wochen festgenommenen Unternehmer Cristiano Guarnera 178 Immobilien, drei Grundstücke und Unternehmensbeteiligungen in einem Gesamtwert von 100 Millionen Euro beschlagnahmt, berichteten italienische Medien am Freitag.

Der Unternehmer hatte enge Verbindungen zum ehemaligen rechtsextremistischen Terroristen Massimo Carminati, Drahtzieher des Skandals. Die mafiöse Organisation um Carminati soll öffentliche Ausschreibungen manipuliert und staatliche Gelder, die unter anderem für Flüchtlingsheime und legale Roma-Siedlungen gedacht waren, veruntreut haben. Neben der Bildung einer mafiösen Vereinigung werden den Verdächtigen auch Erpressung und Geldwäsche zur Last gelegt. 45 Personen wurden bisher festgenommen, insgesamt wird gegen 100 Personen ermittelt.

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Frau in Säure aufgelöst: Lebenslang für Mafiosi

Das Kassationsgericht in Rom, die letzte und dritte Instanz in der italienischen Strafgerichtsbarkeit, hat die lebenslange Strafe für vier Mafiosi bestätigt.
Sie wurden schuldig erkannt, 2009 in der Nähe von Monza eine Frau getötet und ihre Leiche in Säure aufgelöst zu haben. Das Opfer, Lea Garofalo, hatte mit der Justiz zusammengearbeitet.

Lea Garofalo



Insiderinfos über ’Ndrangheta

Schon Lea Garofalos Vater und ihr Bruder waren im Rahmen einer Fehde unter rivalisierenden Mafia-Clans getötet worden. Die Frau hatte den Staatsanwälten Informationen über die ’Ndrangheta, die Mafia in der süditalienischen Region Kalabrien, geliefert.


Von Freund in Falle gelockt

Zu lebenslanger Haft wurde Lea Garofalos ehemaliger Lebensgefährte und Vater ihrer 20-jährigen Tochter verurteilt, berichteten italienische Medien. Die Frau war nach ihrer Aussage vor den Justizbehörden zwar in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden, ihr früherer Lebensgefährte Carlo Cosco lockte sie aber über die gemeinsame Tochter aus ihrer Deckung und tötete sie.


Carlo Cosco



Die Tochter hatte als Nebenklägerin gegen ihren Vater vor den Richtern ausgesagt. Für einen fünften Angeklagten wurde eine Haftstrafe von 25 Jahren bestätigt. Der Fall hatte wegen seiner Grausamkeit die italienische Öffentlichkeit entsetzt.
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Der lange Arm der Mafia

Mit Gift- und anderem Müll verdient das italienische Verbrecherkartell Milliarden




Der Europäische Gerichtshof hat Italien wegen seiner nicht durchgesetzten Richtlinien über Mülldeponien eine Geldbuße von 40 Millionen Euro aufgebrummt. Weitere 42,8 Millionen Euro werden für jedes Halbjahr Verspätung fällig. Beanstandet wird, dass kein funktionierendes System der Abfallentsorgung besteht, um Müll umweltschonend und ohne Gesundheitsgefährdung zu beseitigen.

Anfang Dezember hatte die italienische Polizei in Rom und der Provinz Latium 37 Personen aus Politik und Wirtschaft verhaftet. Ihnen wird einem Bericht der Nachrichtenagentur ANSA zufolge vorgeworfen, Mitglieder oder Komplizen der Mafia zu sein. Gegen 100 weitere Personen leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, darunter gegen den früheren neofaschistischen Bürgermeister der Hauptstadt, Giovanni Alemanno.

Die Ermittlungen in Rom bestätigen, was seit langem bekannt ist: Die Mafia verdient Milliarden nicht nur mit Drogenhandel, Schutzgelderpressungen oder durch illegale Geschäfte im Agrarsektor. Sie kassiert immense Summen auch mit Müll. Das römische Verbrecherkartell beherrscht die gesamte Müllentsorgung der Hauptstadt. Seit 2007 hatten EU-Inspektoren in Rom eine »katastrophale Lage« und »Missmanagement« kritisiert, also in der Bürgermeister-Amtszeit Alemannos (2008-2013), einer, wie jetzt enthüllt wurde, zentralen Figur des Verbrecherkartells. 

Unweit von Rom, auf dem Weg zum Meer, befand sich eine berüchtigte, »Malagrotta« genannte Mülldeponie, die als die größte Europas galt. Auf 250 Hektar wurden dort – was nach EU-Richtlinien verboten ist – täglich fünftausend Tonnen unbehandelter Stadtmüll abgeladen. Der süßliche Gestank der verrotteten Abfälle stieg in die Luft. Die Gegend ist auf lange Zeit verseucht, es drohen schwere Gesundheitsschäden. Alemanno weigerte sich, Abhilfe zu schaffen. Erst nach dem Amtsantritt des neuen Bürgermeisters Ignazio Marini von der Demokratischen Partei (PD) wurde der Abfallberg im Januar 2014 geschlossen.

Besonders im Süden des Landes beherrscht die Mafia das Geschäft auch mit dem Müll, vor allem mit dem giftigen Arsen, mit Asbest, Schwermetallen und Lösungsmitteln, darunter auch radioaktiven und andere toxischen Stoffen aus Krankenhäusern. Das bringt Milliarden und, wie Experten meinen, bereits mehr als der Umsatz im Drogenhandel. Einen Einblick gab der Antimafia-Publizist Roberto Saviano schon vor Jahren in seinem Reportage-Roman »Gomorrha« und in dem gleichnamigen, weltweit bekannt gewordenen Film. Er schilderte das Treiben des Casalesi-Clans der Camorra bei Neapel, der sich auf den Handel mit Giftmüll spezialisiert hat. 


Im März 2015 erscheint der authentische Mafia-Thriller
der in dramatischem Plot Das Müll-Desaster zum Thema hat


Ein Teil wird in Flüssen und Feldern versenkt bzw. vergraben. In einem Kalksteinbruch bei Caserta unweit von Neapel wurden 200.000 Tonnen Giftmüll entdeckt, der bereits in das Grundwasser eingedrungen war, mit schweren Schäden für die Landwirtschaft. Der Clan verbrannte Millionen Tonnen oft giftiger Industrieabfälle. Viele Deponien wurden regelmäßig in Brand gesetzt, um Spuren zu verwischen. Berlusconi erklärte als Regierungschef das Problem 2008 zu seiner Chefsache, geändert hat sich nichts. Experten führen das darauf zurück, dass der Medienmonopolist selbst der Komplizenschaft mit der Mafia verdächtigt wird.

Aber auch der Norden gerät zunehmend in die Hände der Müllmafia. »Giftmüll ist unter dem Asphalt verborgen«, berichtete die römische Zeitung Repubblica und vermutete brisante toxische Funde unter der Autobahn A4 von Brescia nach Mailand. Hunderte Tonnen sollen dort bei ihrem Bau vor 25 Jahren mit Teer zugeschüttet worden sein. In Prato entdeckte der Chef der nationalen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft, Franco Roberti, im Dezember vergangenen Jahres, dass Mafiosi aus Neapel dort Giftmüll verscharrten. Bis dahin hatten sie ihn immer nach Süden gekarrt. Nun sparten sie die Transportkosten und entsorgten Blei, Arsen und Dioxin gleich in der Stadt bei Florenz. Der Bürgermeister von Prato, Roberto Cenni, versuchte, den Skandal wegen befürchteter Auswirkungen auf den Tourismus, zu vertuschen.
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Donnerstag, 18. Dezember 2014

Renzi schreckt vor der Macht der Mafia zurück

Korrupte Politiker kommen in Italien meist ungeschoren davon. Ein Vorstoß der Regierung für härtere Strafen wird daran kaum etwas ändern.




Vor zwei Wochen ist in der italienischen Hauptstadt ein schockierender Korruptionsskandal aufgeflogen. Seither vergeht kein Tag, an dem die Öffentlichkeit nicht neue haarsträubende Details über die Machenschaften der «Mafia Capitale» erfährt. Die Gruppe um den früheren rechtsextremen Terroristen Massimo Carminati hatte hinter den Kulissen in Rom offenbar über ein Jahrzehnt lang die Fäden gezogen.


«Mafia Capitale»

«Mafia Capitale» bestach einflussreiche Politiker und Beamte und verschaffte befreundeten Firmen und Organisationen dadurch lukrative Aufträge zum Beispiel im Bereich der Abfallentsorgung oder der Unterbringung von Flüchtlingen. Nicht selten wurde auch kassiert, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden.

Der 56-jährige Carminati und 36 weitere Personen wurden am 2. Dezember verhaftet. Gegen Dutzende weitere wird ermittelt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht vor allem der frühere rechtskonservative Bürgermeister Roms, Gianni Alemanno, unter dem die Mafia 2008 bis 2013 freie Hand gehabt zu haben scheint. Die Ermittler haben warnend darauf hingewiesen, dass man erst am Anfang einer langen Untersuchung stehe.

Anfang dieser Woche sind sechs weitere Personen verhaftet worden, unter ihnen drei Angehörige der Marine. Sie sollen vom Staat über sieben Millionen Euro einkassiert haben, um Treibstoff für ein Marineschiff zu besorgen, das längst gesunken war. Auf die Schliche kamen die Ermittler den Tätern, weil Leute von Carminati in die Betrügerei involviert waren. In diesen Tagen wurde zudem bekannt, dass der Direktor der römischen Tageszeitung «Il Tempo», ein Freund von Alemanno, den Mafiaboss vor einer bevorstehenden Verhaftung gewarnt haben soll.

Die römische Mafia agierte zwar weitgehend unabhängig von den bekannten süditalienischen Clans. Ende letzter Woche wurde aber bekannt, dass es Berührungspunkte zwischen Carminati und der 'Ndrangheta gab. Letztere soll der Römer Organisation Schutz bei kriminellen Aktivitäten im Geschäft mit Flüchtlingen zugesagt haben. Im Gegenzug wurde ihr das «Management» eines Marktes in der Hauptstadt überlassen.

Die 'Ndrangheta stammt aus Kalabrien und ist eine der einflussreichsten Mafia-Banden Italiens. Ihre wichtigste Einnahmequelle ist der Drogenhandel. Über Kalabrien kommt die große Masse des geschmuggelten Kokains aus Südamerika nach Europa. In den letzten Jahren hat sich die Organisation laut der Polizei auch in anderen Regionen ausgebreitet; sie ist bis nach Norditalien vorgestoßen.


Verhaftungswellen

Auch gegen die Kalabresen sind den Ermittlern in den letzten Wochen mehrere Schläge gelungen. Am Dienstag wurden in der Lombardei 59 mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder wegen Geldwäscherei, Waffen- und Drogenhandel, Erpressung und Korruption verhaftet. Sie sollen in der florierenden Industrieregion um Mailand unter anderem befreundeten Unternehmern dabei geholfen haben, sich öffentliche Aufträge unter den Nagel zu reißen. Im Mai war bekanntgeworden, dass das organisierte Verbrechen auch bei den Vorbereitungen für die Expo 2015 in der Stadt ihre Finger im Spiel hat.

In Umbrien sind vor einer Woche ebenfalls 61 Mitglieder der 'Ndrangheta festgenommen und Vermögenswerte von 30 Millionen Euro beschlagnahmt worden. Trotz solchen Erfolgen bleibt der Kampf von Polizei und Justiz gegen die Mafia eine Sisyphusarbeit. Zwar morden die Clans heute bei weitem nicht mehr so ruchlos und so oft wie früher. Ihr Einfluss bleibt dank Verbindungen zur Politik aber groß.

Carminati etwa genoss in Rom nicht nur die Unterstützung des rechtskonservativen Bürgermeisters, sondern hatte Politiker aus allen politischen Lagern gekauft. In einem abgehörten Telefonat soll er geprahlt haben, dass öffentliche Aufträge seiner Organisation heute mehr Geld einbrächten als die traditionellen Geschäfte der Unterwelt.

Ein großes Problem ist, dass korrupte Politiker wegen der kurzen Verjährungsfristen in Italien kaum je bestraft werden. Der frühere Ministerpräsident Berlusconi hat in einer Gesetzrevision 2005 die Fristen deutlich heruntergesetzt; sie sind heute maximal so lang wie die Höchststrafe für die eingeklagte Straftat. Fälle von Korruption werden aber oft erst nach Jahren entdeckt, und Verfahren über mehrere Stufen ziehen sich jahrelang dahin. Zehntausende von Korruptionsverfahren werden jedes Jahr eingestellt, bevor es zu einer Verurteilung kommt.


Zahnlose Strafverfolgung

Matteo Renzi hat nach Bekanntwerden des Römer Skandals versprochen, dass sich dies nun ändern werde. Seine Regierung hat dann ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das schärfere Strafen vorsieht. Die Mindeststrafe für Korruption soll demnach auf vier bis sechs Jahre Haft steigen, die Höchststrafe auf acht bis zehn Jahre. Damit wird auch die Verjährungsfrist verlängert. Wer wegen Korruption verurteilt wird, soll zudem die veruntreuten Beträge bis zum letzten Cent zurückzahlen. Doch hat der Verband der Staatsanwälte diese Neuerungen als ungenügend bezeichnet.

Laut der Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» kostet die Korruption Italien jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro. Die EU und die OECD haben Rom wiederholt aufgefordert, die Strafverfolgung effektiver zu machen. Das Thema ist in politischen Kreisen jedoch umstritten; es stand deshalb auch nicht auf Renzis Reformagenda.
Die Welle öffentlicher Empörung hat den Regierungschef nun zum Handeln gezwungen. An eine grundsätzliche Neuregelung der Verjährungsfristen wird Renzi sich aber nicht heranwagen, denn dafür bekäme er mit seiner knappen Mehrheit im Parlament kaum die nötige Unterstützung.
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