In einem Interview im italienischen
Fernsehen lobte der Sohn des ehemaligen Mafiabosses Toto Riina die Werte seines
Vaters. Nun hat sich "Gomorrha"-Autor Roberto Saviano zu Wort
gemeldet. Er meint: Das Interview war eine versteckte Botschaft.
Italien ist entsetzt - und streitet
seit Tagen darüber, warum der Sender Rai 1 dem Sohn des brutalen Mafiabosses
Salvatore "Toto" Riina die Plattform gegeben hat, seinen Vater zu
loben. Giuseppe "Salvo" Riina gab dem Sender ein Interview, in dem er
kein schlechtes Wort über den vielfachen Mörder verlor. Stattdessen lobte er
die Werte, den Respekt und die Liebe, die ihm seine Familie weitergegeben habe.
Salvo Riina |
Alles Berechnung, meint nun der "Gomorrha"-Autor und
Mafiakenner Roberto Saviano, der sich in der Diskussion zu Wort gemeldet hat.
Er ist sich sicher: Der Sohn des legendären "Capo dei capi"
("Boss der Bosse") hat das Interview bewusst genutzt, um eine
versteckte Botschaft zu kommunizieren.
Toto Riina, mehrfach lebenslänglich
verurteilt, sitzt in einem italienischen Hochsicherheitsgefängnis. Saviano
wurde nach der Veröffentlichung seines Camorra-Bestsellers mit dem Tode
bedroht, er lebt unter Polizeischutz und gilt als guter Kenner mafiöser Strukturen.
Salvo Riina, glaubt er, habe als Vertreter seines Vaters und der gesamten
Organisation gesprochen. "Hier spricht die Mafia. Und das Schlimmste ist:
Wir haben es nicht verstanden."
Im italienischen Fernsehen führte der
Autor aus: "Wenn du die Grammatik der Mafia nicht kennst, dann erscheint
es dir wie ein banales Interview, fast wie eine Verteidigung. Dabei ist es
alles andere als das. Es ist die stärkste Botschaft, die die Cosa Nostra in den
letzten 20 Jahren gegeben hat."
Wenn ein Mafioso ins Fernsehen gehe, so
Saviano, dann nur, weil er eine Botschaft platzieren wolle. Andernfalls gehe er
nicht hin. "Die mediale Aufmerksamkeit ist immer eine Gefahr, sei es für
die Organisation oder für die Einzelperson." Riina habe sich bewusst dafür
entschieden, das Risiko einzugehen. Er habe sich mit seinen Worten aber
keineswegs an die Öffentlichkeit gewandt - sondern an die italienische Justiz
und zugleich an die neue Generation der Mafia.
Eine Nachricht an den neuen Boss
Wort für Wort zerpflückt und interpretiert
Saviano das Interview. Der Justiz, glaubt er, habe Riina andeuten wollen, dass
sein Vater eine Art Verständigung vorschlage. Die inhaftierten Mafiosi wollten
gegen Hafterleichterung die Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen,
sich aber von der Organisation distanzieren und nicht gegen andere Mitglieder
aussagen. Riinas Sohn habe die Werte seiner Familie hervorgehoben, um die
Unterschiede zwischen der "alten" und der "neuen" Mafia zu
betonen. Er wolle sagen, dass es die alte Mafia nicht mehr gibt.
Mit der "alten" Mafia meint
Saviano die Zeit der früheren Bosse wie Riina, die sich im Privaten bescheiden
bis zuweilen bäuerlich gaben. Seit der Festnahme Bernardo Provenzanos im Jahr
2006 gilt der heute 53-jährige Matteo Messina Denaro als neuer Anführer der
"Cosa Nostra" genannten sizilianischen Mafia. Er soll nicht nur ein
skrupelloser Killer sein, sondern auch den Luxus lieben. Bevor er 1993
untertauchte, machte er mit protzigen Autos und rauschenden Partys von sich
Reden.
An diese "neue" Mafia, sagt
Saviano, habe sich Riina mit dem Interview ebenso gewandt: "Es war eine
Nachricht an Matteo Messina Denaro, wie es die alten Generationen immer mit den
neuen machen." Auch hier habe sich Riina distanzieren und den Unterschied betonen
wollen - um der neuen Generation klarzumachen, dass sie sich nicht in die
Angelegenheiten der alten einzumischen habe.
Die Verhaftung Provenzanos im Jahr 2006
wurde als großer Erfolg gefeiert, doch seither sind die Machenschaften der
sizilianischen Mafia kaum transparenter geworden. Messina Denaro ist seit mehr
als 20 Jahren flüchtig. Von ihm existieren keine aktuellen Fotos, nur ein
Phantombild aus dem Jahr 2014. Es wird spekuliert, dass Denaro Informationen
über Toto Riina habe, mit denen er ihn unter Druck setzen könne.
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