Donnerstag, 3. Juli 2014

Vermögen eines Top-Mafioso eingezogen

Vito Ciancimino ist seit 2002 tot. Jetzt hat die Bundesanwaltschaft 6,4 Millionen Franken eingezogen, die der Strippenzieher der sizilianischen Mafia auf Schweizer Banken placiert hatte.

Vito Ciancimino, der 1924 geborene Sohn eines Coiffeurs von Corleone, stieg in den 1960er und 1970er Jahren zu einer Schlüsselfigur im Geflecht von Mafia und Politik in Palermo auf. Von Beruf Vermessungstechniker – ohne diese Geometer geht in Italien im Bau- und Immobiliengeschäft nichts – und als Mitglied der Christlich-demokratischen Partei zog Ciancimino in die Stadtverwaltung von Palermo ein, zuständig für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Von den Tausenden von Baulizenzen im damaligen Immobilienboom profitierten schwergewichtig Firmen und Personen aus dem Dunstkreis der Mafia.


  • Vito Ciancimino bei einem Fernsehauftritt 

Im Oktober 1970 wählten die Palermitaner Ciancimino zum Bürgermeister. Schon im Dezember des gleichen Jahres trat er allerdings unter dem Druck von Untersuchungen der Antimafia-Kommission des nationalen Parlaments in Rom wieder zurück.

Don Vito, wie er in Palermo genannt wurde, blieb aber auf Jahre hinaus graue Eminenz und einflussreicher Mittelsmann zwischen Mafia und Politik. Die Bosse Totò Riina und Bernardo Provenzano verkehrten ebenso mit Ciancimino wie der Spitzenpolitiker Giulio Andreotti. Schenkt man Cianciminos Sohn Massimo Glauben, war sein Vater über fast alle Skandale und Mysterien im Bild, die Italien bis heute beschäftigen: von der Geheimloge Licio Gellis und dem rätselhaften Flugzeugabsturz von Ustica über die Stay-behind-Organisation Gladio und den Zusammenbruch des Banco Ambrosiano von Roberto Calvi bis zu den Mafiamorden an den Richtern Falcone und Borsellino.


Geldtransporte ins Paradies

Festgehalten ist all dies in einem 2010 erschienenen Buch, in dem Massimo Ciancimino die Erinnerungen an seinen Vater ausbreitet. Hier ist auch von den häufigen Reisen Don Vitos in die Schweiz die Rede. Sie galten nicht nur regelmäßigen Arztbesuchen des Hypochonders Ciancimino in Lausanne, sondern auch Finanzgeschäften. So transportierte Don Vito in den 1970er Jahren angeblich einmal eine Million Franken in einem Koffer per Zug nach Lugano. «Die Schweiz erschien uns als eine Art Paradies, weil sie für die italienischen Behörden unerreichbar war», wird Massimos Bruder Giovanni zitiert, der den Vater nach Lugano begleitet hatte.


Der Top-Mafioso Vito Ciancimino bei seiner Verhaftung


Jetzt erfährt Massimo Ciancimino aber, dass die in der Schweiz liegenden Gelder nicht mehr sicher sind. Die Bundesanwaltschaft (BA) hat 6,4 Millionen Franken eingezogen, wie die BA-Sprecherin Jeannette Balmer auf Anfrage der NZZ bekanntgab. Die Gelder waren seit 2005 auf Schweizer Konten eingefroren.


Massimo Ciancimino


Gestützt auf Anzeigen bei der Geldwäscherei-Meldestelle des Bundes, hatte die Bundesanwaltschaft damals ein Verfahren wegen Geldwäscherei und Urkundenfälschung gegen Massimo Ciancimino und zwei ehemalige Berater seines 2002 verstorbenen Vaters eröffnet. Die Schweizer Banken waren hellhörig geworden, als sie von Geldwäscherei-Ermittlungen gegen diese Personen in Italien erfuhren.


Geld auch für Italien?

Weil alle drei Beschuldigten – einer ist inzwischen verstorben – unterdessen in Italien rechtskräftig verurteilt wurden, stellte die Bundesanwaltschaft die Schweizer Verfahren, gestützt auf das Opportunitätsprinzip, ein. Gleichzeitig ordnete sie aber die Einziehung der gesperrten Gelder an. Beschwerden der Kontoinhaber gegen diesen Entscheid wies das Bundesstrafgericht in Bellinzona Anfang Mai ab. Weil die Kontoinhaber auf den Weiterzug ans Bundesgericht in Lausanne verzichteten, ist die Einziehung jetzt rechtskräftig.

Noch offen ist zurzeit die Frage, wie viel Geld Italien erhält. Rom hat sich auf dem Rechtshilfeweg für den Schweizer «Ciancimino-Schatz» interessiert. Gestützt auf das Bundesgesetz über die Teilung eingezogener Vermögenswerte, dürfte das Bundesamt für Justiz mit Italien nun eine Teilungsvereinbarung aushandeln. In der Regel wird das Geld zu gleichen Quoten auf die beteiligten Staaten verteilt.

Massimo Ciancimino sorgt unterdessen in Italien weiter für Schlagzeilen. Er ist nämlich sowohl Zeuge wie auch Angeklagter im Prozess über angebliche Verhandlungen zwischen der Mafia und dem Staat im Umfeld der Richtermorde von 1992 auf Sizilien.

Don Vito hat laut Aussagen seines Sohns damals eine von Toto Riina erstellte Liste mit zwölf Forderungen an den Staat übermittelt. Diese reichen von Hafterleichterungen für verurteilte Mafiosi bis zu Benzinverbilligungen in Sizilien. Massimo Ciancimino, der die spektakulären Auftritte liebt, sagte kürzlich in einem Fernsehinterview, er fürchte wegen seiner Aussagen um sein Leben.


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