Sonntag, 27. Juli 2014

Papst im verseuchten Land der Camorra

Es könnte so schön sein. Eine Kleinstadt im Süden Italiens. Ein Bourbonenschloss, erbaut nach dem Vorbild von Versailles, eingebettet in einem der größten Parks Europas.




Doch der Eindruck trügt. Caserta in Kampanien, nördlich von Neapel, ist ein Ort der Krise. Stadt und Provinz befinden sich im Würgegriff der organisierten Kriminalität. Die Camorra hat auf den Ackerflächen ringsum giftigen Müll entladen und verbrannt. Die Erde ist verseucht. "Terra dei Fuochi", "Erde des Feuers", wird die Gegend deshalb genannt.




Nicht nur das. Im nahegelegen Castel Volturno zogen im Juli Immigranten durch die Straßen, zündeten Autos an und lieferten sich Scharmützel mit der Polizei, nachdem auf zwei junge Ivorer geschossen worden war. Und als ob das noch nicht reichen würde: Lehrlinge, Schulabgänger und Universitätsabsolventen finden keine Stelle. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 60 Prozent.


Mafia, Müll, Meutereien

Mafia, Müll, Meutereien der Flüchtlinge und miese Perspektiven für den Nachwuchs – Papst Franziskus dürfte sich deshalb dafür entschieden haben, die Messe in Caserta zu feiern.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche will ein Zeichen setzen und den Menschen in der schwierigen Zeit Mut machen. Es ist wohl auch eine persönliche Hommage an einen mutigen Geistlichen. Vor fast genau 20 Jahren wurde Don Giuseppe Diana umgebracht. Der Priester aus Casal di Principe, einem Ort westlich von Caserta, war in den 90er-Jahren einer der lautstärksten Anti-Mafia-Kämpfer in der katholischen Kirche.

Franziskus flog am Nachmittag mit dem Helikopter aus Rom ein. Dabei passierte er auch die Terra dei Fuochi. "Es ist schrecklich, dass eine solch schöne Landschaft ruiniert wird. Es herrscht kein Respekt für die Umwelt, es herrscht ein Klima des Gesetzesbruchs", soll der Papst laut Angaben seiner Begleiter gesagt haben. Unter den Reisenden befand sich unter anderem der Substitut des Vatikanischen Staatssekretariates, Giovanni Angelo Becciu.

Um 18.00 Uhr begann die Zeremonie auf der Piazza Carlo III. vor dem barocken Königspalast, "Reggia di Caserta" genannt, vor einer gigantischen Menschenmasse. Die Besucherzahl wurde auf 200.000 geschätzt. Geschwenkt wurden argentinische und auch ukrainische Flaggen. Immigranten aus Castel Volturno hielten ein Transparent hoch. Darauf war zu lesen: "Vereint gegen die Camorra und Rassismus".


Caserta Citta Vecchia


Papst Franziskus wandte sich in seiner Predigt den Immigranten zu. "Die Gegenwart von Jesus Christus verändert unsere Existenz. Sie macht uns offen für die Bedürfnisse unserer Brüder. Sie lädt uns dazu ein, jeden anderen zu empfangen, auch den Fremden oder den Immigranten."

Auch die Themen Kriminalität und Umweltschutz griff er auf. "Man muss den Mut aufbringen, nein zu sagen zu jeder Form der Korruption und Gesetzlosigkeit", sagte Papst Franziskus unter dem Beifall der Zuhörenden. "Man muss sich für die Umwelt einsetzen, um die Gesundheit seiner Mitmenschen zu gewährleisten. Wir wissen alle, wie der Name dieser Korruption und Illegalität lautet."


Ein Lichtblick im Regen

Angereist waren die Menschen mit Pkws, Bussen und Bahnen aus dem ganzen Land. Um den Ansturm zu bewältigen, richtete die italienische Bahn Sonderfahrten ein. Die Menschen trotzten dem schlechten Wetter. Auf der Piazza Carlo III. in Caserta spannten die Besucher ein Heer an Regenschirmen auf. Die meisten schützten sich mit Plastikumhängen vor dem Wolkenguss. Als Papst Franziskus das Wort ergriff, kam allerdings die Sonne heraus.

Es ist ein verregneter Sommer in Italien. Am Samstag war der Niederschlag teilweise so stark, dass Flüsse über das Ufer traten. Besonders betroffen war Mailand. Der Norden der lombardischen Metropole wurde in Teilen durch den Fluss Seveso überschwemmt. Im Zentrum Mailands in der Nähe der Porta Romana tat sich im Asphalt ein zwölf Meter tiefer und sechs Meter breiter Schlund auf. Mehrere Straßen und Plätze wurden gesperrt.

Der Süden Italiens liegt Papst Franziskus am Herzen. Die Themen Immigration und organisierte Kriminalität sind ihm wichtig. In diesem Jahr besuchte der Pontifex bereits die Mittelmeerinsel Lampedusa, die für afrikanische Flüchtlinge das Tor zu Europa ist, Cagliari auf Sardinien und die Region Kalabrien, die eine Hochburg der 'Ndrangheta ist. Die Clanorganisation dominiert den Verkauf von Kokain und ist international präsent, auch in Deutschland hat sie Fuß gefasst.

Papst Franziskus wirbt für mehr Toleranz gegenüber den Flüchtlingen und verurteilt kriminelle Umtriebe. In Kalabrien verstieß er Mafiosi aus der christlichen Gemeinschaft. "Diejenigen, die den Weg des Bösen gehen, so wie es die Mafiosi tun, sind nicht in der Gemeinschaft mit Gott. Sie sind exkommuniziert", sagte Papst Franziskus.


Pommes in der Kantine

Reisen in Krisengebiete, klare Worte – Papst Franziskus sucht die Nähe zu den einfachen Menschen. Manchmal tut er das auch vollkommen unerwartet. Am Freitag stellte sich der Pontifex unangemeldet in der Kantine des Vatikans an. Er lud sich einen Stück Kabeljau, Pasta, gegrillte Tomaten und einige wenige Pommes auf sein Tablett.

Kassiererin Claudia Di Giacomo sei so baff gewesen, dass sie sich nicht getraut habe, ihm die Rechnung auszustellen, schrieb die Vatikan-Zeitung "L'Osservatore Romano". Statt zu bezahlen, spendete Franziskus einen päpstlichen Segen. Während des Essens plauderte er mit Lagerarbeitern der Vatikan-Apotheke. Anscheinend auch über Fußball. Schließlich ist Papst Franziskus Fan des runden Leders und glühender Anhänger des argentinischen Vereins San Lorenzo de Almagro.

Auch gegenüber anderen Religionen zeigt sich Papst Franziskus gesprächsbereit. Schon am Montag wird Papst Franziskus nach Caserta zurückkehren. Dieses Mal aber strikt privat. Der Pontifex wird seinen Freund Giovanni Traettino treffen, der in Caserta Pfarrer ist. Traettino gehört der Pfingstkirche ein, einer evangelischen Freikirche. Die beiden werden gemeinsam in der Kirche Chiesa della Riconciliazione beten und danach zu Mittag essen.
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