Ein Kredit in Höhe von 225 Millionen aus einer Bank im fernen Norddeutschland, der das Projekt einer kleinen Firma tief im italienischen Süden finanziert – das war Ermittlern und Staatsanwälten der kalabrischen Stadt Catanzaro suspekt. "Keine italienische Bank hätte einer solchen Gesellschaft soviel Geld gegeben", erklärt Staatsanwalt Giovanni Bombardieri der "Welt".
Giovanni Bombardieri |
Bombardieri koordiniert die Ermittlungen und Verfahren um den Windpark "Windfarm Isola Capo Rizzuto", so benannt nach der gleichnamigen Gemeinde an der Südküste Kalabriens. Vergangene Woche gab es im Zusammenhang mit Ermittlungen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, in deren Zentrum das Geschäft mit dem Windpark steht, eine großangelegte Razzia bei der HSH Nordbank in Hamburg und Kiel sowie bei Firmen in Deutschland, Italien, der Schweiz und San Marino.
Nun ist es bei Windkraftprojekten nicht ungewöhnlich, große Summen an kleine Firmen zu leihen. Aber in diesem Landstrich Italiens schürt so etwas Verdacht: Kalabrien ist die Heimat der Mafia-Organisation 'Ndrangheta, die heute zu den mächtigsten der Welt gehört.
Riesige Geldwaschanlage?
Der Geldsegen aus dem Norden, mit dem die Firma "Vent1 Capo Rizzuto srl" das Projekt seit 2008 finanzierte, führte daher schon 2008 zu den ersten Ermittlungen. Es kam schnell der Verdacht auf, dass das Projekt nichts als eine riesige Geldwaschanlage für die Mafia sein dürfte.
Im Visier hatten Staatsanwälte und Finanzpolizei dabei den Clan der Familie Arena. "Wir hatten eine Reihe von Hinweisen, die darauf hindeuteten, dass die Familie in das Projekt verwickelt sei", erklärt Staatsanwalt Bombardieri. "Familien wie die Arenas stehen aufgrund ihrer kriminellen Tätigkeiten unter regelmäßiger Beobachtung von Seiten der Finanzpolizei und deren Spezialeinheit zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und internationaler Beziehungen, Scico, die auch mit Interpol zusammen arbeitet". Bombardieri bezeichnet die Zusammenarbeit mit den Osnabrücker Kollegen als "exzellent".
Zentrale Figur ist Pasquale Arena, der eigentlich ein Angestellter in der Gemeindeverwaltung von Isola Capo Rizzuto ist. Pasquale ist der Neffe des Clanchefs Nicola Arena, ihm konnten kriminelle Machenschaften und eine Verbindung zum Clan allerdings nie nachgewiesen werden.
Schutzgelderpressung und Drogenhandel
Involviert ist auch der bayerische Unternehmer Martin Josef Frick, ein ehemaliger Anwalt und CSU-Politiker. Er hatte gemeinsam mit einem Brancheninsider aus Rheine, Ulrich Schomakers, und dem niedersächsischen Finanzmakler Ludwig Nyhuis die Betreiberfirma für das Windparkprojekt "Ventuno Design Gmbh" gegründet.
Ulrich Schomakers
ehemaliger CSU-Politiker und Unternehmer Josef Frick
Es beteiligten sich weitere Firmen aus der Schweiz, San Marino und Italien an der Ventuno Design, aber auch die Arenas selbst ließen über Mittelsmänner wohl Geld in das Projekt fließen. Laut Ermittlern könnte es sich dabei um Umsatz aus kriminellen Geschäften mit Schutzgelderpressung, Waffen- und Drogenhandel handeln.
Das Steuerparadies San Marino in Italien
Als dieses Konstrukt aufzufliegen drohte, änderte sich der Firmenmantel, aus der Ventuno Design wurde die italienische "Vent1 srl" mit Sitz in Isola Capo Rizzuto in Kalabrien. Als weitere Investoren werden auch eine "Tiger Project GmbH" mit Sitz in Deutschland, die "Econex Finanz AG" aus der Schweiz, die "SEAS srl" in San Marino und die "Purena Srl" mit Sitz in Kalabrien genannt.
Die Macht reicht bis nach Deutschland
Die Staatsanwälte von Catanzaro ermitteln inzwischen gegen 31 Personen. Schon im Sommer 2012 wurde die Windanlage wegen Verdachts auf Geldwäsche beschlagnahmt.
Die Familie Arena gehört der kalabrischen 'Ndrangheta an, die heute die mächtigste Mafia-Organisation Italiens ist. Große Summen hat die Familie bereits in der norditalienischen Region Emilia-Romagna und in der Lombardei investiert.
Mehrere Clan-Mitglieder verbüßen Haftstrafen, auch lebenslang wegen Mordes. Ihre Macht reicht bis in die höchsten Etagen auch in der Politik und – nach Deutschland: Über einen Mittelsmann ließ die Familie Arena den römischen Politiker Girolamo Di Nicola, der Kandidat für die Berlusconi-Partei PDL in einem sogenannten "Auslandswahlkreis" für Auslandsitaliener in Stuttgart war, in den Senat wählen. Auf der Wahlparty in Rom feierte auch Clanmitglied Fabrizio Arena mit, der wegen Mord, Drogen- und Waffenhandel verhaftet wurde.
Gemeinderäte sind infiltriert
Die kalabrische 'Ndrangheta gehört heute zu den mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt. "Sie beherrscht einen großen Teil des internationalen Drogenhandels", sagte der Staatsanwalt Enzo Ciconte, der lange Jahre für die nationale Antimafia-Staatsanwaltschaft arbeitete und sich vor allem mit den Beziehungen der 'Ndrangheta beschäftigte, der Welt. "Keine andere Mafia-Organisation ist so weit verbreitet und auf allen fünf Kontinenten präsent."
Anti-Mafia-Staatsanwalt Enzo Ciconte
Allein in Italien soll sich der Umsatz ihrer verschiedenen Aktivitäten auf rund 150 Milliarden Euro belaufen, wie der nationale Rechnungshof und Antimafia-Staatsanwaltschaft in Italien schätzen – das sind etwa acht Prozent des italienischen Bruttosozialproduktes. Allein in den vergangenen vier Wochen sind Güter der 'Ndrangheta im Wert von über 600 Millionen Euro überall in Italien beschlagnahmt worden.
Viele Milliarden werden in "legalen" Geschäften wie der Bau- und Immobilienwirtschaft gewaschen. Erst in den vergangenen Monaten war es zu mehreren Skandalen in der norditalienischen Lombardei gekommen, wo auch Gemeinderäte wegen Infiltration von 'Ndrangheta-Mitgliedern aufgelöst wurden.
Die 'Ndrangheta hat der sizilianischen Mafia und der Camorra, die in Kampanien um Neapel beheimatet ist, damit wirtschaftlich längst den Rang abgelaufen. Ihre Stärke ist der traditionell starke Familienzusammenhalt der Clans: Nur Verwandte werden am Familienbusiness beteiligt – von der einfachen Schutzgelderpressung bis zum internationalen Finanzgeschäft.
Das schützt die Familien vor Überläufern, die vor Ermittlern auspacken, um Straferleichterungen auszuhandeln. Diese sogenannten "pentiti", die Reuigen, hatten die sizilianische Cosa Nostra in den 90er-Jahren stark geschwächt. Pentiti waren meist Clanmitglieder, die nicht zur Stammfamilie gehörten.
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