Donnerstag, 18. Dezember 2014

Renzi schreckt vor der Macht der Mafia zurück

Korrupte Politiker kommen in Italien meist ungeschoren davon. Ein Vorstoß der Regierung für härtere Strafen wird daran kaum etwas ändern.




Vor zwei Wochen ist in der italienischen Hauptstadt ein schockierender Korruptionsskandal aufgeflogen. Seither vergeht kein Tag, an dem die Öffentlichkeit nicht neue haarsträubende Details über die Machenschaften der «Mafia Capitale» erfährt. Die Gruppe um den früheren rechtsextremen Terroristen Massimo Carminati hatte hinter den Kulissen in Rom offenbar über ein Jahrzehnt lang die Fäden gezogen.


«Mafia Capitale»

«Mafia Capitale» bestach einflussreiche Politiker und Beamte und verschaffte befreundeten Firmen und Organisationen dadurch lukrative Aufträge zum Beispiel im Bereich der Abfallentsorgung oder der Unterbringung von Flüchtlingen. Nicht selten wurde auch kassiert, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden.

Der 56-jährige Carminati und 36 weitere Personen wurden am 2. Dezember verhaftet. Gegen Dutzende weitere wird ermittelt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht vor allem der frühere rechtskonservative Bürgermeister Roms, Gianni Alemanno, unter dem die Mafia 2008 bis 2013 freie Hand gehabt zu haben scheint. Die Ermittler haben warnend darauf hingewiesen, dass man erst am Anfang einer langen Untersuchung stehe.

Anfang dieser Woche sind sechs weitere Personen verhaftet worden, unter ihnen drei Angehörige der Marine. Sie sollen vom Staat über sieben Millionen Euro einkassiert haben, um Treibstoff für ein Marineschiff zu besorgen, das längst gesunken war. Auf die Schliche kamen die Ermittler den Tätern, weil Leute von Carminati in die Betrügerei involviert waren. In diesen Tagen wurde zudem bekannt, dass der Direktor der römischen Tageszeitung «Il Tempo», ein Freund von Alemanno, den Mafiaboss vor einer bevorstehenden Verhaftung gewarnt haben soll.

Die römische Mafia agierte zwar weitgehend unabhängig von den bekannten süditalienischen Clans. Ende letzter Woche wurde aber bekannt, dass es Berührungspunkte zwischen Carminati und der 'Ndrangheta gab. Letztere soll der Römer Organisation Schutz bei kriminellen Aktivitäten im Geschäft mit Flüchtlingen zugesagt haben. Im Gegenzug wurde ihr das «Management» eines Marktes in der Hauptstadt überlassen.

Die 'Ndrangheta stammt aus Kalabrien und ist eine der einflussreichsten Mafia-Banden Italiens. Ihre wichtigste Einnahmequelle ist der Drogenhandel. Über Kalabrien kommt die große Masse des geschmuggelten Kokains aus Südamerika nach Europa. In den letzten Jahren hat sich die Organisation laut der Polizei auch in anderen Regionen ausgebreitet; sie ist bis nach Norditalien vorgestoßen.


Verhaftungswellen

Auch gegen die Kalabresen sind den Ermittlern in den letzten Wochen mehrere Schläge gelungen. Am Dienstag wurden in der Lombardei 59 mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder wegen Geldwäscherei, Waffen- und Drogenhandel, Erpressung und Korruption verhaftet. Sie sollen in der florierenden Industrieregion um Mailand unter anderem befreundeten Unternehmern dabei geholfen haben, sich öffentliche Aufträge unter den Nagel zu reißen. Im Mai war bekanntgeworden, dass das organisierte Verbrechen auch bei den Vorbereitungen für die Expo 2015 in der Stadt ihre Finger im Spiel hat.

In Umbrien sind vor einer Woche ebenfalls 61 Mitglieder der 'Ndrangheta festgenommen und Vermögenswerte von 30 Millionen Euro beschlagnahmt worden. Trotz solchen Erfolgen bleibt der Kampf von Polizei und Justiz gegen die Mafia eine Sisyphusarbeit. Zwar morden die Clans heute bei weitem nicht mehr so ruchlos und so oft wie früher. Ihr Einfluss bleibt dank Verbindungen zur Politik aber groß.

Carminati etwa genoss in Rom nicht nur die Unterstützung des rechtskonservativen Bürgermeisters, sondern hatte Politiker aus allen politischen Lagern gekauft. In einem abgehörten Telefonat soll er geprahlt haben, dass öffentliche Aufträge seiner Organisation heute mehr Geld einbrächten als die traditionellen Geschäfte der Unterwelt.

Ein großes Problem ist, dass korrupte Politiker wegen der kurzen Verjährungsfristen in Italien kaum je bestraft werden. Der frühere Ministerpräsident Berlusconi hat in einer Gesetzrevision 2005 die Fristen deutlich heruntergesetzt; sie sind heute maximal so lang wie die Höchststrafe für die eingeklagte Straftat. Fälle von Korruption werden aber oft erst nach Jahren entdeckt, und Verfahren über mehrere Stufen ziehen sich jahrelang dahin. Zehntausende von Korruptionsverfahren werden jedes Jahr eingestellt, bevor es zu einer Verurteilung kommt.


Zahnlose Strafverfolgung

Matteo Renzi hat nach Bekanntwerden des Römer Skandals versprochen, dass sich dies nun ändern werde. Seine Regierung hat dann ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das schärfere Strafen vorsieht. Die Mindeststrafe für Korruption soll demnach auf vier bis sechs Jahre Haft steigen, die Höchststrafe auf acht bis zehn Jahre. Damit wird auch die Verjährungsfrist verlängert. Wer wegen Korruption verurteilt wird, soll zudem die veruntreuten Beträge bis zum letzten Cent zurückzahlen. Doch hat der Verband der Staatsanwälte diese Neuerungen als ungenügend bezeichnet.

Laut der Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» kostet die Korruption Italien jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro. Die EU und die OECD haben Rom wiederholt aufgefordert, die Strafverfolgung effektiver zu machen. Das Thema ist in politischen Kreisen jedoch umstritten; es stand deshalb auch nicht auf Renzis Reformagenda.
Die Welle öffentlicher Empörung hat den Regierungschef nun zum Handeln gezwungen. An eine grundsätzliche Neuregelung der Verjährungsfristen wird Renzi sich aber nicht heranwagen, denn dafür bekäme er mit seiner knappen Mehrheit im Parlament kaum die nötige Unterstützung.
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