Michael Schaller hat sein
Weddinger Geschäft geschlossen. Nicht nur weil bei ihm acht Mal eingebrochen
wurde, sondern auch weil er bedroht wurde. Heute Abend spricht er im Fernsehen
darüber.
Zwei Mal waren sie bei ihm
in seinem Feinkostladen in Gesundbrunnen, kräftige Männer, die ihm andeuteten,
dass sie Geld von ihm wollten. Beide Male ließ sich Michael Schaller nicht
einschüchtern. Beim dritten Mal kam dann ein Anruf mit unterdrückter Nummer:
"Wir brauchen 120 Euro, mach die klar", sagte eine unbekannte Stimme.
"Ich schick den großen Bruder vorbei."
er der große Bruder war, wusste Schaller
nicht und wollte es auch nicht wissen. Er sagte nur: "Ich habe keine 120
Euro und ich leihe niemandem Geld, den ich nur vom Telefon kenne." Dann
hat er aufgelegt und dachte kurz: "Oh mein Gott, was passiert da?"
Michael Schaller gehörte ein italienisches
Feinkost-Geschäft inmitten von Döner-Buden und Orient-Shops in Gesundbrunnen,
einem der Viertel im nördlichen Teil des Bezirks Mitte. Der 39-Jährige bot
einen Mittagstisch an und Fremdsprachenkurse in Türkisch, Englisch und
Französisch. "Feinkost und Fremdsprachen" hieß der Laden – der
kürzlich umziehen musste, weil der Inhaber nicht mehr daran glauben wollte,
dass sich wirklich etwas ändert im Kiez.
Trotzdem geht Michael Schaller jetzt mit
seinen Schutzgelderfahrungen an die Öffentlichkeit, weil er möchte, dass sich
etwas ändert. An diesen Dienstag (21. Januar 2014) wird er in der Sendung
"Menschen bei Maischberger" (ARD, 22.45 Uhr) auftreten und noch
einmal von dem Telefonanruf und der Zeit danach erzählen.
Das wirklich Schlimme begann nämlich erst
danach.
Es
war im März 2013, an einem Sonnabendabend, Schaller saß noch am Computer in
einem hinteren Raum des Ladens, der schon geschlossen war. Dann hörte er, dass
jemand an der Tür rüttelte, die aber abgeschlossen war – zwei Pflastersteine
flogen durch die Fensterscheibe. "Man konnte erkennen, dass da noch jemand
arbeitet", sagt er, "das war der größte Schock für mich." Vier
Wochen lang habe er anschließend Albträume gehabt, dass er mit Pflastersteinen
beworfen werde. "Wirklich keine schöne Zeit." Da wurde ihm klar, dass
er wegziehen musste.
Verteidigung mit
Spielzeugpistole
Längst hatte er zu diesem Zeitpunkt die
Polizei eingeschaltet. Immerhin war bei ihm schon acht Mal eingebrochen worden.
Einmal, im Februar 2012, waren es zehn Jugendliche, die bei ihm einbrechen
wollten. Er hörte noch einen der Einbrecher rufen: "Schaut, dass ihr alles
mitnehmt, aber auf jeden Fall die Espressomaschine!" Das war sein
teuerstes Inventar.
Er sah dann, dass drei Jugendliche
versuchten, die Scheibe seines Ladens einzudrücken. "Ich ging mit einer
Spielzeugpistole auf sie los", sagt Schaller, "die sind dann
geflüchtet." Er sei immer zufrieden gewesen mit der Arbeit der
Polizeibeamten. Dabei wurde ihm auch klar, dass er offenbar nicht der einzige
Ladenbesitzer mit diesem Problem sei. "Die Polizei ist sehr interessiert,
solche Dinge aufzuklären."
Insgesamt erfasst die Berliner Polizei nur
ein geringes Aufkommen von organisierter Kriminalität, wenn in diesem Bereich
auch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. In der Kriminalstatistik
tauchen nur wenige Schutzgelderpressungen auf. 2012 registrierte die Polizei 13
Fälle, im Jahr zuvor waren es 23. Die Aufklärungsquote lag 2012 bei 46 Prozent
(2011: 65 Prozent). Meist ging es um Forderungen von 4000 bis 5000 Euro pro
Monat, in Einzelfällen auch um bis zu 20.000 Euro. Wer mit
Schutzgeldforderungen konfrontiert ist, kann sich auch beim Verein "Mafia?
Nein danke!" melden.
Michael Schaller war zudem aufgefallen,
dass bei ihm als Deutschen mehr eingebrochen wurde als bei türkischen Kollegen.
Als er darüber mit Journalisten gesprochen hat, wurde er in sozialen Netzwerken
beschimpft. "Es ist nicht so geworden, wie ich es mir erträumt
hatte", sagt er, "aber ich probiere es jetzt noch mal." Er hat
mit seinem neuen Standort auch auf Wedding gesetzt – allerdings näher zum
Prenzlauer Berg. Sein Geschäft, das nach wie vor Sprachkurse und Feinkost aus Italien
anbietet, befindet sich jetzt auf der Weddinger Seite des Mauerparks, nahe der
Bernauer Straße. "Hier bleiben sogar meine Stühle vor der Tür an derselben
Stelle stehen, wo ich sie morgens hinstelle."
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