Mit Strom aus Windkraft sollen drei deutsche Geschäftsmänner der Mafia geholfen haben, schmutzige Gewinne aus Drogenhandel und Erpressung zu waschen. Die HSH Nordbank finanzierte das Investment. Nun haben Polizisten Wohnungen und Büros der Verdächtigen sowie Geschäftsräume der HSH durchsucht.
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Windkraftanlage in Capo Rizzuto: Die HSH Nordbank finanzierte die Anlage mit 225 Millionen Euro. Doch der Park steht im Verdacht, eine Geldwaschanlage der Mafia zu sein. |
Der Windpark Capo Rizzuto ist einer der größten Europas. Laut der Staatsanwaltschaft Osnabrück hat die Anlage drei deutschen Geschäftsmännern vor allem dazu gedient, schmutzige Gelder aus Drogenhandel und Erpressung der süditalienischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta zu waschen. Die angeschlagene HSH Nordbank finanzierte den Park mit 225 Millionen Euro.
Seit den frühen Morgenstunden durchsuchten nun rund 200 Polizeibeamte insgesamt 20 Wohnungen und Büros der drei Verdächtigen sowie die Geschäftsräume der HSH Nordbank in Hamburg und Kiel. Beteiligt sind Beamte des Bundeskriminalamtes, der Landeskriminalämter Bayern und Niedersachsen sowie die Zentrale Polizeidirektion Hannover.
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Einsatzfahrzeuge vor der HSH Nordbank: Bundesweit sind 20 Gebäude durchsucht worden, insgesamt waren rund 200 Beamte beteiligt. |
Ermittelt wird wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Unterstützung einer ausländischen kriminellen Vereinigung. "Die Beschuldigten stehen im Verdacht, mittels ihrer Firmen in Deutschland, Italien, San Marino und der Schweiz inkriminierte Gelder einer 'Ndrangheta-Gruppierung gewaschen zu haben. Außerdem sollen sie Gesellschaftsanteile an der Betreibergesellschaft eines Windparks für diese kriminelle Vereinigung übernommen haben, um so deren Beteiligung zu verschleiern", sagt der Osnabrücker Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer.
Der Windpark, um den es geht, liegt rund 2100 Kilometer von Osnabrück entfernt. Die 48 Windmühlen an der Sohle des italienischen Stiefels haben eine Leistung von rund 100 Megawatt und können jährlich Strom im Wert von 30 Millionen Euro erzeugen. "Die Anlage ist ökonomisch erfolgreich", sagt Rüdiger Volk, Direktor der HSH Nordbank. Volk verantwortet in der Bank den Bereich "Sanierung". Der Windpark ist längst zum Problem geworden.
Wie der SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe berichtet, hegte die italienische Staatsanwaltschaft schon lange den Verdacht, dass die Anlage auch dazu dient, schmutziges Geld des Arena-Clans zu waschen, der in der Region das Sagen hat. Clan-Chef Nicola Arena, 76, sitzt im Gefängnis, sein gleichnamiger Neffe, 49, hat den Windpark maßgeblich vorangetrieben.
Eingang der HSH Nordbank in Hamburg: Auch bei der Landesbank wurden Beweise sichergestellt.
Auf der Suche nach Investoren
Ein dubioser Geschäftsmann aus Rosenheim, der ehemalige CSU-Stadtrat und Rechtsanwalt Martin Frick, 62, hatte die Idee zu dem Projekt. Die notwendigen Kontakte nach Kalabrien stellte ein Pizzeria-Betreiber aus seiner Heimatstadt her.
Es ist deshalb gut möglich, dass Frick von Anfang an wusste, auf wen er sich da eingelassen hatte, auch wenn er beteuert, dass sein Partner Nicola Arena ihm versichert habe, nichts mit den krummen Geschäften seines Onkels zu tun zu haben. Womöglich gehörte es auch zum Kalkül, dass die Mafia bei der Realisierung eines solchen Projektes in einer der korruptesten Regionen Europas sehr hilfreich sein könnte.
In Deutschland hat Frick schon lange ein Problem. Seine Politikerkarriere bekam einen Knick, weil er sich als Anwalt, statt Honorar zu kassieren, ein Grundstück überschreiben ließ, das später Bauland wurde. Frick saß damals im Bauausschuss. Seine Anwaltszulassung verlor er, nachdem er wegen Veruntreuung von Mandantengeldern verurteilt wurden war. 2002 musste er zudem ein Schuldanerkenntnis bei der Volksbank Mittweida über 500.000 Euro unterschreiben, das er bis heute nicht bezahlt hat.
Es dürfte ihm deshalb schwergefallen sein, den Windpark selbst zu realisieren. Auf der Suche nach Investoren traf er auf Ulrich Schomakers, einen Brancheninsider aus Rheine, und Ludwig Nyhuis, einen Finanzmakler aus Twist im Emsland. Sie gründeten eine Firma, die Ventuno Design, die den Windpark als Generalunternehmer bauen und anschließend verkaufen sollte. Die HSH Nordbank war bereit, das gesamte Projekt zu finanzieren.
Blick in das Foyer der HSH Nordbank: Die Durchsuchungen sind das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens, das seit Februar 2013 geführt wird. Es geht um den Verdacht der Geldwäsche und der Unterstützung einer ausländischen kriminellen Vereinigung.
Der italienischen Staatsanwaltschaft kam der Windpark von Anfang an verdächtig vor. Einerseits weil Frick Mitglieder der Arena-Familie erst mit zehn, später mit 15 Prozent an dem Projekt beteiligte, obwohl sie angeblich kein Geld investiert hatten. "Arena war für die soziale Komponente des Projektes zuständig. Er sollte dafür sorgen, dass mögliche Konflikte zwischen den Beteiligten gelöst werden", sagt Nyhuis. Andererseits war man bei der Staatsanwaltschaft skeptisch, weil die Bank 100 Prozent finanzierte.
Die Staatsanwaltschaft Rom bat um Rechtshilfe aus Kiel
Die Staatsanwaltschaft Catanzaro beschloss, die Telefone der Beteiligten abzuhören. So erhielten die Ermittler in Italien Hinweise auf Korruption, Geldwäsche und Einschüchterungen.
Trotzdem - oder deshalb - ging die Windkraftanlage Capo Rizzuto Ende 2009 wie geplant in Betrieb. Die Schulden, 225 Millionen Euro inklusive Umsatzsteuer, wurden damit auf die Firma Vent1 Capo Rizzuto überschrieben, eine Betreibergesellschaft ohne nennenswertes Personal und mit 10.000 Euro Kapital. Geschäftsführer: Martin Frick.
Etwa zur gleichen Zeit schickte die Antimafia-Staatsanwaltschaft aus Rom ein Rechtshilfeersuchen nach Kiel. Darin ging es im Kern um die Frage, wie der Kredit mit der HSH Nordbank zustande gekommen war. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Bank so ein Projekt zu 100 Prozent finanziert", sagt Chefermittlerin Maria Vittoria De Simone, "da muss es noch Sicherheiten im Hintergrund geben."
Als einzige Reaktion schickte die Kieler Staatsanwaltschaft am 25. November 2010 zwei DIN-A-4-Ordner mit den Vertragsunterlagen, die sie von der HSH Nordbank erbeten hatte. Ein Sprecher der Bank sagte, es habe sich um eine damals übliche Projektfinanzierung gehandelt, bei der die Anlage und sämtliche Erlöse daraus als Sicherheit dienten.
In Kalabrien, rund 2000 Kilometer südlich von Kiel, spitzten sich die Dinge damals zu. Die Arenas drängten auf den Verkauf und wollten Geld sehen. Frick und sein Geschäftspartner bei der Schweizer Firma Econex, die an dem Windpark beteiligt ist, gerieten in finanzielle Schwierigkeiten. "Da unten gibt es Probleme. Keine Problemchen, echte Probleme", sagte Frick am Telefon.
Ermittlungen des Bundeskriminalamtes
Ein Treffen von Frick und Arena-Angehörigen mit Grazia Canuto, Abteilungsleiterin im italienischen Umweltministerium, brachte offenbar die dringend erhoffte Wende. Ihr gelang es offenbar, den italienische Energieversorger Terna für den Windpark in Capo Rizzuto zu begeistern. Es ging um einen Kaufpreis von rund 240 Millionen Euro. Den Arenas war das wohl zu wenig.
Frick arrangierte dennoch ein Treffen mit den Terna-Vertretern in Rom. Noch während er mit ihnen am 12. Juli 2012 zu Mittag aß, klingelte sein Telefon. Die italienische Staatsanwaltschaft hatte den Windpark beschlagnahmt, erfuhr er. Das Geschäft war geplatzt.
Schnell änderte Frick die Zusammensetzung der Gesellschafter, offenbar mit dem Ziel, den Namen Arena aus den Unterlagen zu tilgen, und legte Beschwerde gegen die Beschlagnahmung ein. Damit aber hatte er nur kurzfristig Erfolg. Das Gericht in Catanzaro bestätigte die Beschlagnahmung. Seither fließt auch kein Geld mehr an die HSH Nordbank.
Dass jetzt bei den drei verdächtigen Geschäftsleuten und auch bei der Bank durchsucht wird, liegt indes nicht an der Kieler Staatsanwaltschaft. Dort ruht der Fall immer noch unbearbeitet zwischen Aktendeckeln.
In aller Stille aber hatte eine Geldwäscheverdachtsanzeige eines niedersächsischen Finanzamtes die Staatsanwaltschaft Osnabrück alarmiert. Sie beauftragte das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen. Nachdem es aus Italien wiederholt Beschwerden über die Nachlässigkeit der Deutschen in dieser Sache gegeben hatte, nahm sich die Bundesbehörde selbst des Falles an.
Für den Hauptverdächtigen Frick wird es nun eng. Zwar hat er schon länger keinen Wohnsitz mehr in Deutschland und auch kein pfändbares Vermögen.
Ein Inkassounternehmen aber, das der Volksbank Mittweida seine 500.000 Euro Schulden abgekauft hatte, stieß jetzt auf Fricks Schweizer Firma Econex. Das zuständige Bezirksgericht hat gerade einen Arrestbefehl über sämtliche Aktien, Gehaltsansprüche und Konten Fricks ausgestellt.
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