Mittwoch, 23. Januar 2013

Interview mit einem Paten der 'Ndrangheta

"Am Altar des Verbrechens": Die 'Ndrangheta, die kalabrische Spielart der Mafia, gilt als die erfolgreichste Verbrecherorganisation der Welt. Sie besteht heute aus etwa 150 Clans mit rund 6.000 Mitgliedern. Hier die wörtliche Wiedergabe des Interviews über dieses archaische und globale Netzwerk der Gewalt. Vor dem Interview wurde gegenseitige Vertraulichkeit zugesichert und Namen nicht genannt.

FRAGE: Wie sollen wir Sie als Boss ansprechen?

Capo: Ich bin ein Medaglione, der höchste Grad, den man bei uns erreichen kann. Nennen Sie mich doch einfach Fedele

FRAGE: Wie wird man Medaglione?

Capo: Man muss sich an die Regeln halten, Meriten erwerben und klug handeln.

FRAGE: Was sind Meriten?

Capo: Das sind die Taten, an denen wir gemessen werden. Es funktioniert wie in der Wirtschaft. Wer Erfolg hat, steigt auf.

FRAGE: Gehören auch Morde dazu?

Capo: Dazu können auch blutige Taten zählen.

FRAGE: Haben Sie schon jemanden umgebracht?




Mafiosi aus der Bande des interviewten Capo: "Es würde mir mehr Probleme bereiten, einen Hund zu töten"


 

Capo: Sagen wir mal so: Es würde mir mehr Probleme bereiten, einen Hund zu töten. Denn Tiere machen im Gegensatz zu Menschen keine Fehler.

FRAGE: Was für Fehler meinen Sie?

Capo: Jeder von uns muss sich an die Regeln halten. Dazu gehören Gehorsam, Treue und Wahrhaftigkeit. Wer sich nicht daran hält, muss zahlen. Vielleicht nicht beim ersten Mal, aber spätestens beim dritten.

FRAGE: Ihr Geschäft ist Raub, Erpressung und Mord. Wie können Sie da von Regeln sprechen?

Capo: Das sind die Mittel, die uns bleiben. Der römische Staat geht ebenfalls nicht zimperlich mit uns um.

FRAGE: Aber diese Regierung ist demokratisch gewählt. Ihnen hingegen fehlt jede Legitimation.

Capo: Wir sind ein besetztes Land, und wir nehmen uns, was uns gehört. Der Staat kümmert sich nicht um Kalabrien. Wir hingegen besorgen Jobs und sorgen für Ordnung.



Struktur der 'Ndrangheta




FRAGE: Ist es nicht vielmehr so, dass Sie jede Entwicklung im Süden Italiens durch Schutzgelderpressung und Korruption verhindern?

Capo: Die Politiker sind ohnehin korrupt. Und hier wollen wir herrschen.

FRAGE: Ist die 'Ndrangheta auch in Deutschland aktiv?




Capo: Wir sind da, wo das Geld fließt. In Deutschland fühlen wir uns besonders wohl, weil man dort noch Respekt voreinander hat.

FRAGE: Stehen auch deutsche Politiker auf Ihrer Gehaltsliste?

Capo: Wenn es nicht so wäre, wären wir nicht da. Das große Geld lässt sich nur verdienen, wenn die Politik mitmacht.

FRAGE: Nur auf kommunaler Ebene oder auch weiter oben?

Capo: Auf allen Ebenen, sonst würde das nicht funktionieren.

FRAGE: Die Polizei sagt, die Morde von Duisburg seien ein Fehler gewesen, weil die anschließenden Ermittlungen die Geschäfte der 'Ndrangheta gestört haben.

Capo: Wir machen keine Fehler. Die blutigen Taten von Duisburg waren notwendig, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

FRAGE: Die Polizei behauptet, es sei ein Rachemord im Rahmen einer jahrelangen Fehde zwischen zwei verfeindeten Clans aus San Luca gewesen.


verhaftete 'Ndrangheta-Bosse



Capo: Für einen reinen Fehdemord hätten die Bosse in San Luca nie die Erlaubnis gegeben. Nein, in Duisburg lagen die Dinge anders.

FRAGE: Wie denn?

Capo: In Duisburg wollten ein paar Leute, die für den Mord an Maria Strangio Weihnachten 2006 verantwortlich waren, gegen das ausdrückliche Verbot der Bosse eine eigene Gesellschaft gründen und in San Luca die Macht übernehmen. Zum Glück wurde ihr Plan verraten.

FRAGE: Es war also keine Rache?

Capo: Wäre der Plan der Verräter von Duisburg aufgegangen, hätte das weltweit die Ordnung der 'Ndrangheta durcheinanderbringen können. So etwas kann nicht geduldet werden. Mit den Morden von Duisburg haben wir die Ordnung wiederhergestellt. Jeder weiß, was geschieht, wenn er sich gegen unsere Anordnungen stellt. Gleichzeitig ist damit die Fehde beendet worden. Es war also ein Ehrenmord und ein Fehdemord. Jetzt herrscht wieder Frieden.

FRAGE: Wissen Ihre Frau und Ihre Kinder eigentlich, womit Sie Ihr Geld verdienen?

Capo: Sie sehen es. Sie wissen es. Aber sie sagen nichts.

FRAGE: Soll Ihr Sohn einmal den gleichen Weg gehen?

Capo: Nein. Ich möchte, dass er Arzt wird oder Anwalt.

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