Ermittler schätzen, jeder zweite Gastronom und Clubbesitzer zahlt und schweigt. Denn wer redet oder sich wehrt, der riskiert sein Leben. Ein Insider schildert: So funktioniert das miese Geschäft mit der Angst.
Mehmet T. war jahrelang als Geldeintreiber in Köln unterwegs. |
Mehmet T. (34, Name geändert) war jahrelang Türsteher und Geldeintreiber in Köln. Zig mal vorbestraft. Er kennt Kalk und die Leute, die mit Erpressung ihren Lebensunterhalt verdienen – und deren Fehde jetzt ein Todesopfer forderte.
Ein Todesopfer im Schutzgeld-Milieu: Auf der Johann-Mayer-Straße in Kalk wurde ein 42-Jähriger von einem Kontrahenten erschossen. |
„Wenn einer nicht zahlen wollte, habe ich eben nachgeholfen. Ein Baseballschläger wirkte da oft Wunder“, sagt Mehmet. Und weiter: „Es gibt in Kalk und Vingst zwei Gruppen, die das Schutzgeld- und Erpressergeschäft dominieren. Auf der einen Seite die türkischstämmigen Jungs aus Vingst, die seit etwa 20 Jahren im Business sind. Auf der anderen Seite die Italiener aus Kalk, die sich seit zwei Jahren einen Namen gemacht haben. Hin und wieder gibt es Splittergruppen, aber die halten sich nicht.“
Die Arbeitsweise ist stets gleich: Ein Schläger wird vorgeschickt, provoziert, bedroht das Opfer, schlägt zu. Einen Tag später kommt der eigentliche Erpresser zum „Neukunden“, bietet Schutz an. Er kenne den Täter, könne ihn zurückhalten. Allerdings kostet der Service. Was das Opfer nicht weiß: Schläger und Erpresser machen gemeinsame Sache.
Eine weitere Masche wird in Diskotheken und Bars abgezogen. Eine hübsche Frau wird auf das neue Opfer angesetzt, flirtet es an. Geht der Mann darauf ein, schnappt die Falle zu. Man verabredet sich für den nächsten Tag in der Öffentlichkeit, plötzlich steht der „Freund“ der jungen Dame vor dem Opfer und flippt aus. Drohen, schlagen, abziehen! Der Rest läuft wie bei der Masche mit dem Schläger. Mehmet hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen. „Irgendwann willst du einfach nicht mehr. Ich werde jetzt aus Kalk wegziehen.“
Mafia kassiert 2,40 € pro Pizza
Organisiertes Verbrechen und Bandenkriminalität – bei der Kölner Polizei sind die Beamten des Kommissariats 21 für Schutzgelderpressung zuständig.
Sprecher Andre Faßbender dazu: „Die Täter leben vor allem davon, dass die Opfer sich nicht trauen, zur Polizei zu gehen.“
Neben Drohungen wie „Denk an deine Kinder!“ oder „Wir zünden deinen Laden an!“ werden Opfer mit perfiden Methoden mürbe gemacht: eine Patronenhülse liegt im Briefkasten, lockere Radmuttern am Auto, eine tote Katze per Post.
Wer sind die Täter? Ein Ermittler, der anonym bleiben muss: „Wir haben es in Köln meist mit italienischen und türkischen Tätern zu tun, die ihre Landsleute abkassieren. Eine andere Form ist, dass Geschäftsleute gezwungen werden, ihre Waren von einem bestimmten Anbieter zu überhöhten Preisen zu beziehen.“
Bis zu 40 Prozent des Umsatzes müssen Geschäftsinhaber an die Kriminellen abgeben. Das bedeutet: Von einer Pizza, die sechs Euro kostet, kassiert die Schutzgeld-Mafia 2,40 Euro.
Hinzu kommen noch Organisationen wie Hells Angels oder Bandidos, die den Disco-Besitzern ihren „Schutz“ gegen Geld „anbieten“.
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