Mittwoch, 8. Januar 2014

Die 'Ndrangheta..."wir pudern eure Nasen und bauen eure Straßen!"



Die 'Ndràngheta, in seinen Anfängen Mano Nera ("schwarze Hand") ge­nannt, wird heute auch Picciotteria und (wie die sizilianische MafiaOno­ra­ta società (eh­rens­werte Gesellschaft) genannt. Sie ist die Vereinigung der kala­bre­si­schen Mafia, eine der gefährlichsten kriminellen Organisationen Italiens. Ihr Betätigungsfeld hat sich längst ausgeweitet von den schwer zu­gäng­lichen Berg­regionen Kalabriens nach Deutschland, Frankreich und Bel­gien bis hin in die USA. Als Spezialgebiet der 'Ndrángheta nennen Fahnder immer häufiger den Kokainhandel. Mit geschätzten 84 Mrd. Dollar Jahres­um­satz (2011) gilt die 'Ndrángheta heute als mächtigste kriminelle Vereinigung Europas.





Sprachliches: Der Apostroph am Anfang des Wortes steht für die Auslassung des Anfangs­vokals (was im Kalabresischen häufig ist). In diesem Fall des Buchstabens "A". Das Wort 'Ndrángheta (Betonung auf "a") könnte aus der Zu­sammensetz­ung zweier griechischer Wörter, andròs (Mann) und agathòs (Schönheit, Per­fek­tion) entstanden sein. Diese Abstammung aus dem Grie­chischen wird dadurch erklärt, dass in manchen Teilen Süditaliens noch grie­chische Dialekte ge­sprochen wurden.

Die Wurzeln der Organisation reichen weit zurück. Im 19. Jahrhundert ent­stand sie aus Briganten und Rebellen in den Städten Platì und San Luca. Ab 1950 verbreitete sie sich in der ganzen Region Kalabrien auch dank der Schwäche des Staates und der Begünstigung von korrupten Politikern.


ein aufschlussreiches Video. Wer ist die 'Ndrangehta....?


In den 1960er Jahren gewannen drei "cosche" (Familien) an Bedeutung: die Piromalli in der Ebene von 
Gioia Tauro, die Tripodo in Reggio Calabria und die Macrì in der Locride. Während dieser Zeit wurde die 'Ndrangheta auch "ano­ni­ma sequestri" ("Kidnapping-AG") genannt, weil sie sich durch Entführungen Geld besorgten. Im Jahr 1977 entführten kalabrische Ganoven allein in Mai­land 33 Menschen, um Millionen zu erpressen. Bereits damals hatte sich die 'Ndrangheta in Norditalien eingenistet. In den 1970er und 1980er Jahren fan­den zwei Mafia­krie­ge statt, in denen die jüngeren Generationen gegen die alteingesessenen Bosse der "onorata società" um die Macht kämpften. 

Nach Erkenntnissen europäischer Drogenermittler stellt die 'Ndrángheta die bedeutendsten Gruppen im europäischen Kokain-Handel, noch vor den ko­lum­bianischen Drogenkartellen. Die Dominanz der ’Ndrángheta ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es ihr gelang, Teile des Geschäfts an sich zu reißen, als die sizilianische Cosa Nostra in den 1990ern unter Druck geriet. Die erträglichsten Geldquellen der 'Ndrangheta sind, nach dem Dro­gen­han­del, der Waffenhandel, die Geldwäsche und Er­pressungen. Mittelpunkt der Or­ga­nisation ist nach wie vor Kalabrien mit den Provinzen Reggio Calabria und Crotone.

Nach inoffiziellen Angaben italienischer Ermittler stehen etwa 7.000 Mann im Dienst der 'Ndrángheta, unterteilt in etwa 90 "cosche" (Familienclans). Das Wort "cosca" stammt aus dem sizilianischen Dialekt und kennzeichnet das durch die äußeren Blätter geschütze Innere der Artischocke. Eine gute Meta­pher also für eine Geheimgesellschaft. Synonym für "cosca" ist auch das kala­bre­si­sche Wort "'Ndrina". 

Im Gegensatz zur sizilianischen Mafia spielt bei der 'Ndrangheta-Mit­glied­schaft weit stärker die Blutsverwandtschaft eine Rolle. Dieser ist auch ein größerer Zusammenhalt zu verdanken: Bis­lang gab es nur 157 Kron­zeu­gen, die aus der 'Ndrangheta ausgestiegen sind. 

Wie stark die ´Ndrángheta immer noch in Kalabrien ist, be­weisen jüngste Zahlen, nach denen 70 Prozent aller Unternehmer in Kalabrien den so­ge­nann­ten "pizzo", das Schutzgeld, zahlen. Die restlichen 30 Pro­zent der Unter­neh­men und Geschäfte sollen sich demnach direkt in der Hand der 'Ndrangheta befinden. 
So wie die Kleinstadt Corleone auf Sizilien als Hochburg der Mafia gilt, so gibt es in Kalabrien ein Ort, das als Hochburg der ’Ndrángheta gilt: Plati am Fuß des Aspromonte-Gebirgs. In den Hauswänden sieht man die Löcher von Pis­tolenkugeln. Der Berg unter Platì durchlöchert wie ein Schwei­zer Käse. Man findet dort ein Labyrinth aus Höhlen und Gängen, Fluchtwege, durch die unter­getauchte Bosse unauffällig verschwinden konnten. 
Trotzdem versucht der italienische Staat immer wieder Herr der Lage zu wer­den.

Beispielsweise stürmten 2009 insgesamt über 1.000 Carabinieri das Dorf mit nur 2.800 Einwohnern, wobei 131 Verdächtige festgenommen wur­den. Am 17. Juli 2010 konnte der aktuelle Boss der ’Ndrángheta, Giuseppe Bel­loc­co, im Rahmen einer großangelegten Aktion gefasst werden. Anfang Juni 2011 verbuchte die Polizei erneut Erfolge im Kampf gegen die 'Ndrangheta und seine wirtschaftlichen Verquickungen im Norden Italiens. Bei einer Razzia in meh­reren Städten, unter denen MailandModena und Turin, wurden 142 Personen festgenommen. 

Ein Zehn-Punkte-Programm der Regierung soll die Wirtschaftskraft der kriminellen Organisationen angreifen. Ein neue Behörde soll das bei der Mafia konfis­zierte Vermögen verwalten und es sollen Möglichkeiten ge­schaf­fen werden, um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen besser zu kon­trol­lie­ren. Die Confindustria, der italienische Industrieverband, hat einen Anfang gemacht und be­schlossen, all jene Mitglieder auszuschließen, die Schutzgeld-Erpressungen nicht anzeigen oder wegen Mafia-Geschäften verurteilt wurden. 

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