Eine Geschichte der Mafia Süditaliens
Die verschiedenen Mafiaorganisationen des italienischen Südens schreiben seit nunmehr 150 Jahren eine ungebrochene Erfolgsgeschichte. Wie sind diese Verbrecherkartelle entstanden und was macht sie so erfolgreich?
Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino (beide durch Anschläge der Mafia getötet) |
Es gibt eine Legende, wie die Mafia in Italien entstanden sei. Demnach wurden die Geheimorganisationen schon 1492 von drei edlen spanischen Rittern gegründet. Diese hätten 29 Jahre auf einer Insel vor Sizilien gelebt und die Regeln beraten, nach denen die ehrenwerte Gesellschaft leben sollte. Dann trennten sich die Drei. Einer ging nach Kalabrien und gründete die ‘Ndrangheta, einer nach Neapel und gründete die Camorra, einer blieb auf Sizilien und nannte seine Organisation Cosa Nostra.
Doch diese Erzählung ist historisch widerlegt. Immerhin wohnen zwei kleine Körnchen Wahrheit in ihr: Zum einen wollten sich die drei großen Mafiaorganisationen einen verbindenden Stammbaum geben, auf eine gemeinsame Kultur aufmerksam machen, die sie historisch eigentlich nicht hätten. Zum anderen waren die drei süditalienischen Regionen Sizilien, Kalabrien und Kampanien tatsächlich über vierhundert Jahre lang von der spanischen Krone beherrscht und wurden wie eine Kolonie des spanischen Königreichs verwaltet. Doch die Mafia ist sehr viel jünger als diese Legende es weismachen will.
am 23.05.1992 wurde der Richter Falcone durch eine gewaltige Sprengfalle der Mafia ermordet. |
Als sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Mafia tatsächlich entwickelte, gehörte Süditalien noch zum spanischen Zweig der Bourbonen: Seit 1816 wurde das Gebiet "Königreich beider Sizilien" genannt. Die spanische Krone stütze ihre Macht auf denjenigen, der ihr die größten Gefälligkeiten erwies. Sektierer und Ketzer wurden von der spanischen Inquisition grausam verfolgt und mit drakonischen Strafen bedacht.
Die adeligen Großgrundbesitzer waren die Eigentümer der großen Ländereien. Sie lebten in Palermo oder in Neapel, in unmittelbarer Nähe zum Königshof, weit weg von ihren Gutshöfen. Die Gutsverwalter, die sogenannten "Gabelloto" übernehmen auf den Landsitzen stellvertretend die Kontrolle. Diese Männer aus dem Volk treiben im Namen des Landbesitzers die "Gabella", die Steuern ein. Es war die erste Form von Schutzgeldzahlung. Die Gabelloti sorgten als Wächter und Aufseher für Sicherheit. Im Lauf der Zeit wurden sie immer mächtiger, eigneten sich Polizeiaufgaben an und stellten ihre eigenen Schutztruppen. Ihre Macht sicherten sie durch Androhung von Gewalt. Die Gabelloti bildeten den Kern, aus dem die Mafia entstand. Diese Rolle der stellvertretenden Ordnungsmacht übertrugen ihr später auch die wechselnden Machthaber des italienischen Nationalstaats. Mit fatalen Folgen bis heute.
Im Jahr 1860 bringt der Freiheitskämpfer Garibaldi mit rund Tausend schlecht bewaffneten Männern das spanisch-bourbonische Königreich beider Sizilien zu Fall. Ohne die Mafia wäre es ihm nicht gelungen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der 150 jährigen Geschichte der Mafia ist die Strategie der USA nach 1943: Nach der Eroberung Italiens durch die Alliierten ging es den USA nicht alleine um den Sturz des Faschismus. Man wollte auch den zunehmenden Einfluss der Sowjetunion auf Europa zurückdrängen.
Die Akten des des CIA-Vorläufers OSS belegen: Die Amerikaner waren sehr daran interessiert, dass in den von ihnen befreiten Gebieten antikommunistische Kräfte die Oberhand behielten. Im bettelarmen Italien bildete sich nach dem Zweiten Weltkrieg die stärkste kommunistische Partei Westeuropas. Eine dauerhafte sozialistische Regierung in Italien hätte der NATO große Schwierigkeiten bereitet. Zu Zeiten des Kalten Krieges waren dann auch tatsächlich die Katholische Kirche, die Christdemokratische Partei und die süditalienische Mafia die Pfeiler des antikommunistischen Bollwerks in Italien.
Heute sind die Mafiaorganisationen entgegen aller Beteuerungen auf dem Vormarsch. Ihr Jahresumsatz 2013 wird inzwischen auf 200 Milliarden Euro geschätzt, mit steigender Tendenz. In Italien sind sie längst zu einer gefährlichen Bedrohung der demokratischen Grundordnung geworden, ein Drittel des Landes wird von ihnen beherrscht. Laut Vincenzo Macrì, einem Generalstaatsanwalt der Nationalen Anti-Mafia-Behörde, sind sie so mächtig geworden, dass keine Regierung in Italien ohne sie eine grundsätzliche politische oder wirtschaftliche Entscheidung treffen kann.
Sie sollen rund 10.000 schwer bewaffnete Männer unter ihrem Kommando haben, die Kontrolle über Süditalien, sie sitzen in süditalienischen Kommunal-, Regional-Regierungen und in den Ministerien von Rom, an der Börse in Mailand, Frankfurt, London und New York. Sie haben ganze Wirtschafts-Branchen, die Umschlagplätze von großen Warenströmen sowie Gastronomie und Tourismus im Würgegriff und sie fordern den Staat immer wieder mit Bombenattentaten und Waffengewalt heraus.
Die Verhaftung von Francesco Casillo in Neapel. Die Mafia hat Europa längst im Würgegriff, ohne dass nationale Behörden oder Interpol etwas dagegen tun konnten. |
Die zweiteilige Dokumentation von Bernhard Pfletschinger, die man im Rahmen des Thementages am Sonntag, 24. März 2013 um 17.30 und 18.15 Uhr sehen kann, geht der Frage nach dem unaufhaltsamen Aufstieg und ihre fast grenzenlose Macht der Mafia nach.
Alleine in Neapel wurden in einem Jahr mehr als 130 Personen von der Mafia ermordet, so, wie in diesem Beispiel Raffaele Ciotola und seiner Frau Maria Abba. |
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