Montag, 11. Januar 2016

Staatsanwaltschaft ermittelt in Neapel wegen Wahl-Stimmenkauf


Boshaft könnte man sagen: Beppe Grillos Protestpartei Movimento 5 Stelle ("Fünf-Sterne-Bewegung", M5S) ist nun ebenfalls eine ganz normale italienische Partei geworden – also eine, die von der Mafia infiltriert ist. Die Staatsanwälte von Neapel ermitteln gegen Giovanni De Robbio, Gemeinderat im neapolitanischen Vorort Quarto. Er war im Juni mit Hilfe der Camorra gewählt worden und soll danach versucht haben, dem ortsansässigen Clan öffentliche Aufträge zuzuschanzen.



Die Ermittler kamen De Robbio im Rahmen einer Telefonüberwachung auf die Schliche: "Jetzt müssen wir alle in die Wahllokale bringen, auch die 80-Jährigen, und sie müssen ihr Kreuz beim M5S machen", hatte ein Bestattungsunternehmer in einem abgehörten Gespräch gesagt. Und: "Mit De Robbio haben wir uns verständigt. Wir sind an einen Tisch gesessen und haben über alles gesprochen und verschiedene Dinge vereinbart. Wir haben ihm gesagt, er müsse sich wegen der Wahlen keine Sorgen machen, wir würden ihm helfen." –

Nationale Schlagzeilen Eigentlich handelt es sich um einen Vorgang, der im Süden Italiens fast alltäglich ist. Trotzdem beherrscht die Affäre die nationalen Schlagzeilen. Denn es ist das erste Mal, dass gegen einen Exponenten von Grillos Protestbewegung wegen Mafiaverwicklungen ermittelt wird. Für die politischen Gegner ist dies ein gefundenes Fressen: Grillo, der die traditionellen Parteien seit Jahren als mafiös und korrupt beschimpft, wird nun der Doppelmoral bezichtigt: "Wenn gegen die anderen Parteien wegen Mafiakontakten ermittelt wird, fordern die ,Grillini’ die Guillotine – nun aber werden sie selber der übelsten Machenschaften angeklagt", betonte ein Vertreter des sozialdemokratischen PD von Regierungschef Matteo Renzi. Verweigerte "Gefälligkeiten".

Keine gute Figur macht auch die Bürgermeisterin von Quarto, Rosa Capuozzo. Sie gehört ebenfalls der Protestbewegung an und war von ihrem mafiösen Gemeinderatskollegen und Parteifreund erpresst worden: Weil sie dessen Camorra-Freunden die gewünschten "Gefälligkeiten" verweigerte, drohte er, einen von ihr illegal vorgenommenen Hausumbau öffentlich zu machen. Weil Capuozzo deswegen nicht zur Polizei gegangen war, wird sie nun vom Publizisten Roberto Saviano (Gomorrha) zum Rücktritt aufgefordert. Der Forderung schloss sich am Montag auch Beppe Grillo an, der sich zunächst mit Capuozzo solidarisiert hatte. –


Kommunalwahlen im Juni Ob und wie stark diese Affäre die Popularität Grillos beinträchtigen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Zuletzt lag der M5S in landesweiten Umfragen nur zwei Prozentpunkte hinter dem PD auf Platz zwei. Im Juni stehen in mehreren Großstädten Kommunalwahlen an; vor allem in Rom, wo die PD-Sektion wegen ihrer Nähe zum Kartell "Mafia Capitale" arg angeschlagen ist, galten die "Grillini" bisher als Favoriten. Grillo schießt schon zurück und erinnert daran, dass in den letzten zehn Jahren über hundert vom PD oder von dessen Vorgängerparteien angeführte Gemeinderäte wegen Mafia-Unterwanderung aufgelöst werden mussten. Und auch bei Silvio Berlusconis Forza Italia sieht es kein bisschen besser aus.

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