Der
spektakuläre Lufthansa-Raub im Jahr 1978 lieferte die Vorlage für den
Scorcese-Film "Goodfellas". Jetzt steht in New York einer der
mutmaßlichen Drahtzieher vor Gericht - ehemalige Kumpane haben ihn verpfiffen.
In einer der ersten Szenen des Mafia-Films „Goodfellas“ lässt Regisseur Martin Scorsese seinen Hauptdarsteller Robert de Niro zwei Leitsätze verbreiten, die ein langes Verbrecherleben garantieren sollen: „Verpfeife niemals deine Freunde. Und halte immer den Mund.“ Vincent Asaro hat sich daran gehalten. Auf den Unterarm ließ er sich das Mafia-Mantra „Death before Dishonor“ (etwa: „Lieber den Tod als die Schande“) tätowieren. Und bis zu seiner Festnahme Anfang 2014 hoffte Asaro wohl wirklich, dass auch seine Mafia-Kumpane ihre Schweigegelübde einhalten würden. Wie man sich irren kann.
Heute sitzt Asaro, ein in Altersarmut gefallener Gangster aus
New York, auf der Anklagebank in Saal 8C des Bundesgerichts von Brooklyn,
schweigt immer noch und starrt feindselig auf die Prozessbeobachter. Denn seine
Kumpane haben ihn verpfiffen, sie zwitscherten wie Singvögel. Deshalb hat die
Staatsanwaltschaft auch die Hoffnung, einen der spektakulärsten Raubzüge in der
Geschichte der USA wenigstens teilweise aufklären zu können – bald 40 Jahre
nach der Tat.
Vincent Asaro ist das erste und vermutlich letzte Mitglied einer
New Yorker Mafia-Familie, das sich wegen einer mutmaßlichen Beteiligung am
sogenannten Lufthansa-Raub vor
Gericht verantworten muss.
Das Verbrechen, bis heute einer der größten Bargeld-Raubzüge in
der US-Geschichte, geschah in der Nacht zum 11. Dezember 1978. Bewaffneten
Männern gelang es, in den Lufthansa-Frachtraum auf dem New Yorker Flughafen JFK
einzudringen und 50 Kisten mit Bargeld und säckeweise Schmuck zu stehlen. Das
Geld war aus West-Deutschland in die USA geflogen worden. Die Beute hatte einen
Wert von damals mehr als sechs Millionen US-Dollar. Sie ist bis heute verschwunden.
Der Raubzug war die Vorlage für den Film „Goodfellas“. Darin
beschreibt Regisseur Scorsese das Leben und die Verbrechen der New Yorker
Mafiosi von den 50er bis in den 80er Jahre. Robert de Niro spielt „Jimmy the
Gent“, der im Film der Drahtzieher des Lufthansa-Raubes ist. Im wahren Leben
soll das Jimmy Burke gewesen sein, ein hochrangiger Mafioso aus dem
Lucchese-Clan. Doch so genau weiß man das nicht, denn Burke ist 1996 im
Gefängnis an Krebs gestorben, ohne dass er jemals des legendären Verbrechens
überführt worden wäre.
In „Goodfellas“ kommt Vincent Asaro nicht vor. Die drei
Staatsanwältinnen, die seit einigen Wochen Anklage gegen Asaro in Gerichtssaal
8C führen, sind sich aber sicher, dass der hagere Mann an dem Raub beteiligt
war.
Sie stützen ihre Anklageschrift auf die Aussagen einiger Mafiosi
aus dem Umfeld Asaros, die in den vergangenen Jahren zu Informanten der Polizei
wurden. So einer etwa ist der 68 Jahre alte Gaspare Valenti, der Cousin des
Angeklagten. Er wurde aus Geldmangel zum FBI-Spitzel und erhielt für
Informationen 3000 Dollar im Monat. Die Beute aus dem Lufthansa-Frachtraum,
sagt Valenti vom Zeugenstand herab in beiläufigem Ton, sei damals in seinem
Haus ausgepackt worden.
Bündelweise habe er die Scheine in Türrahmen versteckt. Asaro,
so der Kernvorwurf Valentis, habe während des Raubzugs zusammen mit Burke in
einem Auto außerhalb des Flughafengeländes Schmiere gestanden. Ähnliches
erzählt Salvatore Vitale, der früher eine große Nummer im Bonanno-Clan war.
Asaro soll nach dem Überfall einen Koffer voller Schmuck zum Mafiaboss Joseph
Massino getragen haben.
Der Prozess gegen Asaro gibt einen tiefen Einblick in die Welt
alternder Mafiosi, die an Einfluss verloren haben, das aber nicht wahrhaben
wollen. Im Oktober 2010 nimmt Valenti ein Gespräch mit verstecktem Rekorder
auf. Darin beklagt sich Asaro über seine Lebensumstände. Man lasse ihn gar
nicht mehr in seinen Klub, in dem sich früher die Mitglieder der
Gambino-Familie trafen. „Die Leute hassen mich dort, ich kann meine Mitgliedsgebühr
nicht bezahlen“, sagt Asaro: „Gute Tage, schlechte Tage, was soll man schon
machen? Ich werde alt.“
Er soll seinen Schmuck verpfändet haben. Auch heißt es, er habe
seinen Anteil an der Beute aus dem Lufthansa-Coup, der ihm ohnehin als viel zu
gering erschien, ganz und gar verzockt.
Asaro droht eine
lebenslange Freiheitsstrafe
Er habe Sorge, dass er aus der Mafia
geschmissen werde, sagt Asaro auf einer anderen Bandaufnahme aus dem Jahr 2011.
Die Cousins Valenti und Asaro sprechen an einem Novembertag über den Mord an
einem mutmaßlichen Mafioso in Kanada. Asaro sagt, er wisse nicht, „was in
Kanada los ist“. Er wisse ja nicht einmal mehr, was in seiner Nachbarschaft
Ozone Park passiere. Es klingt wie das Klagelied eines alten Mannes, der längst
außen vor ist und sich ohnehin nicht mehr respektiert fühlt.
Asaro ist inzwischen 80 Jahre alt und
sitzt in Untersuchungshaft. Er hat sein schütteres Haar nach hinten gekämmt,
trägt eine randlose Brille. Mal starrt er regungslos auf die Geschworenenbank,
mal kritzelt er Notizen auf Zettel und reicht sie seinen Anwältinnen. Ob die
Vorwürfe gegen ihn stimmen, ist unklar. Es steht Aussage gegen Aussage. Die
meisten Beteiligten an dem Lufthansa-Raub sind längst tot. Viele von ihnen sind
schon in den ersten Jahren nach der Tat auf mysteriöse Weise verschwunden.
Asaro hat sich für unschuldig erklärt.
Die Staatsanwältinnen nennen den
Angeklagten einen „Verbrecher durch und durch“. Er sei in das Leben eines
Mafioso hineingeboren und habe dieses Leben voll und ganz angenommen, sagt
Anklägerin Alicyn Cooley. Schon Asaros Vater und Großvater waren ihrer
Darstellung nach im organisierten Verbrechen tätig.
Asaros Verteidigung wird am heutigen
Montag das Plädoyer in Saal 8C halten und versuchen, ihren Mandanten vor dem
Schuldspruch zu bewahren. Asaro droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Schon
zu Beginn des Prozesses hat seine Anwältin Diane Ferrone erhebliche Zweifel
angemeldet, dass es genügend Beweise gibt: „Wenn Vincent Asaro wirklich der
gefährliche, gewalttätige, mordende Mensch ist, als den ihn die Anklage
darstellt, warum hat es dann so lange gedauert, ihn festzunehmen?“ Das lag wohl
daran, dass sich Asaros Kumpane jahrelang an das alte Schweigegelübde aus
„Goodfellas“ gehalten haben: „Verpfeife niemals einen Freund. Und halte immer
den Mund.“
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