Die Camorra hat im Hinterland Neapels zehn
Millionen Tonnen Giftmüll vergraben. Darunter soll auch radioaktiver Schlamm
aus Deutschland sein. Das Verbrechen ist seit Jahren bekannt, jetzt scheint
endlich gehandelt zu werden.
Italien setzt zur Beseitigung illegaler Mülldeponien der Mafia nun das Militär ein
Die italienische Regierung hat 850 Soldaten zur Bekämpfung der
Müllkriminalität in Kampanien in Marsch gesetzt. Sie sollen Müllkippen
aufspüren und verhindern, dass sie weiter genutzt werden.
»Wir sind dazu bereit.
Wir haben niemals eine schlechte Figur abgegeben«, sagte General Vincenzo Lops
voller Stolz zu seiner neuen Aufgabe: Er kommandiert 850 Soldaten bei der Suche
nach Giftmüll in Süditalien. Sogar Aufklärungsdrohnen stehen seinen Einheiten
zur Verfügung. Das ist durchaus sinnvoll. Zwar weisen die Umweltaktivisten von
Legambiente seit mehr als zwei Jahrzehnten auf die illegalen Müllkippen und die
Gefahren hin, die durch die Verseuchung von Boden, Wasser und Luft entstehen.
Viele der Müllkippen
sind schon lokalisiert. Aber immer wieder werden in Ermittlungen gegen die
Camorra neue illegale Deponien aufgespürt, die sich zum Teil in entlegenen
Gebieten oder unter meterdicken Erdschichten befinden.
Grundlage des
Militäreinsatzes ist das Anfang dieser Woche in Rom verabschiedete Dekret über
das »Land der Feuer«. Die Bezeichnung rührt von den vielen Bränden der
illegalen Müllkippen Kampaniens her. Das Dekret ist ein Zeichen, dass die
gegenwärtige Regierung das Problem ernst nimmt. Einwohner der Region fühlen
sich aber auch an die Showeffekte des Militäreinsatzes gegen den Müllnotstand
in Neapel vor wenigen Jahren durch die Regierung des damaligen
Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi erinnert.
Vertreter von
Umweltschutzverbänden kritisieren daher den massierten Einsatz. »Die Armee
lässt uns im Notstand verharren. Wir aber brauchen einen strukturellen Ansatz«,
meint Lucio Iavarone, Sprecher des Koordinationskomitees der Bürgerinitiativen
im »Land der Feuer«. Alessandro Gatto, Präsident des WWF Kampanien, sagt: »Wir
hätten uns mehr Ermittlungskapazitäten gewünscht, um die Auftraggeber der
Mülltransporte und der Brände herauszubekommen. Nur die zu erwischen, die für
ein Handgeld von 20 Euro die Brände legen, reicht nicht.« Passend zu Gattos
Bemerkung wurden dieser Tage bei Caserta zwei Tunesier festgenommen, die Giftmüllberge
angezündet hatten. Hinweise auf die Auftraggeber lieferten sie nicht.
Die Dimension der
illegalen Müllwirtschaft ist erschreckend. Von 1991 bis 2013 hat die
Staatsanwaltschaft Neapel wegen des Transports und des illegalen Lagerns von
Industrie- und Giftmüll aus anderen Regionen Italiens 82 Ermittlungsverfahren
eingeleitet, 915 Haftbefehle erlassen und Transporte von etwa zehn Millionen
Tonnen Giftmüll in die Provinzen Neapel und Caserta nachgewiesen. Angeblich ist
auch Atommüll dabei.
Wurde dieses Problem
lange verharmlost, so haben in den letzten Jahren Berichte über zunehmende
Krebserkrankungen der Bevölkerung eine Welle des Widerstands ausgelöst. Ob ein
direkter Zusammenhang mit der Müllverbrennung besteht oder die Ursachen nicht
vielmehr im desolaten Gesundheitssystem zu suchen sind, ist derzeit offen.
Während in Norditalien bei der Krebsfrüherkennung fast jeder zweite Befund
Karzinome in einem Frühstadium nachweist, ist es in Kampanien nur bei jedem
vierten Befund der Fall. Drei Viertel aller Krebserkrankungen sind bereits in
fortgeschrittenem Stadium, was auch an Wartezeiten von oft mehr als sechs
Monaten für einen Untersuchungstermin liegt. Für ein kostenloses Screening in
den am ärgsten betroffenen Gegenden hat das römische Gesundheitsministerium
jetzt 75 Millionen Euro bereitgestellt.
Bleibt zu hoffen, dass
dieses Geld nicht wieder in den Händen der Camorra landet, sondern bei der
Bevölkerung. Der Zustand des Gesundheitswesens ist direkte Folge des
Mittelabflusses von Investitionen in die Taschen der Clans. Statt Drohnen
bräuchte es Finanzermittler.
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