Cosa Nostra -Boss Salvatore Profeta bei seiner Festnahme |
Als am Donnerstagabend die italienische Polizei im Rahmen der Anti-Mafia-Operation „Stirpe“ den Cosa Nostra-Boss Salvatore Profeta verhaftete, gingen Dutzende Menschen auf die Straße in Palermos Viertel Guadagna. Nicht aus Neugier oder aus Protest gegen die Mafia, sondern um dem Mafioso ihre Anerkennung zu erweisen. „Er ist ein Gentleman“, riefen einige.
Profeta, 66, ist Boss der gleichnamigen Cosa Nostra-Familie und seit Jahrzehnten in der Mafia aktiv. Er wurde wegen Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung, Erpressung und Drogenhandel verurteilt. Er saß im Gefängnis aufgrund des Verdachts, am Mordanschlag an Staatsanwalt Paolo Borsellino beteiligt gewesen zu sein. Die Aussagen eines Kronzeugen entlasteten ihn von den Vorwürfen. Seit Oktober 2011 war der Boss wieder auf freiem Fuß.
Im Bezirk Santa Maria di Gesù spielte Profeta eine wichtige Rolle. Viele Anwohner respektieren und fürchten ihm. Sogar die örtliche heilige Madonna musste sich schon vor ihm verneigen. Das kam so:
Der Madonna-Umzug
In der Nacht von 19. zum 20. August 2012 wird im Bezirk Santa Maria di Gesù gefeiert. Ein prächtiger Umzug schiebt sich durch die Gassen: Männer tragen eine Statue der heiligen Maria auf den Schultern. Sie ist verziert mit Blumen und Kerzen, Hunderte Gläubige folgen ihr. Plötzlich biegt der Zug ab in eine Nebenstraße, in die Via Spatafora. Die Männer, die die Statue tragen, machen eine kurze Pause unter den Fenstern eines Hauses. Es ist das Haus des Bosses Salvatore Profeta.
Aus einem später abgehörtem Gespräch zwischen Salvatore und seinem Sohn Rosario Profeta wird klar: Es sind Vertrauensmänner des Bosses, die den Umzug organisiert haben.
Nicht das erste Mal
Es ist nicht das erste Mal, dass durch religiöse Umzüge Mafia-Bosse geehrt werden. Im Juli 2014 hatten zwei Dutzend Männer, die eine Marienstatue schulterten, vor dem Haus eines Bosses im kalabrischen Ort Oppido Mamertina angehalten. Hier hatten sie die Madonna nach vorne geneigt – als Zeichen des Respekts vor dem Mafioso. Er stand unter Hausarrest.
Zwei Wochen davor hatte Papst Franziskus alle Mafiosi exkommuniziert. Trotzdem hatten die Kirchenvertreter den Umzug nicht verlassen. Man sei nur deswegen vor dem Haus stehengeblieben, weil dort der Umzug in eine andere Straße einbiege – das sei die Erklärung einiger lokalen Geistigen gewesen.
Die Operation „Stirpe“
Im Rahmen der Operation „Stirpe“ hat die italienische Polizei nicht nur Salvatore Profeta, sondern auch seinen Sohn Rosario und seinen Enkel Antonino verhaftet. Auch drei weitere Clan-Mitglieder wurden festgenommen. Die Struktur des Clans ähnelt der einer ‘Ndrangheta-Familie – und beruhrt auf familiären Beziehungen.
Die Ermittlungen waren kompliziert – vor allem wegen des Vertrauens, dass die Anwohner dem Mafia-Clan entgegen bringen. „Das Viertel Guadagna ist wie eine Festung: Es war sehr schwierig, den Verdächtigen zu folgen und sie abzuhören“, sagte der Ermittler Rodolfo Ruperti. Der Polizist erzählte, dass ihm die Ermittlungen wie eine Zeitreise erschienen: „Ich habe Szenen erlebt wie vor 20 Jahren – Mafia-Bosse, die sich aus Respekt auf den Mund küssten, oder eben der Madonnen-Umzug vor das Haus des Bosses“.